Vor zwei Jahren fuhr Daniel Zillken mit seiner Mannschaft noch nach Herkenrath oder empfing den SV Breinig. Der Bonner SC war damals eine ziemlich große Nummer in der Mittelrheinliga, weshalb solche Spiele oft eine zähe, manchmal fade Angelegenheit waren. Die Gegner stellten sich gerne hinten rein, der BSC biss sich die Zähne aus. Die Mühen der Ebene.
Inzwischen, nach dem Aufstieg in die Regionalliga, bereitet Trainer Zillken die Spieler auf Gegner wie Rot-Weiß Essen, Alemannia Aachen oder Viktoria Köln vor. Alles ist ein wenig größer geworden, und am Sonntag wird es ganz groß: In der ersten Runde des DFB-Pokals empfängt der BSC den Bundesligisten Hannover 96 (15.30 Uhr, Sportpark Nord). Das Stadion ist längst ausverkauft; die Niedersachsen kommen mit renommierten Profis wie Martin Harnik, Pirmin Schwegler oder Salif Sané. In zwei Jahren von Herkenrath nach Hannover – klingt irgendwie irreal.
Der BSC-Trainer, erdverbunden wie er ist, benutzt andere Vokabeln. „Das ist das Ergebnis von großem Fleiß und harter Arbeit“, sagt er. Und genauso wird seine Mannschaft auch gegen Hannover spielen: unangenehm, nervig, aggressiv. Natürlich rechnet Zillken nicht unbedingt damit weiterzukommen, aber er will es auch nicht ausschließen: „Ich wäre ein schlechter Trainer, wenn ich sagen würde, wir haben keine Chance.“
Um keine Chance zu nutzen, versucht der 50-Jährige, so viel Normalität wie möglich zu erhalten. „Wir machen nichts Verrücktes“, sagt er. „Alles ganz normal. Ich will die Sache nicht so hochhängen, damit die Jungs locker bleiben und nicht verkrampfen.“ Ernsthafte Sorgen macht er sich ohnehin nicht um die mentale Verfassung der Spieler: „Die meisten haben in Stadien wie in Essen ja schon vor 10 000 Zuschauern gespielt.“
Normalität auch, was die Bastelei an der Mannschaftsaufstellung angeht: Wer spielt, entscheidet sich am Samstagmorgen beim Kaffeetrinken im Hause Zillken. Nicht einmal einen Schluck lang dürfte sich der Trainer mit der Besetzung der Innenverteidigung auseinandersetzen. Keine Frage, die beiden Neuzugänge Nico Perrey und Sebastian Spinrath spielen. „Gegen Uerdingen haben sie das zuletzt super gemacht. Mit ihnen sind wir im Zentrum stabiler geworden“, lobt Zillken. „Die 61 Gegentore letzte Saison haben mich mächtig geärgert.“
Nur eine minimale Extravaganz leistet sich der BSC an diesem besonderen Tag. Team und Trainer treffen sich – irgendwo – zum Mittagessen, gehen ein wenig am Rhein spazieren und fahren anschließend mit dem Mannschaftsbus gemeinsam zum Stadion. So, wie sie es vor dem 1:0-Erfolg gegen Fortuna Köln im Mittelrheinpokalfinale gemacht haben.
Die Sache mit dem Rhein-Spaziergang klingt schon ein wenig nach großem Fußball, wobei die deutschen Bundesligisten ja traditionell – falls vorhanden – zur Einstimmung im Wald spazieren gehen. Und tatsächlich wird am Sonntag alles mehrere Nummern größer sein: Noch nie seit der Zweitligasaison 1976/77 hat der BSC ein Pflichtspiel vor ausverkauftem Haus ausgetragen. Damals kamen hin und wieder 12 000, 13 000 oder sogar 14 000 Zuschauer, weil Tickets verkauft wurden, bis alle drin waren. Wer keinen Platz mehr fand, fläzte sich halt in die Zwergmispeln, die die Kurven bedecken. Obwohl das Stadion dasselbe ist, dürfen diesmal nur 9500 Zuschauer rein.
Überhaupt kommt der Sportpark in jeder Hinsicht an seine Grenzen. Weil das Stadion-Restaurant zu klein ist, richtete der BSC einen zweiten VIP-Bereich auf der Haupttribüne ein, und auch die Verpflegungsbuden sind nicht für einen derartigen Andrang konzipiert. „Der eine oder andere wird auf sein Bier warten müssen“, sagt BSC-Präsident Dirk Mazurkiewicz. Alles in allem dürfte der Verein, so schätzt Mazurkiewicz, an diesem Tag 150 000 Euro verdienen. Auch das ein Rekord.
Die DFB-Pokalgeschichte des BSC ist bislang eine Kurzgeschichte in zwei Kapiteln. In der Saison 1977/78 scheitere der Club mit 0:3 bei Borussia Mönchengladbach. Zwei Jahre später war nach einem 1:3 bei Schalke 04 Schluss. Weil damals noch frei gelost wurde, konnte der Kleine auch ein Auswärtsspiel bei einem Großen erwischen.
Diesmal stärkt dem BSC eine große Fan-Kulisse den Rücken. Das wird beflügeln. Inspiration könnten die Spieler zudem aus einer Begegnung ziehen, die vor knapp 41 Jahren stattfand. Damals, am 4. September 1976, gelang in der 2. Bundesliga Nord ein 1:0 über Hannover 96. Torschütze im Sportpark: Walter „Ela“ Hoffmann.
Wiederholung unmöglich? Realistisch ist das nicht, eher ein Traum. Aber Präsident Mazurkiewicz sagt: „Das ist jetzt schon ein Traum. Und in einem Traum zu träumen, geht eigentlich nicht.“
4. September 1976: Bonner SC - Hannover 96 1:0: BSC: Dreher, Schwabe, Deterding (79. Jansen), Dewinski (65. Bröhl), Grau, Milasincic, Schwaba, Lenzen, Balke, Greiffendorf, Hoffmann. Tor: 1:0 Hoffmann (38.). Zuschauer: 6500.
28. Januar 1977: Hannover 96 – Bonner SC 5:0: BSC: Höller, van den Berg, Milasincic , Schwaba, Thier, Lenzen, Balke, Nover, Hubiak (64. Dewinski), Greiffendorf, Hoffmann (75. Grau). Tore: 1:0 Milewski (26.) 2:0 Wunder (45. Elfmeter) 3:0 Lüttges (58.) 4:0 Milewski (68.) 5:0 Wunder (80.). Zuschauer: 3900.