2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Robert Claus, Fanforscher und Rechtsextremismus-Experte. Foto: www.chloephoto.de
Robert Claus, Fanforscher und Rechtsextremismus-Experte. Foto: www.chloephoto.de

"Das Engagement gegen Rechts ist nicht immer störungsfrei"

Robert Claus, Fanforscher und Experte für Rechtsextremismus, im FuPa-Brandenburg-Interview

Verlinkte Inhalte

Hooligans stehen in Deutschland wieder verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit. In Dortmund randalierten sie im Hertha-Block, in Chemnitz beteiligten sie sich an fremdenfeindlichen Ausschreitungen, bei Pegida-Demos in Dresden waren sie präsent und auch in Cottbus gibt es nach wie vor ein Netzwerk im Umfeld der Energie-Fanszene. FuPa Brandenburg sprach darüber mit dem Fanforscher und Rechtsextremismus-Experten Robert Claus.

Herr Claus, Hooliganismus gibt es bereits seit etlichen Jahren. Wie muss ich mir den modernen Hooligan vorstellen?

Im Idealtyp reden wir von jungen Männern. Es gibt natürlich immer auch Ausnahmen. Aber wir reden von einer Jugendkultur, die sehr männlich dominiert ist. Frauen in der Szene gibt es wirklich nur wenige. Wenn er aktiv ist, ist er zwischen 16 und 40 Jahre alt. Es gibt aber inzwischen auch schon eine ältere Generation, die sozusagen aus dem aktiven Kampf rausgewachsen ist und den körperlichen Zenit überschritten hat. Und es sind höchstwahrscheinlich Kampfsportler. Das ist eine Entwicklung, die sich in den vergangenen Jahren intensiviert und professionalisiert hat. Dass Hooligans an Kampfsport interessiert sind oder in einem Gym Boxen trainieren, war schon immer so. Wir reden bei Hooligans aber nicht mehr von schlecht organisierten Straßenschlägern, sondern von einem international vernetzten Kampfsportnetzwerk. Wir sehen sehr viele Hooligans, die Kickboxen oder Mixed Martial Arts trainieren, die sich auch auf den Besten-Ranglisten in Deutschland finden und teilweise eigene Gyms oder Kampfsportevents aufgebaut haben. Diese Professionalisierung ist eine Entwicklung der vergangenen 10 bis 15 Jahre in der Breite. Das sehen wir bundesweit. In Leipzig sieht man zum Beispiel Benjamin Brinsa mit seinem Imperium Fight Team. In Cottbus spielt das Kickbox-Team Cottbus eine große Rolle. Offiziell ist es zwar aufgelöst, aber die Leute und Netzwerke gibt es weiter.

Welche Rolle spielt da eigentlich noch der Fußball?

Die Hooliganszene hat zwei Szenen, aus denen sie sich massiv rekrutiert: Die eine ist der gewalttätige Teil der Fanszene und die andere der organisierte Kampfsport. Insofern kann man tatsächlich inzwischen davon reden, dass es Hooligans und Teile von Gruppen gibt, die nicht mehr aus den Fanszenen kommen und nicht mehr Fußballfans sind.

Für die spielt also der sportliche Teil des Fußballs keine Rolle mehr.

Das ist tatsächlich sehr unterschiedlich. Der Hooliganismus hat verschiedene Gewaltformen erfunden. Die klassischen Straßenrandale gibt es immer noch, zum Beispiel die Übergriffe auf andere Gruppen, um deren Material zu klauen. Aber an den Ackerkämpfen, wo Zehn gegen Zehn oder 20 gegen 20 auf einer entlegenen Feldwiese antreten und da im Grunde Gruppen-Kickboxen oder -Mixed Martial Arts veranstalten, nehmen auch Leute teil, die mit Fußball nicht viel am Hut haben. In Dortmund gibt es zum Beispiel die extrem rechte Gruppe Northside, die führende Ackergruppe in der Stadt. Die ist spannenderweise im Stadion überhaupt nicht präsent. Die gehen nicht als Gruppe hin, die haben keine Zaunfahne. Sie hatten nur einmal vor zehn Jahren ein Transparent zu Ehren eines gestorbenen Chemnitzer Hools. Sie sind aber in der Fanszene, in der Stadt und im Milieu ein Machtmonopol. Ein Grund, warum sich Teile der Fußballwelt schwer tun, die Leute einzuordnen, ist, dass sie zum Teil nicht aus dem Fußball kamen, sondern aus den Kampfsport-Gyms rekrutiert wurden.

Nachdem Hooligans viele Jahre unter dem Radar verschwunden waren, sind sie in den vergangenen Jahren wieder stärker in den Fokus gerückt. Hängt das mit der politischen Entwicklung in Deutschland zusammen, Stichwort Rechtsruck?

Definitiv. HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten) war einer der ersten großen rechten Aufmärsche im Rahmen der Debatte um Flucht, Migration und Asyl. Das schreiben sie sich bis heute auf die Fahnen, dass sie damals wegweisend waren. Hools haben daran sehr stark teilgenommen und danach teilweise auch die Organisationen geprägt von Pegida in Dresden oder Legida in Leipzig. Auch in Chemnitz war unübersehbar, dass Hooligans dort waren. Dadurch wird ein Teil der Hooliganszene wieder sichtbarer. Einschränkend muss man aber auch sagen, dass wir in der medialen Wahrnehmung oft über rechte Hooligans reden. Das ist zwar ein Großteil und eine ganz dominante Strömung in der Szene, deckt aber nicht die Gesamtheit ab. Es gibt auch Hooligangruppen in Deutschland, die sich links verorten, es gibt auch Hools, die vorrangig Gruppenkampfsport machen und nicht weiter politisch in Erscheinung treten. Die sind aber nicht so bekannt, weil sie nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen.

Hooligans verbinde ich immer mit Fußball und Gewalt im Umfeld von Spielen. Inwiefern sind solche reinen Kampfsportler eigentlich Hooligans?

Wenn wir Hooligans nur durch die Fußballbrille sehen, erfassen wir nicht die gesamte Szene. Wir müssen über Hooligans als Kampfsportszene reden, die dem Fußball sehr nahe steht. Die Frage ist aber durchaus berechtigt: Wer sind eigentlich Hooligans? Es gibt gerade in den sozialen Medien immer wieder auch Leute, die als Hooligans posen und dennoch Dinge gepostet haben, wo deutlich wurde, dass sie gar keine erkennbare Szeneanbindung haben. Ich würde sagen, ein Hooligan ist der, der sich als Hooligan versteht und Mitglied einer Gruppe ist. Aber an den Szenerändern franst es aus.

Aufmerksamkeit haben sie zuletzt unter anderem bei rechtsextremen Demonstrationen in Chemnitz oder Köthen erzeugt. Aber auch in Cottbus tritt die Szene nach wie vor bei Demos auf. Sind Hooligans ein ostdeutsches Problem?

Es ist ein Problem im Ostfußball, aber es ist kein spezifisches Ost-Problem. Hooligans, auch rechte, gibt es bundesweit. Der Osten hat ein Spezifikum aufgrund seiner Geschichte. Im Osten gab es vor der Wende eine organisierte Szene mit Gruppen, Strukturen und Trainingsräumen wohl nur beim BFC Dynamo. Als Stasiverein war er bei vielen Fans verhasst und musste sich organisieren, weil die Anhänger immer wieder angegriffen wurden. Dass die Hooliganszene die Kriterien einer Szene erfüllt, passiert erst Anfang der 1990er Jahre. Zur selben Zeit kam auch die Kameradschaftsszene in Ostdeutschland auf. Es gab vorher schon Rechtsextreme, aber nicht diese organisierte Szene. Im Osten gab es zu der Zeit teilweise rechtsfreie Räume, eine Nicht-Präsenz des staatlichen Gewaltmonopols. Deswegen sind im Osten die Hooligan- und die Kameradschaftsszenen so etwas wie Geschwister in ihrer Entstehungsphase, mehr als im Westen. Der ostdeutsche Hooliganismus ist in seiner Geschichte aus meiner Sicht nochmal deutlich rechter und deutlicher vernetzt in die Kameradschaftsszene. Im Westen ist das eher regional der Fall, z.b. in Dortmund, Aachen oder Süddeutschland.

Aus wem besteht so ein Netzwerk?

Wenn wir über subkulturellen Rechtsextremismus reden, also Leute, die an Parteipolitik kaum Interesse haben und trotzdem sehr rechts sind, gehören dazu zwei Standbeine: Musik und Hooliganismus. Und in den letzten Jahren ist noch der Kampfsport dazu gekommen. Das heißt nicht, dass der ganze Kampfsport rechts ist. Aber wenn man sich anschaut, woraus eine rechte Erlebniswelt besteht, wie Leute rekrutiert werden, wo sie ihre Gewalt ausleben, sich organisieren, kennenlernen und finanzieren, dann sind es Kampfsportevents, Hooligangruppen und Rechtsrock. Dieses Gewaltpotenzial aus der Hooliganszene ist auch für andere Spektren interessant. Natürlich für Neonazis und auch Rocker. Es ist kein Zufall, dass viele der führenden Rocker bundesweit eine Hooligan-Vergangenheit haben, auf die sie stolz zurückblicken. Sie sind zwar heute nicht mehr in einer Hooligan-Gruppe, aber verstehen sich als Hools. Und wo rekrutieren Rocker? Natürlich bei Leuten, die es in den Armen haben.

In Cottbus gibt es Inferno Cottbus, das Kickbox-Team und auch die extrem rechte Band Frontalkraft, die eine große Nähe zu Inferno und auf fast allen Geburtstagen der Gruppe gespielt hat. Inferno Cottbus , hat sich offiziell zwar aufgelöst, feiert im Januar 2019 aber sein 20-jähriges Jubiläum. Ich gehe davon aus, dass sie eine Party machen werden und Frontalkraft da auch wieder spielen wird. Aus diesem Netzwerk heraus gab es massiv rassistische Angriffe in der Stadt in den letzten Jahren.

Wie groß ist die Szene in Cottbus?

Konkrete Zahlen zu nennen, ist schwierig, weil es gerade auch an den Rändern ausfranst. Wenn ich mir das Netzwerk aus organisierten Neonazis, Hooligans, Kampf- und Kraftsportlern und Rockern anschaue, würde ich in Cottbus definitiv von einer mittleren dreistelligen Zahl reden. Das ist massiv für eine 100 000-Einwohner-Stadt. Und Cottbus ist mittlerweile auch ein Beispiel dafür, dass die Szene es geschafft hat, sich Strukturen aufzubauen, um sich aus sich selbst heraus zu finanzieren. Mit Rockermilieu, eigenen Läden, eigenen Kleidungslabels. Wo ein Teil der Szene auch in der Szene arbeitet und dort sein Geld verdient. Damit läuft derjenige auch keine Gefahr mehr, seinen normalen Job zu verlieren, wenn er als Hooligan oder Neonazi öffentlich bekannt wird. Man bleibt in der Szene und hat sich dadurch eine Etabliertheit und Sicherheit geschaffen. Das ist eines der großen Probleme in Cottbus. In Cottbus gibt es laut PNN mehr als 50 angemeldete Security-Unternehmen mit 2000 Angestellten und Honorarkräften. Das kann man getrost als Schlüsselindustrie bezeichnen. Gleichzeitig haben Vereine und andere Veranstalter in der Region das Problem, einen Ordnungsdienst zu finden, der clean ist. Nicht nur beim Fußball, sondern auch bei Konzerten und jeglichen anderen Veranstaltungen.

Was kann ein Verein wie Energie Cottbus dagegen tun?

Es ist ein Netzwerkthema. Ich finde es in dem Bereich immer falsch, nur auf einen Akteur zu zeigen. Die Gesellschaft und der Fußball bestehen aus Netzwerken. Im Fußball ist es natürlich der Verein, der hat die große Strahlkraft. Es ist aber auch die Zusammenarbeit mit dem Fanprojekt, mit der Fanszene wie Fanclubs oder dem Fanbeirat oder wie in Cottbus den Fansprechern. Es sind natürlich auch die Stadtverwaltung und Jugendarbeit und die Verbände wie der FLB, DFB, NOFV oder auch Landessportbund. Und natürlich auch die Zusammenarbeit mit der Polizei, die hat die Aufgabe der Strafverfolgung in dem Bereich. Eines ist aus meiner Sicht dabei ganz wichtig: Die Vereine brauchen eine langfristige Strategie. Sie brauchen nicht nur Einmal-Maßnahmen, es braucht nicht nur einen T-Shirt-Wettbewerb oder eine symbolische Stadiondurchsage. Vereine sollten sich eine Antwort auf die Frage überlegen, wo sie mit ihrer Fanszene in fünf, sieben oder zehn Jahren stehen wollen. Wir alle wissen, dass Prävention nicht in drei Wochen wirkt, sondern nur über Jahre. Ich finde es gut, dass der Verein das Thema jetzt angeht. Aber es ist auch nicht einfach, wenn man so ein etabliertes rechtes Netzwerk hat wie in Cottbus.

Wie könnte so eine Strategie aussehen?

Zu dieser langfristigen Strategie gehören aus meiner Sicht vier Handlungsfelder:

1. Fanarbeit. Was investiert der Verein in Prävention, in Gedenkstättenfahrten, in Abendveranstaltungen? Oder auch in einen Fanrat, wo man Leute vernetzt, sensibilisiert und solche Dinge mit ihnen diskutiert.

2. Öffentlichkeitsarbeit. Das sind Dinge, die die Öffentlichkeit erreichen: Zum Beispiel Postings in den sozialen Medien, Aktionsspieltage, Stellungnahmen auf Vorfälle. Ich habe den Punkt bewusst nicht an erster Stelle genannt, weil es manchmal im Fußball die Tendenz gibt, Fanarbeit und Öffentlichkeitsarbeit für dasselbe zu halten. Wenn man unter anderem einen Aktionsspieltag macht, erreicht man mehrere Tausend Zuschauer im Stadion. Es ersetzt aber keine qualitative Prävention wie Diskussionsabende oder Gedenkstättenfahrten.

3. Netzwerkarbeit. Im kommerzialisierten Fußball leben viele Vereine schon ein Stück weit in ihrer Profiblase. In der Stadt als lokale Szene sind sie wenig verankert. Unterstützen sie also Projekte gegen Rechts in der Stadt? Nehmen sie an Gedenkveranstaltungen teil? Sitzen sie am Runden Tisch gegen Rechts? Wie ist der Informationsaustausch mit den ganzen Akteuren in der Stadt? Da gibt es Aufholbedarf.

4. Interne Maßnahmen. Dieser Bereich kommt für mich oft viel zu kurz. Darunter fällt alles, womit man Vereinsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter schult und sensibilisiert, damit sie Rechtsextremismus und Diskriminierung erkennen und im Zweifelsfall gut reagieren. Sind zum Beispiel alle Mitarbeiter im Merchandise-Bereich oder Fanshop geschult, beziehungsweise haben wenigstens eine Liste zum Thema rechtsextreme Codes, damit eine Bestellung mit Deutschland und der Zahl 88 nicht gemacht wird. Oder der Name Böhnhardt mit der Nummer 10, die erstmal eine unverfängliche Nummer ist. Aber der NSU hatte zehn bislang bekannte Todesopfer. Die Fußballvereine müssen das auch nicht immer alles selbst lösen, aber wenn sie einen Verdacht haben, zumindest wissen, an wen sie sich wenden können. Es gibt Mobile Beratungsteams oder die Opferberatung deutschlandweit. Der Bereich interne Maßnahmen kommt oft zu kurz, weil man denkt, es sei nur ein Fanproblem. Aber es gibt überall Rechtsextremismus, auch in den Vereinen.

Wenn man in allen vier Handlungsfeldern etwas macht und das Thema wirklich ganzheitlich und langfristig bespielt, dann zeigt das auch Ergebnisse.

Langfristige Strategien umzusetzen stelle ich mir für einen Verein gerade in den unteren Ligen schwer vor, der vielleicht nicht so große finanzielle Möglichkeiten hat, der von Saison zu Saison ums Überleben kämpft und für den eher der kurzfristige sportliche Erfolg zählt.

Ich würde andersherum argumentieren. Es ist bekannt, dass einige ostdeutsche Vereine nicht den besten Ruf haben. Das ist nicht unbedingt anziehend für Sponsoren. Wenn ein Verein zu dem Thema nachhaltig arbeitet und dementsprechend einen gewissen Ruf, was die Fanszene anbelangt, los wird, dann wird sich das auch in Sponsorenaktivitäten auszahlen. Da bin ich mir ganz sicher. Vereine haben ganz oft Angst, dass ihnen Sponsoren abspringen, wenn sie das Thema thematisieren. Ich kenne aber tatsächlich viele gegenteilige Beispiele von Sponsoren, die es total begrüßen, wenn ein Verein eine klare Haltung hat zum Thema Menschenrechte und Demokratie.

Was würde passieren, wenn sich der Energie-Präsident Michael Wahlich ähnlich wie seine Amtskollegen bei Eintracht Frankfurt oder Werder Bremen hinstellt und sagt, dass AFD-Mitglieder keine Vereinsmitglieder werden dürfen?

Wahrscheinlich würde er einen Shitstorm ernten, genau wie andernorts. Ich weiß auch, dass die AFD in Cottbus in den letzten Umfragen im mittleren 30-Prozent-Bereich lag. Ich sage auch nicht, dass diese Auseinandersetzung einfach ist. Doch geht es auch gar nicht um eine Partei, sondern um das Engagement gegen Rechtsextremismus und menschenfeindliche Einstellungen. Das ist nicht immer störungsfrei. Das muss ich nicht verheimlichen. Aber es ist notwendig, denn die zentrale Frage lautet doch, wo will man langfristig stehen. Energie Cottbus weiß seit Mitte der 90er Jahre um das Thema, angegangen haben sie es aber erst 2016. Mittel- und langfristig wird sich das Engagement auszahlen, wenn es substanziell aufgebaut und durchgehalten wird. Und ich wünsche dem Club viel Erfolg sowie langen Atem auf dem weiteren Weg.

Sie haben in Ihrem aktuellen Buch „Hooligans“ geschrieben, dass der Stadionbesuch noch nie so sicher war wie heute. Wird das Thema insgesamt zu hoch gekocht?

Es wird vor allem undifferenziert behandelt und pauschalisiert. Es reicht eine einfache Google-Suche um zu schauen, wie oft die Floskel der „neuen Dimension der Gewalt“ verwendet wird. Das ist wissenschaftlich nicht belegbar. Es geben die Zahlen nicht her und es ist auch nicht genau definiert, was eine neue Dimension der Gewalt ist. Ich streite nicht ab, dass es Gewalt im Umfeld von Fußballspielen gibt. Aber wenn man es mit den 80er und 90er Jahren vergleicht, ist sie deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig sind die Fanmengen angewachsen. Ein Großteil der Stadionbesucher bekommt also relativ wenig davon mit. Es gibt natürlich immer Ausnahmen: Als RB Leipzig bei Borussia Dortmund spielte, war das für die Leipziger Fans nicht schön.

Aber vieles, was wir an Gewalt im Fußball sehen, findet oft nicht mehr im direkten Umfeld von Stadien statt, sondern auf den An- und Abreisewegen oder völlig ausgelagert auf diesen Hooligan-Matches auf einem Acker oder Parkplatz eines entlegenen Industriegebietes. Da muss man schon differenzieren. Trotz der Professionalisierung der Hooliganszene sind die meisten der dramatisierenden Bürgerkriegsszenarios, die oft um den Fußball gezeichnet werden, viel zu pauschalisiert und übertrieben. Viel gefährlicher ist die politische Dimension, wenn antirassistische Fangruppen angegriffen werden oder rechte Hooligans als militanter Teil extrem rechter Aufmärsche dienen – wie zuletzt in Chemnitz.

Mit Robert Claus sprach Sven Bock.

Robert Claus ist Fanforscher und Experte für Hooliganismus. Seit 2013 arbeitet er in der Kompetenzgruppe „Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit“. Er ist Autor des im Werkstatt-Verlag erschienenen Buches „Hooligans – Eine Welt zwischen Fußball, Gewalt und Politik“.

Aufrufe: 06.11.2018, 18:00 Uhr
Sven BockAutor