2024-05-10T08:19:16.237Z

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Rico Wehrle kann nicht ohne Ball. | Foto: Patrick Seeger
Rico Wehrle kann nicht ohne Ball. | Foto: Patrick Seeger

Rico Wehrle: Selbstbewusst, charakterfest, bodenständig

Der Todtnauer Rico Wehrle etabliert sich beim Bahlinger SC in der Regionalliga +++ Sprung von Lörrach drei Spielklassen höher bemerkenswert gut gemeistert

Der Todtnauer Rico Wehrle wagte im Sommer den Sprung von der Landesliga in die Regionalliga, kickt nun drei Spielklassen höher. Dies hat der Wiesentäler bemerkenswert gut gemeistert. Der 22-jährige Offensivspieler im Porträt.

„Spielen will ich, auf welcher Position ist mir egal.“ Selbstbewusst formuliert Rico Wehrle diesen Satz, dreht dabei am Deckel seiner Flasche Apfelschorle, wiegt im Stuhl vor und zurück. Es ist ein Credo, das man dem jungen Mann beim Zuhören sofort abnimmt. Eine gesunde Portion Selbstvertrauen besitzt Wehrle – das muss er – sonst wäre ihm dieser Sprung nicht gelungen. Vergangene Saison spielte Wehrle mit dem FV Lörrach-Brombach noch Landesliga. Nun heißen seine Gegner Kickers Offenbach, Hessen Kassel oder 1. FC Saarbrücken. Wehrle wagte das Risiko, nahm das Angebot des Regionalliga-Aufsteigers Bahlinger SC an, übersprang mit Verbands- und Oberliga zwei Spielklassen und ist nun in der vierten Liga dabei. Das obige Zitat mag ihn spontan großspurig klingen lassen, Wehrle ist aber das genaue Gegenteil. Er ist ein Fußballverrückter, einer, der sich immer zerreißt für sein Team. Der Satz bezieht sich eher darauf, dass der Bahlinger Coach Milorad Pilipovic den Stürmer auch schon zweimal als Rechtsverteidiger einsetzte. Stichwort Flexibilität.

„Technisch war er den anderen weit voraus.“ Dennis Nann

Als bodenständig beschreibt ihn sein einstiger Jugendtrainer Dennis Nann, schon in der C-Jugend bei seinem Heimatverein SV Todtnau stach Wehrle durch sein Talent heraus. „Technisch war er den anderen weit voraus, hatte dieses Gespür für das Spiel und extremen Ehrgeiz.“ Nann war sich sofort sicher, dass Wehrle sich nach einer gewissen Eingewöhnungszeit in Bahlingen durchsetzen würde. Sein Ehrgeiz imponiert auch BSC-Coach Pilipovic: „Er hängt sich in jedem Training voll rein, fehlt nie: ein Spieler, wie ihn sich jeder Trainer wünscht.“ Der 57-jährige Serbe sieht aber noch einiges Verbesserungspotenzial: „Er darf ruhig etwas öfter den Abschluss suchen. Da ist er mir etwas zu bescheiden, sucht lieber den Mitspieler.“ Dabei war es beim FVLB gerade die Torgefahr, die ihn auszeichnete.

Sein ehemaliger Coach im Grütt, Ralf Moser, gesteht, dass er anfangs etwas Bedenken hatte, ob der Sprung in die Regionalliga auf Anhieb klappen würde, doch freute ihn auch die Chance für seinen einstigen Schützling. „Rico hängt sich immer voll rein, er lebt für den Fußball“, beschreibt Moser. Sofort würde er ihn zurücknehmen.

Auch der 22-Jährige war sich des großen Sprungs durchaus bewusst, sah die Chance aber auch als Bestätigung seiner Anstrengungen. Zweifel kamen ihm daher nie, einen Fehler zu begehen. „Natürlich macht man sich so seine Gedanken. Kann das gut gehen? Im Notfall wäre ich halt nach einem Jahr wieder zurück nach Lörrach gegangen.“ Darauf deutet derzeit indes wenig hin. Wehrle ist angekommen beim Bahlinger SC. Elf Spiele bestritt er bisher für die Kaiserstühler in der Regionalliga, erzielte beim Derby im November gegen die Reserve des SC Freiburg seinen ersten Treffer. Dass er bei Pilipovic weniger Spielzeit erhält, als beim FVLB, wo Wehrle unumstrittener Stammspieler war, nimmt er für den sportlichen Aufstieg in Kauf. „Es war schon eine Umgewöhnung vom Niveau her. In der Regionalliga herrscht ein viel höheres Tempo. Dazu die größere Trainingsintensität, wir üben ja viermal, in Lörrach hatte ich nur drei Einheiten in der Woche.“ Wehrle weiß: eine gewisse Eingewöhnungszeit ist normal.

Er kommt gerade vom Training aus Bahlingen, eine gute dreiviertel Stunde Heimfahrt nach Todtnau liegen noch vor ihm. Er wirft einen kurzen Blick auf den Fernseher, wie steht es in der Bundesliga, konzentriert sich danach auf sein Gegenüber. Die Tour von Todtnau nach Bahlingen und zurück steht für ihn jeden Tag von Montag bis Donnerstag auf dem Programm, nur freitags ist trainingsfrei, dazu muss er die Strecke noch an den Spieltagen samstags absolvieren. „Je nachdem, wo wir auswärts antreten, fahre ich morgens um acht los.“ Freizeit bleibt nicht viel. „Wenn du was im Sport erreichen willst, nimmst du das gern in Kauf“, bemerkt Wehrle nur kurz und fügt an: „Ins Lörracher Grütt war es zeitlich kaum schneller und da fuhr ich ja schon seit der B-Jugend hin.“ Pilipovic würde ihn gerne zu einem Umzug nach Freiburg bewegen, ihm diese Last nehmen. Wehrle steht dem offen gegenüber, kann sich vorstellen, Richtung Sommer in die Breisgaumetropole zu ziehen, sollte es dort mit einem Masterstudienplatz klappen. „Es wäre eine gute Option.“

„Wir müssen unser Ding machen.“ Rico Wehrle

Wehrle studierte bisher Sportwissenschaften an der Universität Stuttgart. Vor drei Wochen reichte er seine Bachelorarbeit ein, das Thema: „Handlungsschnelligkeit im Fußball“ – wie sollte es auch anders sein? Dafür fuhr er unter anderem dreimal zu 1899 Hoffenheim, seine Dozentin hatte den Kontakt mit dem Bundesligisten hergestellt, dort durfte er mit den D- und C-Junioren des SV Todtnau und des FC Schönau den Footbonaut für seine Studien nutzen: Das ist ein 16x16 Meter großes Kunstrasenfeld in einer Art Käfig mit 64 Zielfeldern, in dem man von vorne, hinten oder von der Seite den Ball zugespielt bekommt, diesen verarbeiten und in ein aufleuchtendes Zielfeld, das ringsherum im 360-Grad-Winkel sein kann, passen muss.

Für Wehrle ist es eine große Erleichterung, dass er diese Arbeit nun fertig gestellt hat. „Die letzten Monate waren extrem anstrengend, tagsüber sieben bis acht Stunden über der Bachelorarbeit zu brüten, abends noch Training und ständig geistert einem diese Thematik im Kopf herum“, sagt er.

Nun darf er sich erstmal wieder auf Fußball konzentrieren, die Mission Klassenerhalt mit dem BSC in Angriff nehmen. Druck verspürt er keinen. „Wir müssen unser Ding machen.“ Wehrle weiß eh’, was Druck bedeutet. Im vergangenen Sommer konnten er und der FVLB diesem nicht standhalten, gingen in ihrem Aufstiegsspiel zur Verbandsliga gegen den SC Lahr sang- und klanglos unter. Es war nicht das erste sportliche Negativerlebnis für ihn. „Wir scheiterten ja schon im Jahr davor am SC Offenburg.“

Ein Leben ohne Fußball kann sich der Todtnauer nicht vorstellen. Selbst an freien Sonntagen geht es nicht ohne das runde Leder. Dann schaut er sich gerne die Heimspiele des FVLB im Grütt an oder die Partien des SVT in der Kreisliga A. Heimatverbundenheit.

Zur Person: Rico Wehrle begann mit vier Jahren beim SV Todtnau mit dem Fußballspielen, ehe er zu den B-Junioren des FV Brombach wechselte. In der Saison 2013/14 holte sich Wehrle mit 30 Treffern die Torjägerkanone in der Landesliga, Staffel II. Im Sommer 2015 wagte der heute 22-Jährige den großen Schritt in die Regionalliga, wechselte vom FV Lörrach-Brombach zum Bahlinger SC. Wehrle studierte Sportwissenschaften an der Universität Stuttgart, vor drei Wochen gab er seine Bachelorarbeit ab.

Kompakt:
Der BSC erwartet am Samstag, 14 Uhr den punktgleichen Mitaufsteiger SV Spielberg. Ein Sieg im Kampf um den Klassenerhalt ist fast Pflicht, dennoch versucht Milorad Pilipovic den Druck von seinem Team zu nehmen. Er erwartet, dass seine Mannschaft effizienter in der Offensive agiert, die Chancen verwertet, was schon im Hinspiel das Manko war und gegen defensivstarke Spielberger keine leichte Aufgabe wird. Fehlen werden die verletzten Bryan Gaul und Ergi Alihoxa sowie der gesperrte Fabian Nopper.


Aufrufe: 03.3.2016, 21:16 Uhr
Benedikt Hecht (BZ)Autor