2024-04-30T08:05:46.171Z

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Hier sitzt Michael Dörr, der sich aber sonst nur wenige Verschnaufpausen gönnt.	Foto: privat
Hier sitzt Michael Dörr, der sich aber sonst nur wenige Verschnaufpausen gönnt. Foto: privat

Seiten mit Fußballgeschichten könnte er füllen

PORTRÄT: +++ Michael Dörr lebt für seine Lieblingssportart +++ Nach 14 Jahren als Trainer hat der 52-Jährige den DFB-Stützpunkt in Alsfeld verlassen +++ Einige Talente entdeckt +++

ALSFELD. Michael Dörr lebt Fußball. Das ist in jeder Sekunde zu spüren. Und er könnte Seiten füllen. Füllen mit Geschichten, die der 52-Jährige in mittlerweile über 46 Jahren im Fußballgeschäft erlebt hat. Vor wenigen Wochen hat Dörr seine Tätigkeit als DFB-Stützpunkt-Trainer in Alsfeld beendet. Nach 14 Jahren. Seit der Gründung des Stützpunktes im Jahr 2002 war Dörr dabei und blickt daher wehmütig zurück. ,,Ich habe mir die Entscheidung logischerweise nicht leicht gemacht. Nach einer derart langen Zeit wächst einem eine solche Aufgabe natürlich ans Herz." Doch aus beruflichen und sportlichen Gründen hat er sein Engagement nun beendet, sein Arbeitsmittelpunkt liegt im Frankfurter Raum.

,,Mein Anspruch war es, aus jedem Spieler, der zu uns in den Stützpunkt kam, einen Nationalspieler zu machen", sagt Michael Dörr, der aber weiß: ,,Natürlich ist das nicht möglich, aber so muss die Herangehensweise sein. Ich wollte einfach jeden nach vorne bringen. Dabei war die Herkunft völlig gleichgültig, die Leidenschaft zum Fußball musste einfach da sein." Mit einem wunderbaren Beispiel verdeutlichte Dörr den Nachwuchskickern aber auch, wie weit der Weg zum Bundesligaprofi ist. ,,Ich sagte ihnen immer, da oben ist der Mond. Das ist der Bundesliga-Fußball, und wir stehen immer noch auf einem Fußballplatz in Alsfeld. Und dann gibt es schon welche, die in Cape Canaveral sind und in die Rakete einsteigen wollen. Aber selbst die haben noch einen weiten Weg zum Mond zurückzulegen." Über 500 Spieler hat Dörr in seinen 14 Jahren am DFB-Stützpunkt in Alsfeld trainiert, aktuell haben es beispielsweise Johanna Straube in das Frauen-Bundesligateam von Hessen Wetzlar geschafft und auch Johannes Bühler, der momentan noch für die U19-Junioren Hoffenheims spielt, steht kurz vor dem Abschluss eines Profivertrags.

,,Natürlich geht einem das Herz auf, wenn man sieht, dass es Jungs oder auch Mädels, die man mal trainiert hat, nach ganz oben schaffen. Als ich 2015 bei einer Trainer-Weiterbildung war, habe ich ein Spiel aus der türkischen Liga gesehen und dabei einen meiner ehemaligen Spieler entdeckt. Das ist schon großartig", freut sich Dörr. Auch Sebastian Rode, bekannt von der Frankfurter Eintracht und aktuell für Bayern München aktiv, hat Michael Dörr zu seiner Zeit bei den Offenbacher Kickers trainiert. Womit sich gewissermaßen ein Kreis schließt, denn aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Rhein-Main-Gebiet hat Dörr das Angebot angenommen, die U15-Junioren der Offenbacher Kickers zu trainieren. Die spielen aktuell in der Hessenliga. Und im Jugendbereich sieht der gebürtige Lehrbacher auch seinen Tätigkeitsbereich in fernerer Zukunft. Seniorenmannschaften im Gruppenliga- oder Verbandsligabereich interessieren ihn nicht. ,,Ich habe ja bereits in Aktivenmannschaften trainiert und mitunter auch gutes Geld verdient. Aber das ist bei Weitem nicht alles. Es ist einfach so, dass ich dort nicht den Fußball spielen lassen kann, den ich möchte. Dort wird oft nicht leistungsorientiert gearbeitet, was in Auswahlmannschaften oder auch hier bei der U15 des OFC anders ist", weiß Dörr.

Darauf, dass der Fußball im jugendlichen Alter nicht das einzige Ziel sein darf, verweist Dörr aber auch umgehend. ,,Die Schule ist das A und O. Ich lasse mir hier regelmäßig auch Zeugnisse zeigen. Ich habe die Möglichkeit, Schulbefreiungen zu geben. Wenn die Noten nicht dementsprechend sind, werde ich das aber nicht tun." Die Leidenschaft für den Jugendfußball hat bei Dörr sein Trainer Alfred Ullsperger beim SV Zell geweckt, wo er selbst in den 70er Jahren spielte. ,,Oftmals wurde früher ja einfach nur gekickt. Aber Alfred (Ullsperger) hatte immer einen Plan, hat damals schon engagiertes und anspruchsvolles Training gefordert. Er war zudem Betreuer, Manager und Organisator in einem. Das hat mich beeindruckt und dann später auch geprägt. Man kann schon sagen, dass er mein fußballerischer Ziehvater ist."

Einen Traum für die Zukunft hat der A-Lizenz-Inhaber, der gerne Städtetouren durch Europa oder auch Trips nach Amerika unternimmt, wenn er mal nicht auf dem Fußballplatz steht, aber doch noch. ,,Irgendwann ein Junioren-Bundesligateam zu trainieren, das wäre natürlich das größte Glück", so der 52-Jährige, der vor Jahren schon mal die Geschicke eines U17-Bundesligateams der Offenbacher Kickers geleitet hatte. Seine Tätigkeit als Lehrreferent und Mitglied der Prüfungskommission im Hessischen im Hessischen Fußball-Verband übt Dörr zudem weiterhin aus, mittlerweile schon seit über zehn Jahren. Über 250 Trainer hat er quer durchs Hessenland schon ausgebildet, zur Zeit hat er 25 Coaches, die die C-Lizenz erwerben möchten, in Frankfurt unter seinen Fittichen. Und auch im Sportkreis Alsfeld kommen rund 20 Trainer zusammen, die mit Michael Dörr ,,steil gehen mussten". Das sei praktisch die letzte der 120-stündigen Ausbildung, sagt Dörr augenzwinkernd.

Der Jugendfußball und die Lehrtätigkeit sind aber bei weitem nicht die einzigen Facetten, die Dörrs Leben zu bieten hat. Auch am ,,ganz großen Rad" hat er schon ein wenig mitgedreht. Bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war Dörr Assistent des Protokollchefs und als Transportmanager und in der Betreuung von FIFA-Gästen eingesetzt. Seiten könnte er damit füllen. Sei es mit Geschichten über den Erwerb des FIFA-Führerscheins oder über teure Seidenkrawatten-Geschenke des Schwiegervaters von Schauspieler Hugh Grant. Sei es mit einem Empfang in der bayrischen Staatskanzlei, als er mit seiner Bekleidung fälschlicherweise durch den Haupteingang ging und plötzlich mit Blaskapellenmusik empfangen und persönlich vorgestellt wurde. Oder von einem FIFA-Empfang, als er vis-á-vis in einem Saal mit allen noch lebenden Weltmeistern war. Und das ist nur ein Bruchteil, der geballten Weltfußballerlebnisse Dörrs. ,,Da war ich sechs Wochen am Stück nonstop für die FIFA unterwegs", gerät der 52-Jährige auch zehn Jahre danach noch ins Schwärmen. ,,Eigentlich hatte ich mir vorher als Ziel gesetzt, ein Spiel bei der WM im eigenen Land sehen zu wollen. Was dann kam, war natürlich der Wahnsinn." Auch zwei Jahre später war Dörr bei der EM in der Schweiz und Österreich offiziell tätig und kam unter anderem als Parkplatzeinweiser in Wien dann doch noch zu seinen lang ersehnten Besuchen im Stadion. Dank seiner Akkreditierungen auch noch kostenfrei und in nahezu alle Bereiche des Stadions. ,,Für einen Dorffußballer aus dem 350 Seelen-Örtchen Lehrbach waren das schon überragende Erlebnisse", sagt Dörr lachend.

Mit dem Gedanken gespielt, darüber ein Buch zu schreiben, habe er, erklärt Dörr mehr oder weniger im Spaß. Vielleicht noch nicht aktuell. Vielleicht in ein paar Jahren. Ganz verwerfen sollte er diesen Gedanken aber noch nicht. Er kann Zuhörer und sicher auch Leser in seinen Bann ziehen und mit seiner Leidenschaft für den Fußball begeistern. Er lebt eben den Fußball. Und da Michael Dörrs Geschichten Seiten füllen könnten, wäre ein Buch nur die logische Konsequenz.



Aufrufe: 015.3.2016, 22:30 Uhr
Marc Steinert (Oberhessische Zeitung)Autor