2024-05-10T08:19:16.237Z

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Auch der ASN Pfeil war: all in. Die Frage ist nur, wann adidas auf diesen Werbeträger aufmerksam wird. Foto: Zink/Da Ma
Auch der ASN Pfeil war: all in. Die Frage ist nur, wann adidas auf diesen Werbeträger aufmerksam wird. Foto: Zink/Da Ma

Abgelegte Eheringe und andere Mutproben

Alltag in der A-Klasse - letzte Folge: Eine ganze Saison lang haben wir die A-Klasse 6 begleitet, nun entlassen wir sie mit unseren schönsten Momenten in die Sommerpause

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Ein holpriger Sandplatz, in der Kabine eine Kiste Bier, das Trikot riecht nach Zigaretten — ja, man erzählt viel über die A-Klasse. Aber auch, dass man dort den Fußball noch so erleben kann, wie er ursprünglich einmal war. Wir wollen herausfinden, wie es wirk­lich ist, in den Niederungen des Amateurfußballs. Deshalb begleiteten wir die A-Klasse Nürnberg 6 — eine ganze Saison lang.

Plötzlich stand ich dort außen, die Schuhe bis zu den Zehen durchnässt, das Was­ser tropfte sogar durch den Regenschirm, in einer Hand die­se gelb-rote Fahne. „Dann müs­sen Sie das machen“, hatte Gün­ter Höllring gesagt, „hat jemand mal a Fähnla für den Journalisten?“ Schon war ich sein Linienrichter. In der E-Jugend hatte ich mal den entscheidenden Elfme­ter verschossen und ein ganzes Wochenende nur geweint. Ich durfte in der F-Jugend gegen Schlusslicht Spardorf Stürmer spielen, ein Tor, dachte der Trainer, als Dank, dass ich sonst immer so brav hinten blieb. In der Halbzeit wurde ich ausgewechselt, ein Tor war mir nicht gelungen, dafür dem, der für mich kam, gleich vier.

Bei den Herren stiegen wir mal binnen zwei Jahren aus der Landesliga bis in die Bezirksli­ga ab. Ja, ich habe im Fußball ein bisschen was erlebt. Und jetzt, als ich schon lang nicht mehr spielte, war ich plötzlich Linienrichter in der A-Klasse. Das erste Mal beleidigt wur­de ich nach sieben Minuten, als ich einen Ball im Aus sah, der vielleicht nicht im Aus gewesen war: „Was winkst du, Spast?“ Ich entschied, aus Gründen körperlicher Unversehrtheit Abseits grundsätzlich nicht anzuzeigen und das, wie auch alle Entscheidungen, besser Höllring zu überlassen. Der 69-Jährige pfeift schließlich seit 28 Jahren in der A-Klasse. Mit jeder Minute, die verstrich, verstand ich, was Schiedsrich­ter- Obmann Rößlein gemeint hatte, als er sagte, dass es kein Spaziergang ist, eine A-Klas­senpartie zu pfeifen. „Da brau­chen sie erfahrene Männer.“ Irgendwann verzettelte sich mein Linienrichter-Kollege in ein Handgemenge, Schirme wurden wie Waffen geschwun­gen, Fäuste geballt. Auch Höll­ring wurde mehrfach umringt. Dann, endlich, hörte ich den letzten Pfiff. Den Weg in diese Kabine, war ich mir sicher, wür­den wir nicht überleben. Tat­sächlich gab es dann nur einen Körperkontakt mit einem Spie­ler, er klopfte erst Höllring, dann mir auf die Schulter: „Gut gemacht, Schiris.“ Christoph Benesch


Home, sweet home. Zwi­schenzeitlich hatten wir das Gefühl, dass eigentlich alle Spiele der A-Klasse 6 in der Sudetendeutschen Straße statt­finden. Der TV Glaishammer hat hier sein Zuhause, die DJK Falke ebenfalls und manchmal, wenn die Stadt mal wieder kei­nen von den Stadionnebenplät­zen übrig hatte, hat sogar Va­tan Spor dort seine Heimspiele ausgetragen. In den vergangenen Monaten ging ein klassischer Dialog in der Lokalredaktion am Sonn­tag ungefähr so: „Kannst du zur A-Klasse gehen?“ – „Mach ich.“ Auf dem Weg zum Auto recherchierte man dann, wo einen der Kol­lege hinge­schickt hatte und eine Vier­telstunde spä­ter bog man mit hoher Wahr­scheinlichkeit wieder in die Sudetendeutsche Straße ein.

Ja, wir waren auch auf der wunderschönen Anlage des ASN Pfeil, wir haben endlich den Sportplatz des SV Maiach-Hinterhof kennengelernt und wir haben uns immerhin ein­mal nach Moorenbrunn ge­traut, aber das Zentrum der A-Klasse 6 liegt eindeutig im Stadtteil Gleißhammer. Hier haben wir von einem Stück Heimat mitten in Nürnberg berichtet, haben dort die wildesten Fans beobachtet und am Ende durfte der TV Glaishammer hier sei­nen Aufstieg in die Kreisklasse feiern — was ein bisschen scha­de ist, weil es in der kommen­den Saison jetzt einen Grund weniger gibt, in die Sudeten­deutsche Straße zu fahren. Wir haben hier also sehr viele schöne Momente erlebt, aber der beste war sicherlich der, als ein Spieler des TV Glaisham­mer kurz nach seiner Einwechs­lung in der zweiten Halb­zeit noch einmal zur Außenli­nie sprintete und einem Freund wortlos seinen Ehering über­reichte. „In den nächsten 45 Minuten bin ich ausschließlich mit dem Fußball verheiratet“ wollte er damit wohl sagen. Home, sweet home. Sebastian Gloser



Man kann natürlich versu­chen, die A-Klasse zu er­klären. Eine Saison lang haben wir das jetzt an dieser Stelle versucht. Am besten aber er­klärt sich die A-Klasse selbst. Unsere Lieblingszitate:

„Jetzt lebe ich bewusster und mache langsamer Party.“ (Süleyman Yilmaz, Toptorjä­ger der A-Klasse nach seinem Wechsel in die Landesliga.)
„Sag, dass das eben Emotio­nen sind. Emotionen, ganz ein­fach.“ (Ein unbekannter Spieler Va­tan Spors liefert dem Trainer einen Erklärungsansatz, wa­rum die Mannschaft für so viele Spielabbrüche sorgt.)
„Manche tun so, als wäre das ein Champions-League-Fina­le.“ (Anatoli Sanosin von Tuspo wundert sich manchmal über den Ehrgeiz der anderen.)
„Es passieren oft lustigere Sachen als in höheren Ligen.“ (Die Spielerfrauen der DJK Falke lieben die A-Klasse aus demselben Grund wie wir.)
„Einmal habe ich einem Kroaten die Gelbe Karte gezeigt, weil er ,Curatz‘ geru­fen hat. Der war dann ganz überrascht: ,Schiri, woher weißt du, dass das Schwanz heißt?‘“ (Ausdrücke lernt man in fremden Sprachen immer zu­erst, weiß auch Schiedsrichter Günter Höllring.)
„Im Eins-gegen-Eins habe ich bis heute noch keinen einzi­gen Zweikampf verloren.“ (Ercan Celik, Trainer von Va­tanspor, weiß wie es geht.)
„Steine, Löcher, Hügel, das ist kein Fußballfeld, das ist ge­meingefährlich.“ (Christoph Gastl, Trainer der DJK Bayern, lernt den Sand­platz des TSV Altenfurt ken­nen.)
„Wenn Gianluigi Buffon auf­hört, mache ich auch Schluss.“ (Michael Hofmann, Torhüter beim, nun ja, TSV Altenfurt II)
„Natürlich hast du bessere Mitspieler in der Kreisliga, da­für sind die Gegner besser. In der A-Klasse ist es einfacher, dafür hauen sie dich um, wenn du kicken kannst.“ (Dino Music, Johannis 83, hat das Rätsel A-Klasse gelöst.)
„Leck mich, Alter, ich geh.“ (In Maiach reagiert ein Er­satzspieler auf seine Nicht-Berücksichtigung.)

Aufrufe: 08.7.2015, 13:49 Uhr
S. Gloser / C. Benesch (NN)Autor