2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Welche Auswirkungen hat der demographische Wandel auf den Spielbetrieb im Kreis Ost? Eine Frage, die Wolfgang Heyne immer mehr beschäftigt. F: Hönl
Welche Auswirkungen hat der demographische Wandel auf den Spielbetrieb im Kreis Ost? Eine Frage, die Wolfgang Heyne immer mehr beschäftigt. F: Hönl

Winteranalyse (2): Gewalt, Bürokratie, Zukunftsprognose

Jahresabschluss-Gespräch mit Spielleiter Wolfgang Heyne, Teil 2: Entscheidet der Verband von "oben herab"? Ist eine Jahressaison nicht die bessere Variante? Welche Rolle spielt das Thema Gewalt?

Während im ersten Teil des großen Jahresabschluss-Gespräches mit Wolfgang Heyne, Spielleiter des Fußballkreises Niederbayern Ost, noch der Rückblick auf den bisherigen Saisonverlauf im Mittelpunkt gestanden hat, ist die Zukunft des niederbayerischen Fußballs im zweiten und letzten Teil das große Thema. Entscheidet der Verband immer von "oben herab"? Ist eine Jahressaison angesicht der vielen witterungsbedingten Spielabsagen nicht die bessere Variante? Welche Rolle spielt das Thema Gewalt auf den regionalen Fußballplätzen? Wolfgang Heyne steht Rede und Antwort.

Ihre Einschätzung: Wie wird sich der Fußball im Kreis Niederbayern Ost in Anbetracht der demographischen Wandels in absehbarer Zeit entwickeln?
Wolfgang Heyne: Ich glaube, die Mannschaften werden in den nächsten zehn Jahren durchgängig weniger werden. Die Vereine werden zwar größtenteils weiter bestehen bleiben, aber die Anzahl der Herren-Spielgemeinschaften wird sich noch weiter erhöhen. Da kann es für einen Verein schon ein großer Einschnitt sein, wenn sein "Aushängeschild" ein halbes Jahr lang kein Heimspiel auf seiner Sportanlage austrägt, weil er dann beim SG-Partner spielt. Praktikablen Lösungen zur Spielstättenbelegung/Spielstättenwechsel werden wir natürlich positiv gegenüber stehen. Bei der Gründung von Spielgemeinschaften bieten wir Vereinen auch an, beratend zur Seite zu stehen, falls sie über eine SG nachdenken. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass seit 2011 die Geburten in Bayern wieder steigen. Dies ist zwar regional unterschiedlich, allerdings dürfen wir es nicht versäumen, die steigende Kinderanzahl auch in steigende Spielerzahlen und Mannschaften umzusetzen.

Täuscht der Eindruck oder ist in "Niederbayern Ost" die Welt noch in Ordnung? Es gab keine gravierenden Vorkommnisse was Gewalt auf den Fußballplätzen betrifft, oder?
Der Eindruck täuscht grundsätzlich nicht. In 99,9 Prozent der Spiele gibt es dahingehend keine besonderen Vorkommnisse. Bei der großen Menge an Spielen kann es natürlich auch vorkommen, dass mal etwas passiert. Dies wird dann sauber aufgearbeitet, hier steht auch immer unser Kreisvorsitzende Christian Bernkopf beratend zur Seite, und dann muss es wieder gut sein.


Jahressaison? "Die Diskussion ist überflüssig"

Ich denke jedoch schon, dass der Ton auf den Plätzen etwas rauer und die Hemmschwelle für Beleidigungen von außen geringer geworden ist. Dies sehe ich schon für eine Gefahr. Für den Fußball in unseren Ligen ist es sehr wichtig, dass alle Beteiligten, Spieler wie auch Schiedsrichter gerne auf den Fußballplatz sind und ihrem Hobby nachgehen können. Deshalb ist es wichtig, einem Schiedsrichter wie auch einem Spieler einen Fehler verzeihen zu können, auch wenn er gegen die eigene Mannschaft gerichtet ist. Wenn sich nach einem Fußballspiel alle Beteiligten mit Respekt und Anerkennung in die Augen sehen können, haben wir sehr viel erreicht. Wir könnten auch in bestimmten Situationen unsere eigenen erlassenen Bestimmungen angemessen anwenden. Auf den meisten Sportanlagen ist ja ein Schild angebracht mit dem Text "Wer Zuschauer, Spieler oder Schiedsrichter beleidigt, muss mit dem Verweis von der Sportanlage rechnen!“.

Ähnlich wie in den Vorjahren gab es auch heuer im Spätherbst wieder einige witterungsbedingte Spielabsagen. Gerade in dieser Zeit wird wieder die Diskussion rund um eine Jahressaison aktuell. Ihre Meinung dazu?
Ich finde die Diskussion überflüssig. Um eine Saison übers Jahr spielen zu können, müsste der Anstoß ja durch die Profivereine über den DFB erfolgen. Amateure und Profis sind an den Schnittstellen der Ligen verknüpft. Die Jahressaison ist meines Wissens bei den Profivereinen kein Thema, daher auch für die Amateure nicht relevant.


"Wir versuchen, auf Augenhöhe zu diskutieren"

Ich denke aber auch, wenn das Saisonende im Spätherbst bzw. Anfang bis Mitte November liegen würde, schließt es Spielausfälle aus Witterungsgründen ebenfalls nicht aus. Und die wären zum Saisonende problematischer als während der Saison. Stichwort Relegation, die dann eventuell nicht wie geplant gespielt werden kann, wenn die Spiele der Liga nicht abgeschlossen sind. Zudem empfinde ich es als gewissen Reiz, eine vielleicht verkorkste Herbstserie durch einen Neustart im Frühjahr noch ausgleichen zu können. Was wir allerdings den Vereinen auf den Frühjahrstagungen anbieten werden, ist, was auch in der Vergangenheit im alten Kreis Passau praktiziert wurde, bei der Gestaltung des Rahmenspielplanes mitzuarbeiten. Das Saisonende ist zwar vorgegeben, kann daher auch nicht verändert werden, aber bei der Festlegung der Spieltage hat der Kreis Gestaltungsmöglichkeiten. Der Kreis-Spielausschuss wird verschiedene Vorschläge vorlegen, die Vereine sollen dann entscheiden, welches Modell zur Anwendung kommt.

Unter den Vereinen herrscht auch oft die Meinung, dass der Verband "von oben herab" entscheide. Wie nehmen Sie diese Diskussion wahr?
Dass diese Meinung vertreten wird, hören wir als BFV-Mitarbeiter, die vor Ort arbeiten, natürlich auch immer wieder. Es geht dabei aber überwiegend um Themen, die auch kürzlich wieder beim "Fußballstammtisch" angesprochen wurden. Beurteilen kann ich nur, was in Gesprächen an mich persönlich herangetragen wird.


"Es wird immer schwieriger, Personal zu finden"

Die Vereinsmitarbeiter wissen, dass sie mit ihren Fragen immer zu uns kommen können. Hier stelle ich fest, dass wir dann von Seiten der Spielleitung versuchen, auf Augenhöhe zu diskutieren. Es wird stets versucht, Sachverhalte zu erklären, was nicht immer gelingt. Wenn nach Satzung und Spielordnung die
Möglichkeit besteht zu helfen, tun wir das auch gerne, soweit wir dadurch keinen anderen Verein benachteiligen. Dort, wo wir im Kreis nicht die Entscheider sind, können wir auch nichts verändern. In Situationen, in denen wir nicht helfen können, ist der Begriff "Verband" oft negativ besetzt. Aber wer ist der Verband? Der Verband sind wir alle, die Gemeinschaft der Vereine und die Verbandsmitarbeiter. Wir alle handeln also im Auftrag der Gemeinschaft.

Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich der Fußball im Kreis Niederbayern Ost entwickeln? Welche Herausforderungen kommen auf Sie und die Vereine zu?
Die tatsächliche Entwicklung kann man nicht seriös vorher sagen. Zu viele Faktoren spielen da eine Rolle. So ist in den Vereinen oft der Trainings- und Spielbetrieb durch Pendler, Schichtarbeiter oder Studenten beeinflusst. Dazu kommt, dass das Freizeitangebot groß ist und bei jungen Leuten auch oftmals der Wunsch nach Events außerhalb des Vereinslebens im Vordergrund steht. Die größte Herausforderung für Vereine und Verband ist die Personalentwicklung. Meiner Meinung ist es deshalb heutzutage die wichtigste Aufgabe in einem Verein, dass eine positive Grundstimmung vermittelt wird und der gesellschaftliche Aspekt weit vorne in den Prioritäten liegt. Fußballer/innen, Zuschauer, Schiedsrichter, Vereinsfunktionäre und Verbandsmitarbeiter sollten dauerhaft aus eigenem Antrieb gerne auf den Fußballplatz gehen. Der Fußballverein ist vielerorts das gesellschaftliche Zentrum im Dorf und sollte dies auch bleiben. Um das zu erreichen oder beizubehalten müssen im Verein Jung und Alt, Frau und Mann zusammenstehen und mit anpacken.


Ist die Spielform 9:9 die Zukunft?

Keine einfache Aufgabe.
Für die amtierenden Verantwortlichen in den Vereinen wird es zudem immer schwerer, Personen zu finden, die Führungsaufgaben übernehmen wollen oder Nachfolgen antreten. Viele äußern zwar im Verein mitzuhelfen, wenn sie gebraucht werden, als Vorstand, Abteilungsleiter oder Trainer stehen sie allerdings nicht zur Verfügung. Eine seriöse und solide Jugendarbeit ist eine weitere Herausforderung. Vereine, die im Jugendbereich die verschiedenen Altersklassen mit ausreichend Spielern und guten Trainern und Betreuern besetzt haben, werden in Zukunft weiter Bestand haben. Darüber hinaus hat der BFV schon frühzeitig die Weichen für flexible Spielformen bei Junioren und Herrenmannschaften gestellt und in Spiel- und Jugendordnung festgelegt. Die Spielform 9:9 bei den nichtaufstiegsberechtigten Reservemannschaften ist dafür ein Beispiel. Die Zahl von bisher 396 Spielen in der Herbstrunde spricht eine deutliche Sprache. Der Erhalt, oder gar die Steigerung, der Spieler- und Mannschaftszahlen ist wohl die größte Herausforderung für die Zukunft. Hier müssen alle Beteiligten engagiert mithelfen. Ständig kritisieren was nicht läuft hilft niemandem, Lösungen suchen und finden wollen dagegen schon.

Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen ein frohes Fest und ein gesundes Jahr 2019.

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Hier geht's zum ersten Teil des Intervies mit Wolfgang Heyne (einfach klicken).

Aufrufe: 022.12.2018, 08:30 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor