Rosenheimer Blaupause

Man kann die Geschichte auf zwei Arten erzählen. Man könnte behaupten, der TSV 1860 Rosenheim durchlebe derzeit eine handfeste Krise samt Pokalaus und Ladehemmung vor dem gegnerischen Tor. Schließlich bemüht sich die Schmidt-Elf schon seit rund 300 Pflichtspielminuten erfolglos um einen eigenen Treffer. Man könnte also bereits eine erste Psychoblockade bei den Sechzigern diagnostizieren. Damit würde man den Leistungen der Oberbayern im Kalenderjahr 2011 aber überhaupt nicht gerecht. Von Relegationsplatz 15 aus marschierte man unter Trainer Matthias Pongratz im Frühjahr noch auf Rang drei nach vorne. Da Pongratz den Trainerjob aus privaten Gründen nicht fortsetzen konnte, übernahm Marco Schmidt das erfolgreiche Team, das im Sommer keine größere Personalrotation zu verkraften hatte. Warum auch. "Man kann nicht bei einem Trainerwechsel ein Blaupapier drüber legen und zum neuen Coach sagen, mach bitte genau so weiter", erklärt Abteilungsleiter Hans Klinger. Er hätte auch sagen können, das war in diesem Fall gar nicht nötig.

Mit seiner professionellen Arbeitsauffassung und seiner Erfahrung in der Arbeit mit erfolgshungrigen Teams hat sich Marco Schmidt schnell eingelebt bei den Sechzigern. "Marco kommt sehr gut bei den Spielern an. Er macht einen richtig guten Job bei uns", lobt Klinger seinen Chefcoach, dessen Know-how noch im Sommer beim Bundesliga-Aufstieg der Unterhachinger U-17 gefragt war. Bei den Sechzigern knüpfte Schmidt mit seinem Team nahtlos an den Rosenheimer Rückrunden-Gipfelsturm der Vorsaison an. Ganz ohne Anlaufschwierigkeiten. So geräuschlos, als ob es nie einen Wechsel auf der TSV-Kommandobrücke gegeben hätte. "Wir waren in gewisser Weise schon a bissl erfolgsverwöhnt, nach der tollen Rückrunde unter Matthias Pongratz. Keiner von uns hat erwartet, dass wir gleich wieder ganz vorne mit dabei sein können", stimmt Klinger voller Stolz an. Nun sei es wichtig, die gute Ausgangsposition zu behalten. Bei aktuell zwölf Punkten Vorsprung auf einen Nicht-Direktqualifikationsplatz zur Regionalliga ist die eine realistische Absturzgefahr vorerst ohnehin nicht gegeben. Auch nicht, wenn man die 300-Minuten-Torflaute auf die Agenda hebt.

Klinger: »Man darf diese 300 Minuten nicht überbewerten.«

Das "torlose" 0:1 im Pokal gegen den Drittliga-Spitzenreiter Jahn Regensburg, als man in der Schlussphase selbst eine Riesenchance versiebte und Sekunden später von André Laurito den K.o. verpasst bekam. Geschenkt. Zuvor das 0:0 bei der seit mehr als einem Jahr zuhause ungeschlagenen SpVgg Bayern Hof im Bayernliga-Spitzenspiel. Geschenkt. Und zum krönenden Abschluss nach den Pokalstrapazen eine torlose Punkteteilung gegen einen konzentrierten FSV Erlangen-Bruck bei nasskaltem Regenwetter und einem derart tiefen Boden, der kein gepflegtes Spiel zuließ. "Man darf diese 300 Minuten nicht überbewerten. Sowohl Hof als auch Erlangen waren darauf ausgerichtet, erstmal kein Tor zu kassieren. Früher haben wir solche Spiele gegen einen SV Schalding-Heining, oder gegen eine SpVgg Bayreuth verloren. Da ist mir ein 0:0 bedeutend lieber", weiß Abteilungsleiter Klinger, der nebenbei aber auch verrät, dass sich diese Sturmflaute auf die Trainingsarbeit der Sechziger in dieser Woche ausgewirkt hat. Soll heißen, allzu große Sorgen braucht man sich vorm Match gegen den SV Seligenporten nicht machen um die Sechziger aus Rosenheim.