Dieses besondere Kribbeln vor einem solchen Highlight-Spiel – Capretti kennt es gut. „Wenn du auf den Platz gehst, schlottern dir die Knie“, erinnert er sich, „beim Anpfiff bist du dann aber hochkonzentriert und nach dem ersten Zweikampf denkst du nicht mehr daran, dass du gegen einen Bundesligisten spielst. Dann willst du nur gewinnen.“ Knapp mit 1:2 nach einer frühen 1:0-Führung durch Thomas Bertels (8.) verlor der SCV im August 2010 gegen die Münchener Löwen. Capretti hielt seinerzeit in der Viererkette die Verler Abwehr zusammen. „Auch in meinen Pokalspielen mit Münster und Delbrück war es immer total eng – mit Verlängerung und Elfmeterschießen“, sagt er, „umso schöner wäre es, wenn es diesmal mit einem Sieg klappen würde.“
Dass dies möglich ist – davon ist Rino Capretti überzeugt. „Es ist doch klar, dass die Rollen eindeutig verteilt sind, dass Augsburg besser besetzt ist als wir und wir für eine Überraschung einen absoluten Sahnetag brauchen“, so der SCV-Coach, „aber wir werden nicht schon vorher die weiße Fahne hissen. Natürlich treten wir an, um dieses kleine Wunder zu schaffen.“ Wie das gelingen soll? Etwa mit der gleichen Taktik wie in der Vorwoche in der Liga in Oberhausen (1:1), als die Verler aggressiv gegen den Ball gearbeitet haben, um dann ihr schnelles Umschaltspiel aufzuziehen? Oder soll es gegen den haushohen Favoriten eher defensiver zugehen? „Das sage ich vorher meinen Spielern und sonst niemand“, sagt Capretti grinsend. Nur so viel: „Mein Stil ist es, selbst Ballbesitz zu haben und selbst aktiv zu sein – auch gegen Augsburg.“
Überhaupt hält der Trainer nicht viel davon, alles anders zu machen, nur weil ein besonderes Spiel bevorsteht. „Die Trainingswoche ist wie immer gelaufen“, so Capretti. Der hat es darum auch abgelehnt, vor dem Spiel ein Sportschau-Kamerateam während der Ansprache in die Kabine zu lassen: „Das war für mich keine Frage. Die Kabine ist ein wichtiger Rückzugsort, der mir heilig ist. Auf die Jungs prasselt schon genug ein.“
Über den FC Augsburg spricht Rino Capretti indes voller Respekt. „Der FCA macht vieles richtig. Mit seinen Mitteln holt er das Maximale heraus. Im neunten Jahr in der Bundesliga zu spielen – das ist schon gut“, sagt er und verweist noch einmal auf die Auslosung, als er in der Sportschau ob des Gegners ein wenig enttäuscht wirkte: „Jeder träumt doch vom ganz großen Los. Meine Reaktion sollte nicht abfällig sein. Für uns ist das ein totales Highlight.“ Das hat übrigens auch der Augsburger Trainer Martin Schmidt so aufgefasst. „Was alles so gesagt wird, darauf gebe ich nichts. Jeder darf einen solchen Wunsch hegen und auch äußern“, sagt er , „wir wollen zeigen, dass wir ein Bundesligist sind und das Ticket für die 2. Runde lösen.“
Trotz des Dreiklassenunterschiedes warnt der Schweizer aber auch vor dem SC Verl: „Die Verler haben Paderborn und Bielefeld in Testspielen in Schwierigkeiten gebracht. Das sollte unsere Messlatte sein“, so Schmidt, „solch ein Gegner kann auch einen Bundesligisten, der das Spiel zu leicht nimmt, in die Bredouille bringen. Wir müssen den Fokus darauf legen, dass uns ein Kampfspiel erwartet.“
Das erwartet auch Rino Capretti. Ob es bei seinem fünften Anlauf im DFB-Pokal erstmals für die 2. Runde reicht, wird sich zeigen.