2024-05-02T16:12:49.858Z

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Klasse Start: Sebastian Bösel (li.) und seine Kollegen vom 1. FC Saarbrücken stehen auf Platz zwei der 3. Liga.
Klasse Start: Sebastian Bösel (li.) und seine Kollegen vom 1. FC Saarbrücken stehen auf Platz zwei der 3. Liga. – Foto: Sven Leifer

Von einem Extrem ins andere - und glücklich in Saarbrücken

Über die SpVgg Bayern Hof in den Profifußball: Sebastian Bösel (26) im Interview

Der 1. FC Saarbrücken gehört bisher zu den positiven Überraschungen in der 3. Liga. Der Aufsteiger aus dem Saarland hat einen tollen Start hingelegt und grüßt derzeit von Tabellenplatz zwei. Seit Sommer steht auch der Oberfranke Sebastian Bösel beim ehemaligen Bundesligisten unter Vertrag. Warum der defensive Mittelfeldmann zuletzt ausgebremst wurde, ein Kulturschock nach seiner Zeit beim FC Bayern und was ihn mit der Heimat verbindet - FuPa hat mit dem 26-Jährigen gesprochen.

FuPa: Sebastian, seit über einem Monat bist du nicht mehr auf dem Platz gestanden. Was hat dich zuletzt außer Gefecht gesetzt?
Sebastian Bösel (26): Ich hatte mir einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zugezogen. Der Heilungsverlauf hat sich leider etwas in die Länge gezogen. Seit einigen Tagen bin ich aber wieder im Mannschaftstraining und rechne damit, dass ich nächste Woche wieder zum Kader gehören werde.

Das könnte ein paar Tage zu spät kommen. Schließlich steht am Sonntag das Heimspiel gegen deine alten Kollegen auf dem Programm...
Vielleicht klappt es ja auch schon am Wochenende zum Heimspiel gegen den FC Bayern II, mal sehen. Wenn`s nicht hinhaut, geht für mich auch keine Welt unter. Ohnehin würde ich jetzt nicht unbedingt von einer emotional außergewöhnlichen Partie sprechen, da mit Nico Feldhahn nur noch ein einziger aktiver Spieler aus meiner Zeit bei den Bayern dabei sein wird. Bei den zweiten Mannschaften ist das ganz normal, dass jedes Jahr durchgetauscht wird. Ein paar bekannte Gesichter aus dem Funktionsteam sind noch dabei. Ich freue mich darauf, die mal wieder zu sehen. Aber an dieser Stelle jetzt eine hochemotionale Geschichte zu stricken, das wäre des Guten zu viel.

Über den FC Bayern II schaffte Sebastian Bösel (vorne) den Sprung in den Profibereich.
Über den FC Bayern II schaffte Sebastian Bösel (vorne) den Sprung in den Profibereich. – Foto: Will

Wenn wir schon beim Thema sind: Gut zwei Jahre hast du im Epizentrum des deutschen Fußballs an der Säbener Straße verbracht. Wie blickst du auf diese Zeit zurück?
Natürlich war das eine besondere Erfahrung beim FCB. Seit Kindertagen bin ich Bayern-Fan. Am Anfang, als ich von der SpVgg Bayern Hof nach München kam, war alles super aufregend. Mit der Zeit wurde es Normalität. Obwohl ich ja "nur" in der zweiten Mannschaft gespielt habe, hast du bei jedem Auswärtsspiel gespürt: Jetzt kommt der FC Bayern, da waren die Stadien voll. Es war eine sehr lehrreiche Zeit. Und: Ich habe über die Bayern-Amateure den Sprung in den Profibereich geschafft, dafür bin ich auch sehr dankbar.

2017 bist du zum damaligen Drittligisten SG Sonnenhof Großaspach gewechselt. Größer hätten die Gegensätze kaum sein können: Vom Weltklub zum Dorfverein.
Großaspach war einzigartig. In vielerlei Hinsicht nicht mit anderen Profiklubs vergleichbar. Der Kraftraum zum Beispiel war so groß wie mein Kinderzimmer (lacht). Der Verein hat diese Dorfklub-Mentalität aktiv kultiviert, das war eine Art Alleinstellungsmerkmal. Alle halfen zusammen, dass Fußball auf diesem Niveau möglich war. Für mich war das allerdings nichts Neues, denn ich bin auf dem Dorf groß geworden. Das hatte natürlich auch Charme. Uns als Mannschaft hat das immer zusammengeschweißt und motiviert, wenn wir von der Konkurrenz oftmals nur milde belächelt und unterschätzt wurden.

Kommen wir zurück zum Hier und Jetzt: Hut ab, toller Start mit Saarbrücken - auch wenn`s zuletzt nicht mehr ganz so rund gelaufen ist.
Ich denke, wir können bisher sehr zufrieden sein. Wir zehren von unserem tollen Start im Moment. Die Liga ist super eng. Dass es bei dem steilen Programm auch mal schwächere Phasen gibt, ist doch ganz normal. Man muss sich immer auch die Umstände vor Augen führen: Aufgrund der Pandemie ging die Saison fast zwei Monate später los als gewohnt, trotzdem haben wir 38 Spiele zu absolvieren. Da kommt es uns zugute, dass wir breit aufgestellt sind.

Bei der SpVgg Bayern Hof konnte Sebastian Bösel (re.) auf sich aufmerksam machen.
Bei der SpVgg Bayern Hof konnte Sebastian Bösel (re.) auf sich aufmerksam machen. – Foto: Zink

Saarbrücken ist im Südwesten ein großer Traditionsverein. Dieses Jahr gelang der so ersehnte Sprung raus aus der Viertklassigkeit. Von außen betrachtet herrscht trotz der schwierigen Zeiten Aufbruchstimmung beim FCS. Täuscht der Eindruck?
Nein, das täuscht nicht. Ich würde sogar noch ein wenig weiter gehen. In der Stadt ist eine Euphorie um den Verein zu spüren. Die Jahre in der Regionalliga haben wehgetan. Wir schwimmen derzeit auf einer Welle. Ein neues Stadion entsteht gerade. Die 3. Liga ist schwierig, aber sportlich auch mega-interessant. Du hast zehn Teams, die um den Aufstieg mitspielen. Dann wiederum schlägt der Tabellenletzte Meppen ein Topteam wie Ingolstadt mit 2:0 - unberechenbar. Mir gefällt`s, ich bin glücklich hier in Saarbrücken.

Profifußball ist mit keinem normalen Job zu vergleichen, zu viele Unwägbarkeiten spielen mit rein. Eine Planung - zumal in diesen außergewöhnlichen Zeiten - ist schwierig. Setzt du rein auf die Karte Fußball oder hast du dir ein zweites Standbein geschaffen?
Ich habe damals beim FC Bayern II ein Angebot des Vereins wahrgenommen und an der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing eine Ausbildung für Sportmarketing absolviert. In Großaspach habe ich sogar in diesem Bereich gearbeitet. Ich habe also neben dem Fußball etwas in der Hand.

Zum Schluss noch ein kurzer Blick gen Heimat: Von der SpVgg Bayern Hof bist du einst in die "große weite" Fußballwelt ausgezogen. Hast du noch viel Kontakt zu den alten Kumpels auf der Grünen Au?
Nach Hof habe ich nur noch sehr wenig Kontakt. Die meisten meiner ehemaligen Mitspieler sind mittlerweile ja auch nicht mehr da. Es ist im Fußball schwierig, irgendwelche langfristigen Prognosen zu erstellen. Mit Anfang oder Mitte 30 habe ich aber schon vor, wieder in meine oberfränkische Heimat zurückzukehren. Und wer weiß, vielleicht laufe ich dann eines Tages auch wieder für meinen Heimatverein 1. FC Marktleuthen auf (lacht).

Das Interview führte Mathias Willmerdinger.

Aufrufe: 09.12.2020, 08:55 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor