Plötzlich stand ich dort außen, die Schuhe bis zu den Zehen durchnässt, das Wasser tropfte sogar durch den Regenschirm, in einer Hand diese gelb-rote Fahne. „Dann müssen Sie das machen“, hatte Günter Höllring gesagt, „hat jemand mal a Fähnla für den Journalisten?“ Schon war ich sein Linienrichter. In der E-Jugend hatte ich mal den entscheidenden Elfmeter verschossen und ein ganzes Wochenende nur geweint. Ich durfte in der F-Jugend gegen Schlusslicht Spardorf Stürmer spielen, ein Tor, dachte der Trainer, als Dank, dass ich sonst immer so brav hinten blieb. In der Halbzeit wurde ich ausgewechselt, ein Tor war mir nicht gelungen, dafür dem, der für mich kam, gleich vier.
Bei den Herren stiegen wir mal binnen zwei Jahren aus der Landesliga bis in die Bezirksliga ab. Ja, ich habe im Fußball ein bisschen was erlebt. Und jetzt, als ich schon lang nicht mehr spielte, war ich plötzlich Linienrichter in der A-Klasse. Das erste Mal beleidigt wurde ich nach sieben Minuten, als ich einen Ball im Aus sah, der vielleicht nicht im Aus gewesen war: „Was winkst du, Spast?“ Ich entschied, aus Gründen körperlicher Unversehrtheit Abseits grundsätzlich nicht anzuzeigen und das, wie auch alle Entscheidungen, besser Höllring zu überlassen. Der 69-Jährige pfeift schließlich seit 28 Jahren in der A-Klasse. Mit jeder Minute, die verstrich, verstand ich, was Schiedsrichter- Obmann Rößlein gemeint hatte, als er sagte, dass es kein Spaziergang ist, eine A-Klassenpartie zu pfeifen. „Da brauchen sie erfahrene Männer.“ Irgendwann verzettelte sich mein Linienrichter-Kollege in ein Handgemenge, Schirme wurden wie Waffen geschwungen, Fäuste geballt. Auch Höllring wurde mehrfach umringt. Dann, endlich, hörte ich den letzten Pfiff. Den Weg in diese Kabine, war ich mir sicher, würden wir nicht überleben. Tatsächlich gab es dann nur einen Körperkontakt mit einem Spieler, er klopfte erst Höllring, dann mir auf die Schulter: „Gut gemacht, Schiris.“ Christoph Benesch
Home, sweet home. Zwischenzeitlich hatten wir das Gefühl, dass eigentlich alle Spiele der A-Klasse 6 in der Sudetendeutschen Straße stattfinden. Der TV Glaishammer hat hier sein Zuhause, die DJK Falke ebenfalls und manchmal, wenn die Stadt mal wieder keinen von den Stadionnebenplätzen übrig hatte, hat sogar Vatan Spor dort seine Heimspiele ausgetragen. In den vergangenen Monaten ging ein klassischer Dialog in der Lokalredaktion am Sonntag ungefähr so: „Kannst du zur A-Klasse gehen?“ – „Mach ich.“ Auf dem Weg zum Auto recherchierte man dann, wo einen der Kollege hingeschickt hatte und eine Viertelstunde später bog man mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder in die Sudetendeutsche Straße ein.
Ja, wir waren auch auf der wunderschönen Anlage des ASN Pfeil, wir haben endlich den Sportplatz des SV Maiach-Hinterhof kennengelernt und wir haben uns immerhin einmal nach Moorenbrunn getraut, aber das Zentrum der A-Klasse 6 liegt eindeutig im Stadtteil Gleißhammer. Hier haben wir von einem Stück Heimat mitten in Nürnberg berichtet, haben dort die wildesten Fans beobachtet und am Ende durfte der TV Glaishammer hier seinen Aufstieg in die Kreisklasse feiern — was ein bisschen schade ist, weil es in der kommenden Saison jetzt einen Grund weniger gibt, in die Sudetendeutsche Straße zu fahren. Wir haben hier also sehr viele schöne Momente erlebt, aber der beste war sicherlich der, als ein Spieler des TV Glaishammer kurz nach seiner Einwechslung in der zweiten Halbzeit noch einmal zur Außenlinie sprintete und einem Freund wortlos seinen Ehering überreichte. „In den nächsten 45 Minuten bin ich ausschließlich mit dem Fußball verheiratet“ wollte er damit wohl sagen. Home, sweet home. Sebastian Gloser
Man kann natürlich versuchen, die A-Klasse zu erklären. Eine Saison lang haben wir das jetzt an dieser Stelle versucht. Am besten aber erklärt sich die A-Klasse selbst. Unsere Lieblingszitate:
„Jetzt lebe ich bewusster und mache langsamer Party.“ (Süleyman Yilmaz, Toptorjäger der A-Klasse nach seinem Wechsel in die Landesliga.)
„Sag, dass das eben Emotionen sind. Emotionen, ganz einfach.“ (Ein unbekannter Spieler Vatan Spors liefert dem Trainer einen Erklärungsansatz, warum die Mannschaft für so viele Spielabbrüche sorgt.)
„Manche tun so, als wäre das ein Champions-League-Finale.“ (Anatoli Sanosin von Tuspo wundert sich manchmal über den Ehrgeiz der anderen.)
„Es passieren oft lustigere Sachen als in höheren Ligen.“ (Die Spielerfrauen der DJK Falke lieben die A-Klasse aus demselben Grund wie wir.)
„Einmal habe ich einem Kroaten die Gelbe Karte gezeigt, weil er ,Curatz‘ gerufen hat. Der war dann ganz überrascht: ,Schiri, woher weißt du, dass das Schwanz heißt?‘“ (Ausdrücke lernt man in fremden Sprachen immer zuerst, weiß auch Schiedsrichter Günter Höllring.)
„Im Eins-gegen-Eins habe ich bis heute noch keinen einzigen Zweikampf verloren.“ (Ercan Celik, Trainer von Vatanspor, weiß wie es geht.)
„Steine, Löcher, Hügel, das ist kein Fußballfeld, das ist gemeingefährlich.“ (Christoph Gastl, Trainer der DJK Bayern, lernt den Sandplatz des TSV Altenfurt kennen.)
„Wenn Gianluigi Buffon aufhört, mache ich auch Schluss.“ (Michael Hofmann, Torhüter beim, nun ja, TSV Altenfurt II)
„Natürlich hast du bessere Mitspieler in der Kreisliga, dafür sind die Gegner besser. In der A-Klasse ist es einfacher, dafür hauen sie dich um, wenn du kicken kannst.“ (Dino Music, Johannis 83, hat das Rätsel A-Klasse gelöst.)
„Leck mich, Alter, ich geh.“ (In Maiach reagiert ein Ersatzspieler auf seine Nicht-Berücksichtigung.)