2024-06-17T07:46:28.129Z

Allgemeines
– Foto: Marvin Lamerz

Weh­mut in Wat­ten­scheid

Regionalliga West: Wie es mit der SG Wattenscheid 09 weitergehen wird, ist offen.

Am Sams­tag ka­men noch mal rich­tig vie­le in die Lohr­hei­de. 1400 Zu­schau­er sorg­ten laut Ver­eins-Home­page „für ei­ne groß­ar­ti­ge Ku­lis­se“ beim 3:0 der SG Wat­ten­scheid 09 im Re­gio­nal­li­ga­spiel ge­gen die Re­ser­ve von For­tu­na Düs­sel­dorf. Doch der ein­ma­li­ge Boom an den Ta­ges­kas­sen hat ei­nen trau­ri­gen Grund: Es steht schlicht­weg nicht fest, ob es noch ein wei­te­res Heim­spiel der Wat­ten­schei­der ge­ben wird.

Über das Ver­mö­gen des Ver­eins war am 1. Ok­to­ber ein In­sol­venz­ver­fah­ren er­öff­net wor­den. Bis „Mit­te der Wo­che“ wer­de es ei­ne „Pres­se­mit­tei­lung ge­ben, in der die Sach­la­ge dar­ge­stellt wird“, teil­te In­sol­venz­ver­wal­te­rin An­ja Com­man­deur mit. Den An­ga­ben zu­fol­ge wer­den kurz­fris­tig min­des­tens 135.000 Eu­ro be­nö­tigt, um den Spiel­be­trieb zu­min­dest bis zur Win­ter­pau­se auf­recht­er­hal­ten zu kön­nen.

Pas­siert al­so nicht noch ein Wun­der, könn­te es das end­gül­tig ge­we­sen sein mit der SG. Wat­ten­scheid kämpft seit Jah­ren um das fi­nan­zi­el­le Über­le­ben, erst in die­sem Som­mer war ein In­sol­venz­ver­fah­ren ab­ge­wen­det wor­den. Da­nach war dann aber Auf­sichts­rats­chef und Haupt-Geld­ge­ber Oguz­han Can zu­rück­ge­tre­ten. Aber ganz vor­bei? Das wä­re dann doch ein neu­er­li­cher Tief­schlag für al­le Fuß­ball-Ro­man­ti­ker. Wat­ten­scheid war nie ei­ne der ganz gro­ßen Num­mern, aber die Ge­schich­te vom Un­der­dog, vom Stadt­teil-Ver­ein mit sei­nem „Re­tro-Sta­di­on“, der so­gar mal die Bay­ern schlug, die ließ sich über die SG er­zäh­len. Und jetzt, da es vor­bei sein könn­te, wird man­chem erst be­wusst, dass die SG ih­ren Platz in der deut­schen Fuß­ball­his­to­rie durch­aus in­ne hat.

Vier Jah­re lang spiel­te Wat­ten­scheid – seit der Ge­biets­re­form 1975 sind die heu­te knapp 72.000 Ein­woh­ner in Bo­chum ein­ge­mein­det – in der Bun­des­li­ga, zwi­schen 1990 und 1994. Tex­til-Mä­zen Klaus Steil­mann mach­te es fi­nan­zi­ell mög­lich, spä­ter wur­de Toch­ter Brit­ta die ers­te Ma­na­ge­rin im deut­schen Pro­fi­fuß­ball. Uli Ho­en­eß be­zeich­ne­te Wat­ten­scheid mal als „das Schlimms­te, was der Bun­des­li­ga pas­sie­ren konn­te“. Zwei­mal im­mer­hin ver­lo­ren Ho­en­eß’ Bay­ern bei der grau­en Maus. Und der Rest der Li­ga fand Wat­ten­scheid gar nicht so schlimm. Han­nes Bon­gartz war da­mals Trai­ner in der Lohr­hei­de. Er ge­hör­te zum Wat­ten­scheid-Bild die­ser Zeit wie die Vie­rer­ket­te, die die Mann­schaft als ei­ne der ers­ten in der Bun­des­li­ga um­setz­te.

Und auch wenn es nach 1994 wie­der run­ter ging, erst noch ein paar Jah­re in die 2. Li­ga und schließ­lich 2010 so­gar hin­ab bis in die sechst­klas­si­ge West­fa­len­li­ga, blei­ben doch gleich meh­re­re Spie­ler hän­gen, die mal das Wat­ten­schei­der Tri­kot tru­gen. Sou­le­man „Sa­my“ Sané, bei­spiels­wei­se, blitz­schnell und Va­ter ei­nes ge­wis­ses Le­roy Sané, der in der SG-Ju­gend groß wur­de. Oder die Alt­in­top-Brü­der Ha­mit und Ha­lil. Mar­cel Wi­tec­zek spiel­te in der Lohr­hei­de ge­nau­so wie Yil­di­ray Bastürk, der viel zu früh ver­stor­be­ne Mau­rice Ba­nach, Thors­ten Fink, Mi­cha­el Preetz oder Marek Les­ni­ak.

Ein letz­tes me­dia­les Auf­bäu­men ge­lang dem Ver­ein, als er im Früh­jahr Tau­send­sas­sa Pe­ter Neur­u­rer als Sport­li­chen Lei­ter vor­stel­len konn­te. Der Mann mit dem schnel­len Mund­werk blieb aber nur fünf Mo­na­te. „Ich ver­spre­che mir über­haupt nichts. Ich ha­be die Hoff­nung, dass wir Wat­ten­scheid wie­der da­hin brin­gen, wo es mal war“, sag­te Neur­u­rer An­fang Ju­ni im In­ter­view mit un­se­rer Re­dak­ti­on. Das schaff­te Neur­u­rer nicht. Aber er ver­sah die SG 09 im­mer­hin mit ei­ner wei­te­ren An­ek­do­te. Viel­leicht der letz­ten.

Aufrufe: 023.10.2019, 11:45 Uhr
RP / Stefan KlüttermannAutor