2024-04-25T14:35:39.956Z

Ligabericht
Als Spielgemeinschaft erreichten Bischofsreut und Altreichenau mit dem Kreisligaaufstieg 2017 den jeweils größten Vereinserfolg. F: Seibold
Als Spielgemeinschaft erreichten Bischofsreut und Altreichenau mit dem Kreisligaaufstieg 2017 den jeweils größten Vereinserfolg. F: Seibold

Spielgemeinschaften und die Frage nach deren Sinnhaftigkeit

Der demographische Wandel und seine Folgen: Immer mehr Vereine schließen sich im Rahmen einer Spielgemeinschaft zusammen. Doch: Ist eine derartige Fusion das Allheilmittel?

Der oft zitierte "demographische Wandel" ist inzwischen zu einem Unwort verkommen, das für allerhand negative Entwicklungen herhalten muss. Die Folgen der immer älter werdenden Gesellschaft sind jedoch nicht zu verleugnen - und treffen insbesondere den Amateurfußball hart. Die Vereine haben verstärkt mit Personalmangel zu kämpfen. Und ein Blick in den Jugendbereich verrät, dass sich dieses Problem in naher Zukunft noch weiter verstärken wird. Der Ausweg aus dieser Misere für viele gebeutelte Teams ist oftmals die Gründung einer Spielgemeinschaft - über 25 dieser Zusammenschlüsse gibt es im aufstiegsberechtigten Fußball im Kreis Ost bereits. Tendenz steigend.

"In den vergangenen Jahren konnten wir feststellen, dass sich die Anzahl der SGs jährlich geringfügig erhöht hat. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend so fortsetzen wird. Eine seriöse Aussage über die tatsächliche Entwicklung ist allerdings nur schwer zu treffen", erklärt Kreisspielleiter Wolfgang Heyne dazu. Doch sind diese Fusionierungen das Allheilmittel? Ist es tatsächlich die Ideallösung, wenn einstige Rivalen plötzlich eine Einheit sein sollen? Wäre es nicht sinnvoller, neue Vereine zu gründen, um etwaiges Kirchturmdenken bei Zusammenschlüssen von vornherein zu vermeiden? FuPa hat sich umgehört...


»Die Spielgemeinschaft war die richtige Entscheidung«

Zunächst ein Blick an die deutsch-tschechische Grenze - zur SG Haidmühle/Philippsreut. Bereits vor mehr als 13 Jahren haben sich der SV Philippsreut und der SC Haidmühle zusammengeschlossen. "Wir waren die erste SG im Bayerwald", stellt SC-Vorstand Stefan Strixner nicht ohne Stolz fest. Aus den beiden einstigen Punktelieferanten, die mit einer sehr dünnen Personaldecke zu kämpfen hatten, ist inzwischen eine solide A-Klassen-Mannschaft geworden.

Doch nicht nur der Erfolg bestätigt die Verantwortlichen, richtig gehandelt zu haben. "Nach anfänglichen Schwierigkeiten haben sich die Spieler inzwischen zusammengefunden und sind ein Haufen", berichtet Strixner und schiebt hinterher: "Die Spielgemeinschaft war eine richtige und wichtige Entscheidung." Deshalb wird dieser Zusammenschluss auch weiter Bestand haben, eine Trennung ist nicht angedacht, wie der SC-Vorstand betont.


»Einen neuen Verein zu gründen war die richtige Entscheidung«

Die Sportvereine aus der Nachbargemeinde, genauer gesagt der SV Neureichenau und der SSV Lackenhäuser, hatten ebenso nur noch wenige Spieler in ihren Reihen - die Lage war noch nicht akut, jedoch wollte man die Weichen für die Zukunft frühzeitig stellen. Die Verantwortlichen beider Verein entschlossen sich jedoch, mit dem FC Dreisessel im Jahr 2010 gleich einen neuen Verein zu gründen, um etwaigen Problemen von vornherein aus dem Weg zu gehen.

"Neureichenau und Lackenhäuser haben ihre Fußball-Sparten ausgegliedert und im Rahmen des FC Dreisessel zusammengeführt. So bleiben beide Vereine bestehen, Lagerdenken wurde aber sogleich vermieden", berichtet FCD-Abteilungsleiter Mario Wimmer, der damals zwar noch nicht verantwortlich war, die Entscheidung seiner Vorgänger jedoch vollumfänglich mitträgt. Auch Altreichenau, das ebenfalls zur Gemeinde zählt und inzwischen mit Bischofsreut zusammenarbeitet, wollte man in den FC Dreisessel mitaufnehmen - "d'Oidhiddn" entschied sich jedoch anders.


»Ergibt sich etwas, kann man sich wieder trennen«

Nach Jahren in der Kreisklasse sind die Dreisessel-Kicker inzwischen wieder in der Kreisliga Passau angekommen - auch wenn es dort nun gegen den Abstieg geht. Im Kreis Ost ist Dreisessel aber nicht die einzige Fusion, die dem Kreisoberhaus angehört. Die SG Teisnach/Gotteszell spielt in der Kreisliga Straubing, kämpft dort ebenso gegen den Klassenerhalt. Doch das Bündnis aus dem Landkreis Regen ist somit die höchstklassige SG im neugegründeten Fußballkreis.

"Die Konstellation ist top. Wir haben eine gute Entscheidung getroffen", betont SG-Fußballchef Herbert Bergbauer. Für beide Orte, die lediglich wenige Kilometer auseinander liegen, war es schwierig, ohne auswertige Spieler zu bestehen, weshalb sich Teisnach und Gotteszell 2016 zusammengetan haben. "Klar ist es besser, selbstständig zu sein. Doch wäre in naher Zukunft nicht mehr möglich gewesen. Wir mussten handeln - und taten es."


»Momentan ist eine SG für uns nicht mehr vorstellbar«

Der mögliche Erfolg, immerhin kehrte Teisnach im Rahmen der SG in die Kreisliga zurück, sei nicht der ausschlaggebende Punkt für die Fusion, wie Bergbauer betont - sondern vielmehr die Perspektive für die jungen Kicker, auch in Zukunft in der Heimat Fußball spielen zu können. "An die Gründung eines neuen Vereins haben wir nicht gedacht", erzählt der Funktionär angesprochen auf den FC Dreisessel. "Eine SG ist die bessere Variante. Ergibt es sich für einen der beiden Vereine, wieder selbstständig zu werden, kann man sich wieder trennen - natürlich muss man das jedoch frühzeitig ansprechen."

Apropos Scheidung. Eine solche haben Nammering und Fürstenstein, die 13/14 und 14/15 gemeinsam antraten, hinter sich gebracht. Die Auflösung dieser Spielgemeinschaft produzierte einst negative Schlagzeilen. Der damalige Konflikt ist jedoch längst ausgeräumt, wie beide Seiten betonen. "Momentan ist eine Spielgemeinschaft für uns nicht mehr vorstellbar - aktuell haben wir 30 Mann. Jedoch weiß man nicht, was die Zukunft bringt", gibt Elmar Hofbauer vom SV Fürstenstein zu Protokoll.


»Im zweiten Anlauf klappt es nun hervorragend«

In zweiter Ehe glücklich ist inzwischen wieder der TSV Nammering, der sich mit Gemeindekollege Oberpolling II zusammengeschlossen hat. "Im Gegensatz zu Fürstenstein damals klappt das nun jetzt hervorragend", stellt Nammerings Vereinsvorsitzender Philipp Schiffl gegenüber FuPa fest. "Wir haben bereits im Jugendbereich zusammengearbeitet - und dieses gutes Verhältnis wirkt sich jetzt auch auf den Seniorenbereich aus."

Die Gefahr, vom erfolgreicheren SV Oberpolling, der aktuell zur Tür zur Bezirksliga klopft, geschluckt zu werden, bestünde laut Schiffl nicht: "Die Kader aller drei Mannschaften werden als Einheit gesehen. Wir trainieren gemeinsam und fahren miteinander ins Trainingslager. Deshalb habe ich keine Angst, dass wir vielleicht übergangen werden." Ähnlich dem Dreisessel-Projekt gäbe es auch im Dreiburgenland Gedankenspiele, einen gemeinsamen, neuen Verein zu gründen. "Das ist jedoch mit einiges an Bürokratie verbunden und schwierig umzusetzen", macht Philipp Schiffl deutlich.


»Die letzte Option, um den Spielbetrieb sicherzustellen«

Haidmühle und Philippsreut, der FC Dreisessel und die SG Teisnach/Gotteszell sowie Fürstenstein und Nammering bzw. Oberpolling - verschiedene Varianten, ein Problem: Der zunehmende Personalmangel. Welcher Lösungsansatz dieses Missstandes der beste ist, muss wohl jeder Verein für sich selber entscheiden. Doch egal, welchen Weg die Funktionäre gehen, die Unterstützung seitens des Verbandes ist garantiert, wie Spielleiter Heyne betont:

"Ich finde es gut, dass die Regularien zur Bildung von Spielgemeinschaften geschaffen wurden. Dort, wo es erforderlich ist, weil ein oder mehrere Vereine keine eigenständige Mannschaft mehr stellen können, gibt man den Vereinen die Möglichkeit, weiterhin Fußball zu spielen. Gerade bei den Vereinen in den ländlichen Regionen ist es immer öfter die letzte Option, um künftig den Spielbetrieb sicherzustellen. Für die Vereine heißt es dann, einen gemeinsamen Weg zu finden, wobei wir gerne behilflich sind."

Aufrufe: 024.2.2019, 08:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor