2024-05-10T08:19:16.237Z

Analyse
– Foto: Marcel Minar
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Der Teamgedanke als Faustpfand

Ein wirklich turbulentes Jahr liegt hinter dem FC An der Fahner Höhe. Die Elf von Tobias Busse konnte sich sportlich als Aufsteiger in der Oberliga etablieren und liegt absolut im Soll.

Auch coronabedingt war es ein wildes Jahr für viele Vereine - wie auch den Thüringer Oberliga-Neuling. Denn der FCAdFH sagte in einer Nacht & Nebelaktion ‚Ja‘ zur Oberliga und trotzte den widrigen Umständen. Gemeinsam mit Trainer Tobias Busse blicken wir auf die ersten zehn Oberliga-Partien des Vereins.

Mit 13 Punkten aus zehn Begegnungen und Rang Zehn liegt der FC An der Fahner Höhe absolut im Soll. „Vor der Saison hätte ich diese Ausbeute nach zehn Spielen direkt unterschrieben. Es war für uns ein unbekanntes Terrain und wir wussten überhaupt nicht wo wir stehen. Wir hatten keine klassische Aufstiegssaison, keine wirkliche Euphorie, die wir mitnehmen konnten. Zudem war es eine holprige Vorbereitung mit Zu- und Abgängen. Das hat sich teilweise noch in die Saison reingestreckt mit Marc Fleischhauer oder Ibrahim El Hajj, die ja erst später dazukamen“, analysiert der 39-jährige Cheftrainer die bisherige Spielzeit.

Doch mit dem Auftaktspiel gegen Eilenburg zeigte sich der FC An der Fahner Höhe oberliga-tauglich. Einzig das 0:4 gegen Grimma bezeichnet Busse im Rückblick als enttäuschend. Sonst zeigt sich der Coach mit der Leistung seiner Jungs zufrieden. „Wir haben nach der Vorbereitung im Ligabetrieb den Schalter umgelegt. Wir haben gezeigt, dass wir uns nicht verstecken müssen. Verloren haben wir nur gegen Mannschaften der Top5. Da war teilweise der Respekt noch zu groß. Im Gesamtpaket sind wir zufrieden“, blickt Busse auf die Ausbeute seiner Jungs.

Dabei durchzog er seiner Mannschaft eine Systemumstellung in der kurzen Vorbereitung. „Wir haben in der Thüringenliga mit Dreierkette und drei Stürmern gespielt. Da haben wir jede Partie mit Ballbesitz dominiert. Das war so in der Oberliga nicht umsetzbar. Aufgrund der Risiken wären wir mit dem System bestraft worden. Mit der Viererkette haben wir eine gute defensive Stabilität reinbekommen“, streicht Tobias Busse auch gleich das Herzstück des Fahner-Spiels heraus. Im Defensivbereich ist seine Elf stark besetzt, verfügt mit Machts, Lischke, Baumgarten, Möckel & Co. über jede Menge Qualität. Mit fünf Spielen ohne Gegentor spiegelt sich dies in den Ergebnissen wieder - in der verkürzten Aufstiegssaison gelang Fahner kein einziges Spiel ohne Gegentor. Doch in dieser Stärke verbirgt sich auch bei genauen Hinsehen eine Schwäche. „Luft nach oben haben wir sicher im Spiel nach vorne. Da fehlt uns ein stückweit auch die Qualität. So ehrlich müssen wir sein. Für ein Tor sind wir allerdings auch immer gut. Eine Stärke ist dabei die Gefahr bei Standards, sei es jetzt über Möcki, Machts oder Raffel“, blickt Busse auf die Offensivqualität.

Einen schweren Stand bescheinigt Busse dabei seinem Torjäger Carlo Preller: „In der Verbandsliga hat er viele Bälle bekommen. Nun bekommt er nicht so viele Chancen, muss zudem viel gegen den Ball arbeiten und weite Wege machen. Da fehlen vielleicht manchmal in den entscheidenen Szenen die Körner. Wir wissen aber was wir an Carlo haben. Er ist ein Aushängeschild und ein stückweit auch das Gesicht des Vereins. Selber ist er mit sich oft unzufrieden, aber er steckt nicht auf.“ Offensive Lichtblicke hat Busse, der weiß das es schwer wird qualitativ im Winter nachzulegen, mit Ibrahim El Hajj und Marvin Schindler. „Marvin hat sich gut entwickelt. In der Thüringenliga in Weimar ist ihn noch viel zugefallen. Nun muss er sich in die Oberliga reinarbeiten, was aber Step by Step immer besser gelang. Mit Ibrahim haben wir zudem einen Spieler mit viel Tempo dazugewonnen. Er war erst bei vier Partien dabei“, blickt Busse auf den Angriff. Neben Dreifach-Torschütze Schindler trafen nur Tobias Billeb (2), Daniel Winge, Artur Machts und Carlo Preller (je einmal) in dieser Spielzeit. Hier ist noch Luft nach oben.

Mit Jonas Wiesner hat sich ein junger Spieler hingegen in die Oberliga reingebissen. „Er ist sehr talentiert und bekommt von uns die Zeit, die er braucht. Doch er hat schon gute Leistungen gezeigt“, so das Zeugnis von Busse zum 21-Jährigen, der vom FC Eisenach kam. Die Erfahrung sieht der Coach wie angedeutet im Defensivbereich. Und hier lag auch der Grundstock für die 13 Ligapunkte. „Wir haben mit dem Zorbau-Spiel dann ein wenig das System wieder umgestellt und mit drei Offensiven gespielt. Wir müssen uns vorn mehr zeigen, denn auch in der Oberliga sind die Verteidiger nicht unbezwingbar. Mit Glaube und Mut hat man immer Chancen“, spricht Busse über die Weiterentwicklung, die er anstrebt. Mit der erarbeiteten Stabilität, geht es nun für Fahner Höhe darum spielerisch die gegnerische Abwehrreihe zu knacken.

Für Busse ist dabei der Zusammenhalt elementar, um weiter zu punkten. „Es war der richtige Schritt in die Oberliga zu gehen. Soviel kann man jetzt schon sagen. Wir haben das super genutzt, was das sportliche angeht. Die Euphorie müssen wir jetzt weiter entfachen“, so der 39-Jährige. Doch dies ist in Zeiten von Trainingsverbot und einer ungewissen Rückkehr auf den Platz selbst für einen Optimisten, wie Tobias Busse es ist, sehr schwer. „Auch ich weiß nicht, wie es weitergeht, obwohl ich sonst immer sehr positiv bin. Natürlich wünsche ich mir, dass wir ab dem 10. Januar wieder trainieren dürfen. Alleine der Glaube fehlt. Ich kann die Linie der Politik in vielen Sachen verstehen, aber teilweise schieben wir die Sachen vor uns her. Im November hieß es, wir sollen die Arschbacken zusammenkneifen, damit wir im Dezember wieder Normalität haben. Jetzt wurden die Maßnahmen bis Januar verlängert. Wenn es so weiter geht, dürfen wir ab Ostern wohl wieder spielen. Denn bevor wir auf die Plätze zurückkehren, sollten wohl wichtigere Sachen wie Restaurants wieder aufmachen“, beschreibt der Fahner-Coach die aktuelle Ungewissheit.

Geisterspiele sieht er mit Blick auf den Re-Start als keine Möglichkeit in der Oberliga. „Wir können nicht einfach mal zehn Partien ohne Zuschauer machen. Da fallen uns zu viele Einnahmen weg. Zudem brauchen wir die Fans auch für unser Spiel“, sagt er weiter. Der Mitarbeiter der TU Ilmenau macht sich über seinen Verein hinaus Gedanken, welche Konsequenzen die lange Pause für den Breitensport im Allgemeinen hat: „Alle Vereine, die ehrenamtlich arbeiten und viel für den Nachwuchs tun, sehe ich vor Probleme. Sie verlieren Leute, die in der aktuellen Zeit merken, dass es auch ohne den Sport geht. Natürlich ist der Sport nicht das Wichtigste, aber für viele ein wichtiger Ausgleich neben Familie und Arbeit. Über digitale Wege kann man dies schlecht kompensieren. Man muss sich sehen, gemeinsam Sport treiben und Emotionen teilen. Ich bin kein Schwarzmaler, aber es wird schwer das wieder aufzuholen“, so Busse, der dabei besonders Rolf „Conny“ Cramer vor Augen hat: „Er hat den Verein in den letzten Jahren geprägt und es tut mir weh, wenn ich ihn jetzt über ein Zoom-Meeting sehe und erkenne, dass er aktuell seinen Verein nicht auf den Rasen sehen kann.“

Wie es nun weitergeht, kann aktuell keiner sagen. Wenn es nach Busse geht sollte der Zeitraum ohne Training überschaubar bleiben. „Wenn es am Ende ein Vierteljahr ohne Fußball wird, können wir auch nicht mal eben innerhalb von zehn Tagen auf den Platz zurückkehren. Das muss sich dann erst alles wieder finden. Der Teamgedanke ist unser Faustpfand und der leidet in einer solchen Zeit enorm“, so Busse weiter. Er selber halte nichts von PlayOff, die in seinen Augen in Amerika gewohnt sind, in Deutschland aber im Ligasystem nicht gelebt werden. „In einem solchen System kann man mit ein, zwei schlechten Spielen dann einfach Pech haben. Ich bin auch nicht dafür nur die Hinrunde zu spielen. Ich war auch im Frühjahr nicht begeistert, dass wir nach 16 Spieltagen aufsteigen konnten. Eine Saison ist ein langer Prozess und eine ständige Entwicklung. Am 30. Spieltag ist eine Mannschaft besser als am 5. Spieltag. Diesen Prozess lebe ich mit meinen Jungs und wir brauchen die Spiele. Am Ende wollen wir alle Fußball spielen - so oft wie möglich. Ich nehme es wie es kommt - egal welcher Modus. Ich bin überzeugt, dass wir am Ende erfolgreich sein werden. Ich beschäftige mich nicht mit dem Abstieg, sondern wie wir erfolgreich Fußball spielen können. Das Verlangen und die Lust mit den Jungs zu arbeiten, sind meine Motivation“, zeigt sich Busse zum Abschluss trotz aller Widrigkeiten als jener Optimist, der den FC An der Fahner Höhe sportlich den größten Erfolg der Vereinsgeschichte bescherte. Und hier will er gemeinsam mit seinen Spielern ein weiteres Kapitel mit dem zweiten Oberliga-Jahr hinzufügen…

Aufrufe: 010.12.2020, 18:00 Uhr
André HofmannAutor