2024-05-02T16:12:49.858Z

Pokal
Kopf an Kopf: BSC-Verteidiger Nico Perrey und Hannovers Salif Sané im Luftduell. FOTOS: BORIS HEMPEL
Kopf an Kopf: BSC-Verteidiger Nico Perrey und Hannovers Salif Sané im Luftduell. FOTOS: BORIS HEMPEL

Klar verloren - trotzdem Pokalhelden

BSC un­ter­liegt Han­no­ver mit 2:6, hält aber bis in die Nach­spiel­zeit mit und be­geis­tert 9650 Zu­schau­er im Sport­park Nord. Lars Lo­kotsch bringt die Fans in Wal­lung. Po­li­zei hat nicht viel zu tun

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Seit der Aus­lo­sung am 11. Ju­ni durf­te ge­träumt wer­den beim Bon­ner SC. Wie es wä­re, Han­no­ver 96 zu schla­gen. Von links und rechts auf die Schul­ter ge­klopft zu wer­den. In der Sport­schau und im „ki­cker“ un­ter „Po­kal­sen­sa­ti­on“ auf­zu­tau­chen. Ein­mal die Fuß­ball­ge­set­ze au­ßer Kraft zu set­zen und ei­ne Mann­schaft zu schla­gen, die drei Li­gen hö­her spielt. Jetzt ist der Traum vor­bei, und am En­de wur­de der BSC ziem­lich barsch wach­ge­rüt­telt. Ob­wohl die Mann­schaft mit 2:6 (1:1) ver­lor, hielt sie lan­ge mit und kas­sier­te erst in der Nach­spiel­zeit die drei ent­schei­den­den Ge­gen­to­re.

Die Spie­ler schli­chen an­schlie­ßend Rich­tung Ka­bi­ne. Nie­der­ge­schla­gen und aus­ge­pumpt. Trai­ner Da­ni­el Zill­ken hin­ge­gen mar­schier­te schon ei­ne hal­be Stun­de spä­ter ei­ni­ger­ma­ßen auf­ge­räumt in die Pres­se­kon­fe­renz. Arm in Arm mit sei­nem Kol­le­gen And­ré Brei­ten­rei­ter, fei­xend, eher stolz als de­pri­miert. „Die Mann­schaft hat ei­nen gro­ßen Fight ab­ge­lie­fert und den Zu­schau­ern ei­ni­ges ge­bo­ten“, sag­te Zill­ken. „Man sah halt den Un­ter­schied, auch in der Ro­bus­theit. Ein Stoß hier, ein Stoß da – das ken­nen mei­ne Jungs nicht.“

Im­mer­hin durf­ten die 9650 Zu­schau­er im aus­ver­kauf­ten Sport­park Nord kurz kos­ten, wie ei­ne Po­kal­sen­sa­ti­on schmeckt. Als Voj­no Je­sic bei ei­nem der er­sten ge­fähr­li­chen Kon­ter auf Lars Lo­kotsch durch­steck­te und der 21-jäh­ri­ge Stür­mer, der ver­gan­ge­ne Sai­son noch beim Lan­des­li­gis­ten TuS Ober­pleis ge­spielt hat­te, zum 1:0 (19.) ein­schloss, ex­plo­dier­te das Sta­di­on. 40 Jah­re Sehn­sucht nach gro­ßem Fuß­ball schie­nen in die­ser Se­kun­de ge­stillt. Auch be­schwingt vom vor­an­ge­gan­ge­nen Früh­schop­pen, wähn­ten sich Tau­sen­de schon auf dem Weg zum Po­kal­fi­na­le: „Ber­lin, Ber­lin, wir fah­ren nach Ber­lin.“

Doch das Stopp-Schild kam schnell. Noch ehe der Bun­des­li­gist an sich zwei­feln oder so­gar ver­zwei­feln konn­te, fiel der Aus­gleich. BSC-Ver­tei­di­ger Ugur Dün­dar hät­te ihn ver­hin­dern kön­nen, doch am Ran­de des ei­ge­nen Fünf­me­ter­raums ging er nicht en­er­gisch ge­nug in den Zwei­kampf mit Fe­lix Klaus – Pass nach in­nen, Schuss von Nic­las Füll­krug ins lee­re Tor, 1:1 (34.). Die De­zi­bel­stär­ke im Sta­di­on sank au­gen­bli­cklich von Über­schall­jet auf Se­gel­flie­ger.

Den­noch, ei­ne sol­che Fuß­ball- At­mo­sphä­re hat­te Bonn lan­ge nicht er­lebt. Erst­mals über­haupt hat­ten die BSC-Fans so et­was wie ei­ne Cho­reo­gra­phie auf die Bei­ne ge­stellt. Als die Mann­schaf­ten ein­lie­fen, wur­den auf der Haupt­tri­bü­ne Hun­der­te blau-ro­te Fähn­chen ge­schwenkt, auf der Ge­gen­ge­ra­den wa­ren es blaue und ro­te Luft­bal­lons. Ein biss­chen Süd­ame­ri­ka im Rhein­land.

Um im Bild zu blei­ben: Der BSC prak­ti­zier­te an die­sem Tag die chi­le­ni­sche Art, Fuß­ball zu spie­len. Warf sich lei­den­schaft­lich in je­den Ball, mach­te Ki­lo­me­ter, als gä­be es Geld da­für, ging Han­no­ver auf die Ner­ven. Aber na­tür­lich be­stimm­te der Fa­vo­rit das Spiel.

Der Bun­des­li­gist mach­te nicht den Feh­ler, den Re­gio­nal­li­gis­ten zu un­ter­schät­zen, wie das so vie­le Fa­vor­iten tun. Nach ei­ner of­fen­bar er­hol­sa­men Nacht im Ka­me­ha prä­sen­tier­te sich das Te­am oh­ne auch nur ei­nen An­flug von Schläf­rig­keit. „Wir wa­ren sehr fo­kus­siert“, lob­te 96-Sport­di­rek­tor Horst Heldt. „Al­ler­dings hat man auch dem BSC an­ge­merkt, dass er wei­ter­kom­men woll­te.“

Han­no­ver drück­te ei­gent­lich in je­der Pha­se des Spiels. Häu­fig lag ein Ge­gen­tor in der Luft, der Ball aber eben nicht im Netz. So brach­te Je­sic die Tri­bü­ne noch ein­mal in Wal­lung, als sein Dis­tanz­schuss nach ei­nem So­lo knapp übers Tor strich (54.). Mit dem 1:2 durch Mar­tin Har­nik (60.) war die Ent­schei­dung je­doch vor­be­rei­tet, mit dem 1:3 durch Füll­krug (74.) war sie prak­tisch ge­fal­len, ob­wohl Ni­co Per­rey mit ei­nem Tor des Mo­nats noch ein­mal die Hoff­nung auf ein sen­sa­tio­nel­les Co­me­back schür­te. Ei­ne Flan­ke des ein­ge­wech­sel­ten Alek­san­dar Pran­jes lenk­te der Ver­tei­di­ger mit der Ha­cke ar­tis­tisch zum 2:3 ins Netz (83.). An der Sei­ten­li­nie sprang And­ré Brei­ten­rei­ter von sei­nem Sitz auf. „In so ei­ner Si­tua­ti­on musst du wach­sam sein“, sag­te Han­no­vers Trai­ner nach­her. „Auch ein Re­gio­nal­li­gist ist ja heut­zu­ta­ge in ei­nem top Fit­ness­zu­stand. Aber mei­ne Jungs ha­ben nicht die Ner­ven ver­lo­ren.“

Sie­ben Mi­nu­ten blie­ben noch. Plus Nach­spiel­zeit. Spie­ler und Fans ga­ben noch ein­mal al­les, aber der BSC kam nicht mehr ge­fähr­lich vor das Gäs­te­tor. Im Ge­gen­teil, Han­no­ver blieb cool und schraub­te das Er­geb­nis in der Nach­spiel­zeit durch Ke­nan Ka­ra­man, Se­bas­ti­an Mai­er und Mar­tin Har­nik in un­ver­hält­nis­mä­ßi­ge Hö­he.

„Min­des­tens zwei To­re zu hoch“, mein­te Zill­ken und traf da­mit die Stim­mung im Sta­di­on. Nach ei­ner kur­zen Pha­se der Ver­blüf­fung an­ge­sichts der drei spä­ten To­re fei­er­ten die Zu­schau­er den BSC wie ei­nen Sie­ger. Po­kal­hel­den – trotz ei­ner 2:6-Nie­der­la­ge.

Bon­ner SC: Mo­nath - Dün­dar, Spin­rath, Per­rey, Omer­ba­sic (82. So­biech) - Schu­ma­cher, Fil­lin­ger - So­mu­ah (59. Hirsch), Je­sic - Lo­kotsch (72. Pran­jes), Kai­ser.

Han­no­ver 96: Tschau­ner - Korb, Sa­lif Sa­ne, Fe­li­pe, Os­trzo­lek (62. Ka­ra­man) - An­ton, Schweg­ler (80. Ba­ka­lorz) - Klaus, Prib - Har­nik, Füll­krug (76. Mai­er).

Schieds­rich­ter: Da­ni­el Schla­ger (Rast­att). To­re: 1:0 Lo­kotsch (20.), 1:1 Füll­krug (34.), 1:2 Har­nik (60.), 1:3 Füll­krug (74.), 2:3 Per­rey (83.), 2:4 Ka­ra­man (90.), 2:5 Mai­er (90.+2), 2:6 Har­nik (90.+3). Zu­schau­er: 9650 (aus­ver­kauft).

ES MEIN­TEN . . .


Tho­mas Schmitz (BSC-Sport­di­rek­tor): Das war ein tol­ler Tag und ein tol­les Er­leb­nis für uns. Trotz­dem sind wir we­gen der Nie­der­la­ge und des Spiel­ver­laufs et­was ent­täuscht. Denn da wä­re mehr drin­ge­we­sen. Aber un­term Strich geht der Sieg von Han­no­ver in Ord­nung.

Ale­xan­der Mo­nath (BSC-Tor­hü­ter): Wir ha­ben rich­tig gut an­ge­fan­gen. Nach dem Tor dach­ten wir wahr­schein­lich, dass wir was zu ver­lie­ren ha­ben. Des­halb ha­ben wir ein biss­chen Angst be­kom­men und wa­ren nicht mehr so mu­tig. Am En­de sind wir dann to­tal aus­ein­an­der­ge­fal­len, das darf na­tür­lich nicht pas­sie­ren.

Gui­do Holt (BSC-Be­treu­er): Das ist ein Highl­ight. Ich bin jetzt seit 23 Jah­ren Be­treu­er der er­sten Mann­schaft, und das i-Tüp­fel­chen hat im­mer ge­fehlt. Und das ist für un­se­ren klei­nen Ver­ein na­tür­lich ein i-Tüp­fel­chen, wenn man ei­nen Bun­des­li­gis­ten zu Gast hat und sich im Spiel gut ver­kauft.

Aufrufe: 014.8.2017, 08:40 Uhr
General-Anzeiger / Gert auf der HeideAutor