2024-05-02T16:12:49.858Z

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Hansi Flick im Interview zur U19-Europameisterschaft. Foto:dme
Hansi Flick im Interview zur U19-Europameisterschaft. Foto:dme

U19 EURO: "Den deutschen Fans muss nicht bange sein"

DFB-Sportdirektor Hansi Flick vor der U19-Europameisterschaft im Interview

Interview Der DFB-Sportdirektor Hans-Dieter Flick spricht über die bevorstehende U19-EM, neue Wege in der deutschen Nachwuchsarbeit mit dem vermehrten Einsatz von Spezialtrainern, die internationale Konkurrenz und die Perspektive des Ex-Stuttgarters Arianit Ferati.

Hans-Dieter Flick weiß, dass die U19-Europameisterschaft in Baden-Württemberg alles andere als ein Selbstläufer für den deutschen Nachwuchsfußballer wird. Schon die Gruppenphase wird schwierig, sagt der DFB-Sportdirektor, aber: 'Das Finale zu erreichen, wäre eine schöne Sache.'

Herr Flick, die Fußball-EM in Frankreich geht in die heiße Phase, und der langjährige Co-Trainer der Nationalmannschaft sitzt in Frankfurt am Schreibtisch. Wie sehr schmerzt es Sie, nicht mehr dabei zu sein?

Das Elfmeterschießen gegen Italien auf der Tribüne mitzuerleben hat mir gereicht (lacht). Das war schon brutal.

Das heißt, Sie sind immer noch nah an der Mannschaft dran.

Das erste Spiel gegen die Ukraine habe ich zu Hause mit Freunden und der Familie vor dem Fernseher verfolgt. Da wurde mir aber zu viel reingeredet. Also habe ich beschlossen, die restlichen Spiele direkt vor Ort in Frankreich anzuschauen. Aber um auf Ihre Eingangsfrage zurückzukommen: Ich bin sehr gerne Sportdirektor beim DFB. Mir fehlt der Nervenkitzel auf der Bank, den ich ja bei vier Turnieren hautnah miterlebt ­habe, nicht.

Jetzt haben Sie mit der am Montag beginnenden U-19-EM eine andere große Aufgabe vor der Brust.

Und die ist nicht minder spannend. Die Vorfreude bei allen Beteiligten ist riesig.

Trauen Sie den Junioren ähnliche Erfolge zu wie der A-Nationalmannschaft?

In Frankreich galten wir schon im Vorfeld für viele als großer Favorit. Diese Bürde wollen wir unseren Junioren nicht auflasten. Auch weil wir wissen, dass das Niveau bei einer solchen Europameisterschaft sehr ausgeglichen ist. Das Finale zu erreichen, wäre eine schöne Sache.

Wen haben Sie auf der Rechnung?

Die Österreicher sind im Jugendbereich traditionell sehr stark - vor allem, wenn sie auf Deutschland treffen. Auch Italien und Portugal muss man immer auf der Rechnung haben. In der Gruppe B kämpfen Frankreich, die Niederlande, England und Kroatien ums Weiterkommen. Man sieht: bei dieser EM gibt es keine leichte Gruppe.

Beim Auftaktspiel in Stuttgart (Anm.: 11.07., 12 Uhr im Liveticker) gegen Italien wird mit 54 000 Zuschauern ein neuer Rekord für ein Jugend-Länderspiel aufgestellt werden. Ist eine solche Kulisse nicht Wahnsinn für 18- oder 19-Jährige, die sonst oft nur vor ein paar Hundert Zuschauern spielen?

Ich denke, dass es eine tolle Erfahrung für unsere Talente sein wird. Diese Begegnung wird ihren Erfahrungsschatz auf alle Fälle erweitern. Und letztlich sind es doch die Spiele, für die man eine Karriere als Fußballer anstrebt.

Wo steht der deutsche Jugendfußball momentan im internationalen Vergleich?

Wir sind nach wie vor sehr gut aufgestellt. Was letztlich ein Verdienst der Vereine ist, die allesamt eine hervorragende Jugendarbeit leisten und viel in die frühzeitige Ausbildung der Talente investieren. Wir werden jedenfalls in ganz Europa für unsere Nachwuchsarbeit bestaunt.

Der VfB Stuttgart war, national betrachtet, lange Zeit führend auf diesem Feld, wurde irgendwann aber von anderen abgehängt. Was unternimmt der DFB, damit er nicht dasselbe Schicksal erleidet?

Wir haben ständig die Augen offen und orientieren uns auch an der internationalen Konkurrenz - nicht nur im Fußball, sondern auch in anderen Sportarten. Wir richten unseren Blick sogar auf verschiedene Wirtschaftsbereiche, um uns weiterzuentwickeln.

Wo gibt es aktuell noch Nachholbedarf?

Am ehesten im Bereich der Trainerausbildung. Unser Ziel muss es sein, dass noch mehr deutsche Trainer in den besten Ligen der Welt arbeiten. Jürgen Klopp ist ein gutes Beispiel.

Was ist vor diesem Hintergrund von der künftigen DFB-Akademie zu erwarten?

Es wurde ja schon vom Palo Alto des Fußballs geschrieben. So weit will ich nicht gehen, schließlich spielen wir immer noch Fußball und betreiben keine Wissenschaft.

Aber?

Natürlich müssen auch wir mit der Zeit gehen. Kürzlich war ich mit Oliver Bierhoff in den USA. Wir haben Vereine im Baseball, Basketball und Eishockey und deren Trainingsmethoden unter die Lupe genommen. Die technischen Möglichkeiten dort, um Trainingsinhalte aufzuzeichnen oder einzelne Parameter zu messen, sind scheinbar grenzenlos. Dort sehe ich für unsere DFB-Akademie noch viele Möglichkeiten. Oder, was viel Naheliegenderes: die Arbeit mit Spezialtrainern. Im Fußball gibt es nur den Torwarttrainer. Warum soll es Spezialisten nicht auch für Stürmer oder Abwehrspieler geben? Solche Themen wollen wir ­angehen.

Die deutschen Talente von heute werden in Zukunft unweigerlich mit der aktuellen Weltmeistermannschaft von Brasilien verglichen. Ist die nächste goldene Generation schon im Anmarsch - oder gibt es die nur alle Jubeljahre?

Bei unserer aktuellen U-19-Mannschaft ist es noch zu früh, Vergleiche zu ziehen. Aber wir haben in Deutschland insgesamt sehr viele gute junge Spieler. Julian Weigl, ­Joshua Kimmich, Jonathan Tah, Julian Brandt, Niklas Süle, Max Meyer, Levin Öztunali, Davie Selke, Yannick Gerhardt, Leon Goretzka, um nur einige zu nennen. Den deutschen Fans muss vor der Zukunft nicht bange sein.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Arianit Ferati (der vom VfB an den Hamburger SV verkaufte 18-Jährige, der bei der EM verletzungsbedingt passen muss)?

Ich habe fußballerisch eine hohe Meinung von ihm. Manchmal ist eine Luftveränderung ja das Beste. Ich denke, dass sein künftiger Leihverein Fortuna Düsseldorf ein gutes Pflaster für den Jungen sein kann.

Das Gespräch führte Gregor Preiß.

Zur Person Hansi Flick

Hans-Dieter 'Hansi' Flick spielte für den FC Bayern (104 Einsätze zwischen 1985 und 1990) und den 1. FC Köln (44 Einsätze zwischen 1990 und 1993) in der Bundesliga. Als Trainer arbeitete er bei der TSG Hoffenheim und bei Red Bull Salzburg, ehe er 2006 Assistent des Bundestrainers Joachim Löw wurde. Seit 2014 ist er DFB-Sportdirektor mit Vertrag bis 2019. Privates Aufgewachsen ist der 51-Jährige in Neckargemünd-Mückenloch. Er wohnt mit seiner Familie in Bammental in der Kurpfalz, wo er nebenher auch ein Sportgeschäft betreibt.

Kader der deutschen U19-Nationalmannschaft für die EURO

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Aufrufe: 07.7.2016, 12:00 Uhr
Stuttgarter Zeitung / Gregor PreißAutor