2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Sensation verpasst: 1980 unterlag der BSC im DFB-Pokal mit 1:3 bei Schalke 04. Uli van den Berg (links) und Walter Schulze rahmen Schalkes Rolf Rüssmann ein. ARCHIV FOTO: FRIESE
Sensation verpasst: 1980 unterlag der BSC im DFB-Pokal mit 1:3 bei Schalke 04. Uli van den Berg (links) und Walter Schulze rahmen Schalkes Rolf Rüssmann ein. ARCHIV FOTO: FRIESE

Wie geht Sensation?

Der BSC will Han­no­ver 96 aus dem Po­kal wer­fen: Ein Sport­psy­cho­lo­ge sagt, wa­rum Fa­vor­iten im­mer wie­der schei­tern

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Ep­pin­gen 1974, Ves­ten­bergs­greuth 1994, Lot­te 2016 – es pas­siert im­mer wie­der. Po­kal-Sen­sa­tio­nen. Der Klei­ne schmeißt den Gro­ßen raus, Ama­teur­fuß­bal­ler wer­den zu Stars für ei­nen Nach­mit­tag. Auch der Bon­ner SC träumt da­von, Han­no­ver 96 zu schla­gen. Am Sonn­tag emp­fängt der Re­gio­nal­li­gist den Bun­des­li­gis­ten in der er­sten Run­de des DFB-Po­kals (15.30 Uhr, Sport­park Nord). Aber was pas­siert ei­gent­lich, wenn sich der Fuß­ball al­len Prog­no­sen wi­der­setzt? Wie geht Sen­sa­ti­on? Gert auf der Hei­de sprach mit dem Sport­psy­cho­lo­gen Fa­bi­an Pels da­rü­ber.

Herr Pels, wie schafft es ein Erst­li­gist, ge­gen ei­nen Viert- oder so­gar Fünft­li­gis­ten aus­zu­schei­den?

Fa­bi­an Pels: Da kön­nen vie­le Fak­to­ren ei­ne Rol­le spie­len. Der Zu­fall, weil das ent­schei­den­de Tor durch ei­nen Platz­feh­ler fällt. Der Druck, weil je­der das Wei­ter­kom­men er­war­tet und der Fa­vo­rit zum Sie­gen ver­dammt ist. Ei­ne Mann­schaft kann zu we­nig Span­nung auf­bau­en – oder zu viel.

Was kann der Fa­vo­rit da­ge­gen tun?

Pels: Er soll­te sich hö­he­re Zie­le set­zen, sich al­so nicht mit dem Mi­ni­mal­ziel zu­frie­den­ge­ben. Es macht Sinn, ein 3:0 an­zu­stre­ben und nicht nur ein 1:0. Wir un­ter­schei­den da zwi­schen Mi­ni­mal-, Nor­mal- und Ma­xi­mal­ziel. Der Trai­ner könn­te auch vor­ge­ben, be­stimm­te tak­ti­sche Din­ge aus­zu­pro­bie­ren: über die Flü­gel an­grei­fen, mög­lichst di­rekt spie­len, den Geg­ner schon an des­sen Straf­raum at­ta­ckie­ren. Das Mi­ni­mal­ziel soll­te je­den­falls aus­ge­blen­det wer­den.

So ein­fach ist das?

Pels: Ei­gent­lich ja. Aber wenn der Fa­vo­rit un­er­war­tet 0:2 hin­ten liegt, kommt die Angst zu ver­sa­gen, und un­ter Angst spielt man ge­hemmt. Da­bei bräuch­te der Bun­des­li­gist ei­gent­lich kei­ne Angst zu ha­ben. Er ist ja viel bes­ser.

Und was kann der Au­ßen­sei­ter tun, um ei­ne Sen­sa­ti­on zu schaf­fen?

Pels: Er soll­te ei­ne Vor­stel­lung da­von ent­wi­ckeln, wie es klap­pen könn­te. Sich fra­gen, wie wür­de sich ein Sieg an­füh­len? Wenn man sich au­ßer­dem Etap­pen­zie­le setzt – et­wa 20 Mi­nu­ten oh­ne Ge­gen­tor zu blei­ben – und die er­reicht, gibt das Si­cher­heit.

Kann man sich das so vor­stel­len wie bei ei­nem Rod­ler, der vor dem Ren­nen im Geis­te die Stre­cke ab­fährt?

Pels: Be­dingt. Beim Ro­deln ist die Stre­cke vor­ge­ge­ben, der Ver­lauf ei­nes Fuß­ball­spiels ist prin­zi­pi­ell of­fen. Doch es stimmt schon, man kann den Er­folg in ge­wis­ser Wei­se vor­weg­neh­men.

Sen­sa­tio­nen ha­ben ja ei­ne ge­wis­se Re­gel­mä­ßig­keit, ei­gent­lich pas­sie­ren sie im Po­kal je­des Jahr. Darf man des­halb über­haupt noch von Sen­sa­tio­nen spre­chen?

Pels: Ja, weil die al­ler­meis­ten Spie­le wie er­war­tet aus­ge­hen. Im Ge­gen­satz zu den Sen­sa­tio­nen blei­ben sie je­doch nicht im Kopf.

Zur Per­son

Fa­bi­an Pels ist wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Psy­cho­lo­gi­schen In­sti­tut der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln. Er be­rät zu­dem Ein­zel­sport­ler und Sport­mann­schaf­ten.

Die größ­ten Po­kal-Sen­sa­tio­nen


26. Ok­to­ber 1974: VfB Ep­pin­gen - Ham­bur­ger SV 2:1: Die Mut­ter al­ler Po­kal­sen­sa­tio­nen – zu­min­dest im kol­lek­ti­ven Fuß­ball­ge­dächt­nis. Der HSV kam als Ta­bel­len­füh­rer mit Stars wie Ru­di Kar­gus und Man­ni Kaltz. Ep­pin­gen war dritt­klas­sig und spielt heu­te in der sech­stklas­si­gen Ver­bands­li­ga.

14. Au­gust 1994: TSV Ves­ten­bergs­greuth - Bay­ern Mün­chen 1:0: Es war das er­ste Spiel für Trai­ner Gio­van­ni Tra­pat­to­ni – und gleich war Fla­sche leer.

28. Ok­to­ber 1997: Ein­tracht Trier - Bo­rus­sia Dort­mund 2:1: Der Dritt­li­gist be­zwang den am­tie­ren­den Cham­pi­ons-Lea­gue-Sie­ger. Und nicht nur das. In der Run­de zu­vor hat­te Trier den BVB-Ri­va­len Schal­ke raus­ge­wor­fen.

26. Au­gust 2000: VfB Stutt­gart II - Ein­tracht Frank­furt 6:1: Der höch­ste Po­kal­sieg ei­nes Dritt­li­gis­ten ge­gen ei­nen Bun­des­li­gis­ten.

26. Au­gust 2001: SSV Ulm - 1. FC Nürn­berg 2:1: Ge­gen ei­nen Dritt- oder Viert­li­gis­ten schei­den Bun­des­li­gis­ten schon mal aus, aber die Nürn­ber­ger schei­ter­ten an die­sem Tag an ei­nem Fünft­li­gis­ten.

18. Au­gust 2012: Ber­li­ner AK - 1899 Hof­fen­heim 4:0: 0:4 bei ei­nem Viert­li­gis­ten – kein gu­ter Sai­son­start für Hof­fen­heims Trai­ner Mar­kus Bab­bel. Vier Mo­na­te spä­ter wur­de er ge­feu­ert.

25. Ok­to­ber 2016: Sport­freun­de Lot­te - Bay­er Le­ver­ku­sen 4:3 i.E.: Le­ver­ku­sen spiel­te ab der 78. Mi­nu­te in Über­zahl, führ­te zwei­mal – und muss­te den­noch ins Elf­me­ter­schie­ßen. Und da war der Dritt­li­ga-Auf­stei­ger ner­ven­stär­ker.


Aufrufe: 08.8.2017, 12:00 Uhr
General-Anzeiger / Gert auf der HeideAutor