2024-05-14T11:23:26.213Z

Interview
„Potsdam ist auf Augenhöhe“: Wörle (hier mit Jill Roord) zum Pokal-Halbfinale am Sonntag im Grünwalder Stadion. Foto: imago
„Potsdam ist auf Augenhöhe“: Wörle (hier mit Jill Roord) zum Pokal-Halbfinale am Sonntag im Grünwalder Stadion. Foto: imago

Bayerns Wörle: "Erwarte einen engen Kampf bis zum Ende"

Damen-Coach schreibt Meisterschaft nicht ab

Ex-Profi und heutiger Bayern-Damen-Trainer Thomas Wörle redet im Interview über Uli Hoeneß’ Visionen, das Pokal-Halbfinale am Sonntag, das Bundesliga-Meisterrennen und die WM-Qualifikation.

Das Frauen-Team des FC Bayern hat zuletzt hohe Ergebnisse gefeiert. Aber am Sonntag steht mit dem Pokal-Halbfinale gegen Turbine Potsdam (15.15 Uhr im Grünwalder Stadion) der erste große Härtetest der entscheidenden Saisonphase an. Trainer Thomas Wörle analysiert die Situation seines Teams.

Herr Wörle, das letzte Spiel vor dem Pokalhalbfinale war ein 4:0 beim FC Sand, der ligaweit als beispiellos unangenehm gilt. War das die Reifeprüfung?

Wir haben seit der unnötigen Niederlage im zweiten Rückrundenspiel in Freiburg alles gewonnen, einige Spiele auch hoch, und jetzt bringt das Team immer mehr Selbstvertrauen auf den Platz. Es ist nie leicht, nach der Winterpause seinen Rhythmus zu finden. Den haben wir jetzt, deshalb war es schade, dass vor dem wichtigen Pokalspiel wieder eine Länderspielpause anstand, wo wir erneut 15 Spielerinnen auf Reisen haben.

In den vergangenen Spielen hat Ihr Team sehr viele Tore geschossen. Die Chancenverwertung war lange das große Manko Ihres Teams. Was ist passiert?

In der Vorrunde haben wir auch viele Chancen kreiert, manche genutzt, aber eben auch die eine oder andere liegen gelassen. Jetzt spielen wir uns tendenziell sogar noch mehr Torchancen heraus, die wir nun kaltschnäuziger nutzen. Wir können die Quote aber noch ausbauen. In der Mannschaft steckt viel Offensivgeist, den wollen wir forcieren, ohne aber gleichzeitig die nötige Absicherung und Balance in unserem Spiel zu verlieren. Bei all der Euphorie muss man aber fairerweise sagen: Die schweren Aufgaben kommen erst. Potsdam ist zum Beispiel auf Augenhöhe. Da werden wir sehen, ob unser Stil auch gegen große Gegner weiterhin so durchschlägt. Generell aber kann man sagen, dass wir an Effizienz zugelegt haben.

Ist die Meisterschaft denn noch immer drin?

Bei sechs Punkten Rückstand muss man realistisch sein. Wolfsburg gibt sich keine Blöße und profitiert von einem qualitativ herausragend besetzten, routinierten Kader. Sie bewegen sich seit Jahren auf einem internationalen Topniveau, spielen fast jedes Jahr um den Champions League Titel mit. Sie haben zwar noch ein hartes Restprogramm in drei Wettbewerben, aber Platz eins dürfte vergeben sein. Unser Ziel ist der zweite Platz. Wir kämpfen da mit Freiburg und Potsdam, da ist alles offen. Ich erwarte einen engen Kampf bis zum Ende, bis zum letzten Spieltag.

Wie stehen die Chancen beim Pokalspiel?

Das ist ein 50:50-Duell. Wir haben Heimvorteil, aber Potsdam hat erst vor zwei Wochen, am 16. Spieltag, erstmals ein Spiel verloren, unglücklich und knapp 0:1 gegen Wolfsburg. Davor hatten sie acht Mal in Serie gewonnen. Das ist ein gewachsenes, ebenfalls mit vielen Nationalspielerinnen besetztes Team. Aber nach 2012 wollen wir alles dransetzen, um es wieder ins Pokal-Finale zu schaffen. Wir hoffen auf viele Zuschauer, ich bin sicher, dass sich ein Besuch lohnt, weil beide Kontrahenten gut drauf sind.

In Laura Benkarth, Lina Magull und Kathy Hendrich kommen im Sommer drei gestandene deutsche Nationalspielerinnen. Wollen Sie die alte Vision von Uli Hoeneß vom „FC Bayern Deutschland“ umsetzen? Es schadet nicht, die bekannten Gesichter aus der DFB-Auswahl zu holen.

(lacht) Naja, das war ja auf die Männer gemünzt vor ein paar Jahren. Die Qualität sollte das entscheidende Kriterium sein, aber natürlich spielen auch Persönlichkeit und Identifikation mit unserem Verein eine wichtige Rolle. In den vergangenen Jahren hatten wir viele internationale Spielerinnen unter Vertrag, die uns bei der Entwicklung hin zu einer der besten Mannschaften Deutschlands unterstützt haben. Mittlerweile ist unsere FC Bayern Frauenfußball-Abteilung auch für deutsche A-Nationalspielerinnen interessant. Und naturgemäß ist die Chance größer, dass deutsche Spielerinnen hier Wurzeln schlagen und uns helfen, langfristig etwas aufzubauen. Man kann etwa bei einer US-Amerikanerin nicht davon ausgehen, dass sie fünf, sechs Jahre bleibt – außer man hat so einen Glücksfall wie Gina Lewandowski. Neuzugänge müssen sich mit dem Klub identifizieren. Lina Magull ist zum Beispiel von klein auf Bayern-Fan – was will man mehr, wenn dann noch die Qualität stimmt?

Es gab oft große Umbrüche im Team. Steht wieder einer an?

Nein. Das Gerüst steht. Wir werden punktuell einige Dinge machen. Laura Benkarth hat sich jetzt das Kreuzband gerissen, was uns sehr getroffen hat. Man sieht, wie schnell es geht. Wir müssen auf alles vorbereitet sein.

Wie sehen Sie die Entwicklung beim DFB?

Ich denke, dass Horst Hrubesch in der jetzigen Situation guttut, allein schon mit seiner ganzen Erfahrung und seiner Art. Ich habe ihn nach unserem Spiel gegen Hoffenheim kennengelernt, er ist eine Persönlichkeit. Er wird der Mannschaft die nötige Sicherheit geben. Das hat man ja sofort bei den hohen Siegen gegen Tschechien und Slowenien gesehen. Es ist einfach enorm wichtig für den deutschen Frauenfußball, dass sich unsere deutsche Auswahl für die WM im nächsten Jahr qualifiziert.

Interview: Andreas Werner

Aufrufe: 012.4.2018, 10:59 Uhr
Andreas WernerAutor