Sofern sich an diesem Sonntagnachmittag jemand auf den Sportplatz in der Bad Bernecker Straße verlaufen und keine Ahnung hat, welche der beiden Mannschaften oben steht und welche in der Krise steckt: Ein Blick auf die Trainer kann Klarheit bringen. Michael Green, dessen SV Süd seit dem vierten Spieltag nicht mehr gewonnen hat, gibt im Stehen lautstark und meist unzufrieden Kommandos. In der gegenüberliegenden Coaching-Zone sitzt Ugur Cankaya meist seelenruhig da und wirkt beinahe wie ein unbeteiligter Zuschauer.
Er kann es sich leisten, denn es läuft bei Eyüp Sultan. Fünf Spiele hintereinander hat der Gastgeber nun gewonnen und auch wenn die hektischen ersten Minuten es noch nicht erahnen lassen: Das Team schwimmt auf einer Erfolgswelle. Und es ist dann auch wenig verwunderlich, dass einer der ersten gefährlichen Angriffe die Führung für Eyüp bringt: Kapitän Mehmet Ceylan flankt von rechts flach an den kurzen Pfosten, wo Goalgetter Faruk Özkan mit der Hacke vollendet (8. Spielminute). Es ist der bereits elfte Saisontreffer des Neuzugangs.
Mit der Führung im Rücken läuft für die Heimelf alles etwas leichter und die verunsichert wirkenden Gäste haben kaum klare Tormöglichkeiten. Erst nach der Pause wird Süd druckvoller und erspielt sich ein Übergewicht. Zu Toren kommt aber nur Sultan: Özkan, dem in der ersten Halbzeit wenig gelingt, hat auf dem rechten Flügel viel Zeit und findet in der Mitte Mehmet Ceylan (71.). Drei Minuten später trifft Ceylan erneut, diesmal per Kopf nach einer Freistoßflanke von Hakan Özyürek.
Und weil den Gästen trotz allen Bemühens bis in die Nachspielzeit nicht einmal der Ehrentreffer gelingt, hat Sultan-Trainer Cankaya diesmal doppelt Grund zur Freude: Neben dem sechsten Sieg in Folge gelingt es seinem Team zum ersten Mal in dieser Saison, ohne Gegentor zu bleiben. Dass die 22 Gegentore aus den ersten zehn Partien Cankaya wurmen, merkt man: „Es ist nicht schön, wenn du auf dem dritten Platz stehst und so viele Gegentore hast. Natürlich wollen wir uns da auch verbessern.“ Deshalb lobt der Coach nach dem Spiel nicht nur die Klasse seiner Offensivkräfte, sondern auch die „konsequente Abwehrleistung“.
Dass seine Angreifer mit nun 32 Toren die erfolgreichsten der Liga sind, ist die eine Sache, aber die Defensive soll nicht vernachlässigt werden: „Wenn du oben mitspielen willst, brauchst du eine kompakte Abwehr.“ Trainer Cankaya und sein Team schauen nach oben, aber vergessen hat er den Saisonstart noch nicht. Nur ein Sieg und ein Remis standen nach fünf Spielen zu Buche, aber das kann der Trainer erklären: „Hauptgrund war, dass wir uns als Mannschaft noch nicht ganz gefunden hatten.“ Jetzt scheinen die Neuzugänge integriert, und vor allem der neue Mittelstürmer macht seinem Trainer Freude. Die Torquote von Özkan, der von Tuspo kam, nennt Cankaya „phänomenal“. Aber er will dem 23-Jährigen auch den Druck nehmen: „Es werden bestimmt Spiele kommen, in denen er keine Tore macht.“ Im Gegenzug stellt der neue Stürmer die gute Saisonvorbereitung des Trainers heraus und findet zudem noch sehr lobende Worte für sein Team: „Ich bin noch nie in einer Mannschaft so gut aufgenommen worden.“ Seine eigene Leistung sieht Özkan dabei durchaus kritisch, er stellt allerdings auch fest: „Einen Stürmer misst man an seinen Toren.“ Und für Sultan sind die Torjägerqualitäten von Özkan bisher besonders wertvoll. Wann immer er ein Tor erzielen konnte, gewann seine Mannschaft auch das Spiel.
Zwanzig Tore hat sich Özkan vor der Saison vorgenommen, alles darüber, sagt er, wäre „brillant.“ Wenn er weiter so trifft wie bisher, ist für seinen Klub vielleicht noch mehr drin als der vor der Saison prognostizierte einstellige Tabellenplatz. Özkans Trainer korrigiert die vereinseigene Erwartungshaltung zunächst ganz vorsichtig nach oben: Für „die ersten fünf“ könnte es langen, meint Cankaya.
Dennoch: Auch ein so nüchterner Typ wie Ugur Cankaya scheint zumindest ein bisschen zu träumen: „Ich möchte dieses Wort nicht in meinen Mund nehmen, aber wenn du Dritter bist und gegen eine bessere Kreisligamannschaft wie Süd so überlegen gewonnen hast, ist mehr als ein einstelliger Tabellenplatz möglich“. Das Wort, das er meint, es heißt: Aufstieg.