2024-06-04T08:56:08.599Z

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In der Kritik standen nach dem deutschen WM-Aus sowohl Hansi Flick (l.) als auch Oliver Bierhoff. Nach Meinung einiger Trainer und Funktionäre hat der Nationaltrainer auch
 taktische und aufstellungstechnische Fehler gemacht, und der Rücktritt des Teammanagers sei schon längst überfällig gewesen.
In der Kritik standen nach dem deutschen WM-Aus sowohl Hansi Flick (l.) als auch Oliver Bierhoff. Nach Meinung einiger Trainer und Funktionäre hat der Nationaltrainer auch taktische und aufstellungstechnische Fehler gemacht, und der Rücktritt des Teammanagers sei schon längst überfällig gewesen. – Foto: Arne Dedert

WM-Debakel: Kritik an Trainer und Verband – Amateure beurteilen das Katar-Aus

„Sehe Müller nicht als Stürmer“

Was ist in Katar schiefgelaufen und was muss sich jetzt tun im deutschen Fußball? Wir beleuchten die wichtigsten Baustellen mit unseren „Experten“ aus dem Amateurfußball.

Würmtal – Am Sonntag um 16 Uhr stehen sich Argentinien und Frankreich im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft gegenüber. Für die deutsche Mannschaft hingegen ist das Turnier schon seit über zwei Wochen beendet. Woran hat es gelegen, dass die DFB-Elf nach nur drei Spielen wieder nach Hause mussten? Das sagen Amateurfußballer aus dem Kreis Würmtal.

Der Trainer

Bei großen Turnieren bestand das Land in den vergangenen Jahren sprichwörtlich aus 80 Millionen Bundestrainern. Bei dieser WM war das etwas anders, schließlich hatten viele im Vorfeld betont, sich aufgrund des Austragungsortes und des Zeitpunkts nur mäßig für das Turnier zu interessieren. Doch in den Debatten, die sich ums Sportliche drehten, musste auch Bundestrainer Hansi Flick einige Kritik einstecken: Falsche Aufstellung, falsche Wechsel, falsche Taktik. Trotzdem darf der Bundestrainer weitermachen, mindestens bis zur Heim-Europameisterschaft 2024. Hat er sich diese zweite Chance verdient?

Ja, findet Andreas Budell, Trainer des Kreisligisten SV Planegg-Krailling – auch wenn man Flick nicht gänzlich frei von Schuld sprechen dürfe. Der habe sich zu spät auf eine Stammelf festgelegt und mit einigen Personalexperimenten daneben gelegen. Budell sagt: „Süle im ersten Spiel als Rechtsverteidiger ist nicht notwendig, da er dies 2022 nicht einmal in der Nationalmannschaft gespielt hat. Auch sehe ich Müller nicht als Stürmer, da hätte er zumindest im dritten Spiel etwas ändern müssen.“

Bernd Ziehnert vom Kreisklassisten Gautinger SC war ebenfalls nicht mit allen Entscheidungen Flicks einverstanden. Auf die „Alten“ wie Müller und Gündogan hätte der Coach seiner Meinung nach verzichten sollen. Doch im deutschen Team stimmt es für ihn im wahrsten Sinne des Wortes hinten und vorne nicht. „Das Mittelfeld ist gut, aber in Abwehr und Sturm fehlen einfach gute Spieler.“

Auch Josip Hrgovic, bis vor wenigen Wochen noch Trainer und Sportlicher Leiter beim Bezirksligisten TSV Neuried, findet es richtig, dass der DFB an Flick festhält. Die Probleme des deutschen Fußballs gingen tiefer, dort fehlen ihm „Unterschiedsspieler und Stürmer“. Über die Zusammensetzung der Defensive war der Kroate allerdings durchaus verwundert. Für ihn ist Niklas Süle ebenfalls kein Rechtsverteidiger – und würde bei ihm „nicht einmal in der Mitte spielen“.

Sportdirektor, Management, Nachwuchs

Wenn es nicht vor allem am Trainer lag, woran dann? Für das große Ganze in erster Linie verantwortlich war in den vergangenen Jahren Oliver Bierhoff. Der 2004 als Teammanager zum Verband gestoßene Europameister von 1996 war zuletzt sowohl für die Männer-Nationalelf als auch für die Frauen und den Jugendbereich zuständig. Nach der WM trat er nun trotz laufenden Vertrags bis 2024 zurück – wohl nicht ganz freiwillig.

Für Andreas Gries, Sportlicher Leiter und Spieler beim Kreisligisten TSV Gräfelfing, war es die richtige Entscheidung. „Die Erfolge sind schon länger ausgeblieben, und neue Besen kehren bekanntlich gut.“

Auch Martin Trissler, Fußball-Abteilungsleiter beim TSV Neuried, findet die Trennung richtig. Er sagt außerdem: „Die Aufgaben waren zu vielfältig, um jeder Tätigkeit gerecht zu werden.“ Jetzt brauche es eine Trennung zwischen einem Sportdirektor, etwa Fredi Bobic, und einem Fachmann für den Akademie-/Nachwuchs-Bereich wie Ralf Rangnick. Gries könnte sich für die Sportdirektorrolle jemanden wie Matthias Sammer, aber auch einen Typen wie Bastian Schweinsteiger vorstellen. Der stünde darüber hinaus für Dinge, die dem aktuellen deutschen Team laut Gries fehlen. „Die Spieler müssen wieder stolz darauf sein, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. Und wir müssen im Nachwuchsbereich endlich wieder echte Führungsspieler entwickeln.“

Auch Michael Möhwald, spielender Abteilungsleiter beim TSV Pentenried, hofft auf Schweinsteiger oder alternativ Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm. Neben der Sieger-Mentalität vermisst er zurzeit auch das „Wir-Gefühl“. Schon bei den vergangenen Turnieren sei die Distanz zur Nationalmannschaft immer größer geworden.

Öffentliche Kommunikation und das Thema „One-Love“-Binde

Ein Punkt darf in der WM-Analyse natürlich nicht fehlen. In der Außendarstellung und Kommunikation ging einiges schief. Das Hin und Her um die „One-Love“-Kapitänsbinde, das Einlenken und schließlich die alternative Mund-zu-Geste kamen weder in der deutschen Öffentlichkeit noch international besonders gut an. Heinz Eckl, Spielleiter im Kreis Zugspitze, hält insgesamt nur wenig von der WM in der Wüste. Besonders genervt haben ihn aber all die Diskussionen. „Ich habe irgendwann bei der Berichterstattung rund um die Spiele den Fernseher ausgemacht. Ich hatte den Eindruck, dass alles Drumherum wichtiger war als Fußball“, sagt er. Er sieht in diesem Zusammenhang die Medien in der Pflicht, die Sportler wieder Sportler sein zu lassen. Von DFB-Präsident Bernd Neuendorf hätte er sich ein Machtwort gewünscht, anstatt das Thema immer weiter köcheln zu lassen. Außerdem habe der sich ja auch nicht vorzeitig darum gekümmert, ob die FIFA ihr Okay gibt oder nicht. Die Lehre daraus: „Solche Debatten darf es bei der EM 2024 nicht geben. Da soll es um den Sport gehen und nichts anderes.“ (Tobias Empl)

Aufrufe: 019.12.2022, 08:45 Uhr
Tobias EmplAutor