2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait
Unbändiger Jubel: Melvyn Lorenzen (li.) feiert sein erstes Bundesliga-Tor, Zlatko Junuzovic (Nr. 16) eilt zum Gratulieren heran. Foto: getty
Unbändiger Jubel: Melvyn Lorenzen (li.) feiert sein erstes Bundesliga-Tor, Zlatko Junuzovic (Nr. 16) eilt zum Gratulieren heran. Foto: getty

Aus Ostholstein in die Bundesliga

Werder-Talent: Melvyn Lorenzens fußballerische Wurzeln liegen in Schleswig-Holstein

Verlinkte Inhalte

Am 13. Dezember nachmittags ging ein Traum in Erfüllung. Melvyn Lorenzen stand in der Startelf des SV Werder Bremen für das Heimspiel gegen Hannover 96 - und erzielte in der 58. Minute sein erstes Bundesliga-Tor für die Grün-Weißen. Die Karriere des 20-Jährigen begann in Schleswig-Holstein.

"Das war schon sehr emotional. Ich glaube, ich habe das ganze Stadion zusammengeschrien. Der junge Mann, der neben mir saß, hat bestimmt gedacht: 'Die Alte hat sie nicht alle'", sagt Martina Lorenzen und lacht lauthals. Aber es passiert ja auch nicht alle Tage, dass der eigene Sohn in einem Bundesliga-Stadion ein Tor erzielt und von Zehntausenden von Zuschauern begeistert gefeiert wird.

"Gänsehaut pur" - so beschreiben Melvyn Lorenzen und Mama Martina übereinstimmend den großen Moment. Torschütze in der Bundesliga, mittlerweile zwei Mal in der Startelf - der vorläufige Höhepunkt einer Fußball-Karriere, die im Kreis Ostholstein in Schleswig-Holstein ihren Anfang nahm.

Erster Einsatz als Torwart

Rückblende: Um die Jahrtausendwende hat die Spvgg Putlos einen neuen Spieler. "Er war sehr ruhig, hat sich alles erst mal angeguckt", sagt Trainerin Maike Jäkel-Zander. Der Neue steht auch mal im Tor, weil's keinen festen Keeper gibt. "Das hat er gar nicht schlecht gemacht", erinnert sich die Übungsleiterin.


Ein kecker Kicker: Melvyn Lorenzen als Kreisauswahl-Spieler mit blonden Strähnchen. Foto: Klaus Bischoff


Doch im Feld kann Melvyn Lorenzen seine große Stärke nun mal besser ausspielen. "Ein echtes Laufwunder mit Gefühl für den Ball. Mein Co-Trainer hat ihn 'Pferdelunge' genannt, ich ihn 'Lokomotive'", sagt Jäkel-Zandef lachend. "Mello" ist ehrgeizig, ohne allerdings als Solist glänzen zu wollen. "Er hat nie für sich alleine gespielt, hat abgegeben, wenn ein Mitspieler besser stand", so die Trainerin. Bei aller Wertschätzung: Es gibt auch Spiele, die Lorenzen von der Bank aus verfolgen muss.

Von Putlos geht's zwei Jahre später zum benachbarten größeren Oldenburger SV. Kreisauswahl, Stützpunkt-Training, Landesauswahl: Klaus Bischoff, Talentförderungs-Trainer im Kreis Ostholstein, kann sich noch gut an seinen ehemaligen Schützling erinnern: "Für mich ' ne Granate", sagt der 64-Jährige, der besonders Technik und Tempo des Talents rühmt.

Als D-Junior spielt Lorenzen schon regelmäßig in der C-Jugend. "Doch irgendwann reicht Verbandsliga nicht mehr", so Bischoff. Also folgt 2007 der Wechsel zu Holstein Kiel. "Seine Mutter hat sein Talent erkannt, ihn immer unterstützt und ihm keine Steine in den Weg gelegt", lobt der Coach.

Hausaufgaben im Bus

Die Entfernung vom Wohnsitz Oldenburg in die Landeshauptstadt beträgt knapp 70 Kilometer - der mittlerweile Zwölfjährige verbringt viel Zeit im Bus, erledigt dort auch einen Großteil seiner Hausaufgaben. Die Zeit ist nicht immer leicht für ihn. "Es gab Höhen und Tiefen. Melvyn war immer einer der Besseren, musste aber auch Rückschläge einstecken. Er hat für den Fußball auf einen Teil seiner Kindheit verzichtet", sagt Mutter Martina und fügt hinzu: "Ich musste ihn schon das eine oder andere Mal aufbauen."


Stolze Pokalsieger: Melvyn Lorenzen (knieend, ganz links) im Kreise seiner Mitspieler. Foto: Klaus Bischoff

Doch "Mello" ist ehrgeizig, beißt sich durch. Sechs Jahre spielt er bei Holstein, ist mit den B- und A-Junioren in Regional- und Bundesliga unterwegs. Im Sommer 2013 folgt der nächste Schritt - der 18-Jährige schließt sich der zweiten Mannschaft des SV Werder Bremen an. "Es gab auch mal ein Gespräch mit dem FC St. Pauli, daraus ist aber nichts geworden", sagt Martina Lorenzen. Die Schule in Oldenburg hat Melvyn mit der Mittleren Reife verlassen, später in Bremen macht er das Abitur. Die Mutter: "Darauf haben sowohl Holstein als auch Werder geachtet, dass es mit der Schule läuft."

An der Weser geht's zunächst gut los für den gebürtigen Londoner. Er bestreitet die ersten fünf Partien für den Regionalligisten, erzielt dabei drei Tore, ehe ihn ein Muskelfaserriss bremst. Der damalige Trainer Robin Dutt beruft ihn in den Profi-Kader - gegen den VfB Stuttgart und den SC Freiburg absolviert Melvyn Lorenzen seine ersten beiden Bundesliga-Spiele, allerdings mit überschaubaren Einsatzzeiten: Zwei Minuten gegen Stuttgart, eine gegen Freiburg.

Knorpelschaden und Knie-OP

Dann der Nackenschlag. Ein Knopelschaden macht eine Knie-Operation unumgänglich. Lorenzen fällt die gesamte Rückrunde aus. Und auch die ersten 18 Spiele der aktuellen Regionalliga-Saison verpasst er. Erst am 30. November beim 0:0 in Rehden darf er für eine Viertelstunde ran, eine Woche später beim 1:1 gegen St. Paulis Zweite immerhin schon eine Halbzeit.

Dann ist Winterpause - hatte Melvyn Lorenzen jedenfalls gedacht. Der Oman-Trip mit Freundin Assal ist schon gebucht, doch dann greift Viktor Skripnik in die Urlaubsplanung des 20-Jährigen ein. "Du trainierst doch wie ein junger Gott", sagt der Ukrainer, der mittlerweile Cheftrainer der Profis ist - und den flinken Stürmer aus der U 23 gut kennt.

Gegen Hannover in der Startelf

Statt Sonne im Emirat also Training bei norddeutschem Schmuddelwetter. Doch der Frust hält sich in Grenzen, denn Lorenzen steht gegen Hannover 96 erstmals in der Werder-Startelf. Und das Spiel läuft so, wie es sich wohl jeder junge Fußballer erträumt. 55. Minute: Zlatko Junuzovic schickt den "Raketenmann" (so titelt später der Boulevard) auf die Reise, der lässt Christian Schulz aussteigen, zieht nach innen und trifft mit präzisem Flachschuss. Das erste Bundesliga-Tor!

Die Werder-Fans, der Torschütze selbst und seine Mutter auf der Tribüne sind hellauf begeistert. "Ich hab' an meine Familie gedacht und ein, zwei Tränchen verdrückt" wird der später zum "Man of the Match" gewählte Schleswig-Holsteiner anschließend sagen. Als "heftigen Moment" beschreibt Martina Lorenzen die Gefühlsexplosion im Stadion: "Ich war einfach nur stolz und hab' daran gedacht, was er alles durchgemacht hat."

Stolze Kumpels aus Kiel

Anschließend gibt's unzählige Interviews, ein Besuch bei der Weihnachtsfeier der U 23, und das Appartement, das Lorenzen bewohnt, ist gut gefüllt - ehemalige Mitspieler aus Kiel sind gekommen. Immer wieder wird das Tor angeschaut. Beim 1:4 in Mönchengladbach vier Tage später steht Lorenzen im Kader, kommt aber nicht zum Einsatz. Gegen Borussia Dortmund folgt zum Abschluss der Hinrunde der zweite Startelf-Einsatz. Der junge Stürmer hat zwei gute Gelegenheiten, trifft diesmal aber nicht.

In Ostholstein und Kiel sind Freunde und Weggefährten begeistert. "Nur wegen Melvyn Lorenzen kennt jetzt (fast) jeder die SpVgg Putlos", heißt es stolz im Gästebuch auf der Homepage des Vereins. "Putlos meets Bundesliga", so ein Eintrag auf der Facebook-Seite des Clubs. Passend: Lorenzen hat sein Tor nur wenige Stunden vor Beginn des alljährlichen Sportlerballs erzielt.

Silvester in London

Jetzt ist Pause. Melvyn Lorenzen genießt die freie Zeit. An Silvester geht's zum Vater nach London. Dort lernten sich die Eltern kennen. "Ich wollte ein halbes Jahr beruflich in London verbringen - es sind sieben daraus geworden", berichtet Martina Lorenzen. Als die Eltern sich trennten, zog die Mutter mit dem damals Fünfjährigen zurück nach Deutschland. Sie arbeitete am Weißenhäuser Strand, wohnte (und wohnt noch heute) in Oldenburg.

"Melvyn genießt jeden Moment", weiß die Mutter. Doch abheben, das ist nicht die Sache des Filius. "Er weiß, wie schnell es gehen kann", sagt Martina Lorenzen, die ihren Sohn so beschreibt: "Er ist ehrgeizig, hat sich nie von Rückschlägen beeinflussen lassen, und war nie ein Duckmäuser. Und er ist nach Erfolgen wieder schnell 'down to earth.'"

Am 6. Januar startet Werder Bremen ins Trainingslager ins türkische Belek. Melvyn Lorenzen wird wohl dabei sein - und alles daran setzen, seinen bislang vier Bundesliga-Einsätzen weitere hinzuzufügen. Und in Ostholstein wird man den Werdegang des schnellen Stürmers weiter aufmerksam verfolgen.

Aufrufe: 028.12.2014, 18:00 Uhr
FuPa / Ulrich SchröderAutor