2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Sebastian Schulz. Foto: Lars Hartfelder
Sebastian Schulz. Foto: Lars Hartfelder

"Oberstes Ziel ist die Absicherung des Spielbetriebes"

Gespräch mit Sebastian Schulz, Vorsitzender des Fußballkreises Südbrandenburg

Sebastian Schulz ist seit rund 100 Tagen Vorsitzender des Fußballkreises Südbrandenburg, der sich immer noch im Wandel befindet. FuPa Brandenburg sprach mit dem 39-Jährigen über die Strukturprobleme, die Spielklassenreform, den umstrittenen Pokalmodus und das Spielen mit verringerter Spieleranzahl.

Herr Schulz, Sie sind etwa 100 Tage im Amt. Wie lautet Ihr erstes Fazit?
Die Zeit vergeht gefühlt sehr schnell, da, wie von mir angekündigt, viele Aufgaben zu erledigen sind bzw. waren und neue Dinge angeschoben werden müssen. Ehrlich gesagt habe ich seit der Übernahme des Vorsitzes einen völlig neuen Blickwinkel auf den Fußballsport bekommen und deren umfangreiche Organisation. Das eine ist die Sicht aus der Vereinsperspektive als Vorsitzender der SpVgg Finsterwalde, das andere der übergeordnete Blick aus Sicht des Fußballkreises, der mit zahlreichen Funktionären für seine Vereine jene notwendigen Aufgaben übernimmt, damit der Spielbetrieb gesichert ist und viele andere Dinge überhaupt funktionieren. Ich bin gegenwärtig immer noch dabei, alles kennenzulernen, die Abläufe zu verstehen und daraus Schlüsse für meine Arbeit zu ziehen.

Gegenwärtig holen wir im Vorstand und mit den Verantwortlichen der Ausschüsse das Zusammenwachsen nach, das, mit Erlaub, in der Zeit vor der Fusion und im ersten Jahr danach so nicht stattgefunden hat. In der konstruktiven Kommunikation untereinander bestanden erhebliche Defizite, die gezielt miteinander im Gespräch abgebaut wurden. Da bleiben wir weiter dran. Es geht nur gemeinsam. Niemand ist frei von Fehlern, auch ich nicht als Vorsitzender. Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß, gerade weil ich spüre, dass im Vorstand und alle anderen Verantwortlichen bereit sind, den Weg im Sinne eines vertrauensvollen Neuanfangs mitzugehen. An der einen oder anderen Stelle bitte ich um etwas Geduld, wenn wir nicht gleich Ergebnisse liefern können.

Der neue Fußballkreis befindet sich immer noch im Wandel bzw. sucht nach der richtigen Struktur. Im kommenden Spieljahr werden die Kreisligen verringert. Sind weitere Veränderungen geplant?
Die Umsetzung einer solchen Fusion dauert mindestens drei bis fünf Jahre. Das ist ein langfristiger Prozess, der zwischenzeitliche Korrekturen einschließt. Dazu gehört insbesondere die laufende Überprüfung der vorhandenen Spielstrukturen. Was den Spielbetrieb bei den Erwachsenen betrifft, und da schließe ich unsere Frauenkreisliga selbstverständlich mit ein, so müssen auch hier vorhandene Strukturen auf deren Akzeptanz bei den Vereinen und Zweckmäßigkeit überprüft werden. Oberstes Ziel ist die Absicherung des Spielbetriebes. Bei der Spielklassenreform befinden wir uns in einem Dilemma, weil in den Kreisligen nun längere Fahrtstrecken entstehen. Die Reduzierung war aber nötig, um die Spielfähigkeit der 2. Kreisklassen zu gewährleisten. Hier muss ein vernünftiger Kompromiss gefunden werden. Die Saison 2016/2017 wird uns neue Erkenntnisse bringen. Im Nachwuchs sind keine größeren Veränderungen geplant.

Apropos Verringerung: Wie ist der Stand zum Thema "Spielen mit verringerter Mannschaftsgröße"?
Spielen in verringerter Mannschaftsgröße, mithin die Einführung des "Norweger Modells", sind Ausdruck der Umsetzung des DFB-Masterplans, um aktuelle Herausforderungen, welche die demografische Entwicklung mit sich bringt, in unserem Fußballkreis umzusetzen. Der Spielbetrieb in der 2. Kreisklasse soll für die Vereine gesichert werden. Gegenwärtig nutzen fünf Vereine im Fußballkreis diese Ausnahmeregelung in der 2. Kreisklasse. Eine aktuelle Umfrage durch den Spielausschuss unter Leitung von Hagen Studier kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Vereine mehrheitlich für die Weiterführung mit einer Mindestspielerzahl von neun aussprechen. Auch das ständige Ein- und Auswechseln befürwortet die deutliche Mehrheit der Vereine, die sich an der Umfrage beteiligt haben.

Die Ausdehnung zwischen den einzelnen Spielorten ist enorm, von Golßen nach Prösen sind es beispielsweise 110 Kilometer. Wurden die Entfernungen unterschätzt? In anderen Bundesländern gibt es zum Beispiel für solche Härtefälle einen Reisekostenausgleich. Wäre so etwas auch im FK Südbrandenburg eine Option?
Flächenmäßig zählen wir neben anderen Kreisen tatsächlich zu den Größeren. Von der Anzahl der Fußballvereine liegen wir sogar an der Spitze im Landesverband. Die Anzahl der aktiven Spieler von ca. 10.300 führt uns aber nur auf Platz vier von acht Fußballkreisen. Ob Entfernungen unterschätzt wurden oder diese bisher nicht entsprechend berücksichtigt worden sind, kann ich gegenwärtig nicht abschließend beantworten. Bei den Entscheidungen zur aktuellen Spielklassenstruktur und deren Auswirkungen auf die Entfernungsproblematik war ich noch nicht in der Verantwortung. Was mögliche Reisekostenausgleiche betrifft, so können wir gerne einmal darüber im Vorstand und mit den Vereinen sprechen.

Die Nachwuchs-Hallenmeisterschaften wurden in diesem Jahr wieder als Futsal-Turniere gespielt. Weshalb gibt es diesen Wechsel?
Die Einführung von Futsal war die konsequente Umsetzung des DFB-Masterplans hinsichtlich neuer Spielangebote. Man mag über Futsal geteilter Meinung sein, aber es ist eine zwingende Vorgabe des DFB über den FLB als Landesverband, der mehr oder weniger erfolgreich diese Spielform in den vergangenen zwei Jahren an die Kreise herangebracht hat.

Der Fußballkreis hat mit den Hallenmeisterschaften im Nachwuchs einen enormen Aufwand betrieben. Wie fällt hier Ihr Fazit aus?
Insgesamt hat der Fußballkreis 28 Turniere durchgeführt. Mario Schicketanz hat mit seinen Mitstreitern vom Jugendausschuss in Zusammenarbeit mit den extra dafür geschulten Schiedsrichtern ganz hervorragende Arbeit geleistet. Deshalb geht unser Dank auch an unsere Schiedsrichter, die sich neben der normalen Fortbildung nunmehr auch mit den Futsal-Regeln vertraut machen mussten. Kritisch anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass es bei zwei Turnieren nun auch schon im Nachwuchsbereich zu Vorkommnissen gekommen ist, die dem Jugendsportgericht übergeben werden mussten. Hier müssen sich alle Beteiligten hinterfragen!

Ist eine Fortsetzung geplant?
Natürlich werden wir auch im nächsten Jahr wieder die Hallenkreismeisterschaft nach Futsal-Regeln ausrichten, sonst dürften wir das nicht als Fußballkreis. Kinder- und Jugendliche sollen Fußball spielen und dafür sind wir als Ausrichter da.

Weshalb gibt es keine Hallenkreismeisterschaften im Erwachsenenbereich?
Weil es eine offizielle Veranstaltung des Fußballkreises wäre und dabei laut FLB-Vorgaben zwingend nach Futsal-Regeln zu spielen ist. Da dies aber unsere Vereine im Erwachsenenbereich mehrheitlich ablehnen, gab es kein Turnier. Vielleicht sieht es in der nächsten Saison anders aus, denn so eine Meisterschaft hat ja auch etwas.

Noch ein paar Worte zum Frauenfußball. Die Kreisliga wird nur mit acht Mannschaften auf Kleinfeld gespielt, Tendenz weiter fallend. Bleibt der Frauenfußball in unserer Region eine Randerscheinung und was sind die Gründe dafür?
Die Situation war im ersten Jahr des neuen Kreises denkbar schlecht, da der Verantwortliche im Vorstand für den Frauen- und Mädchenfußball zurückgetreten war. Seitdem gab es keinen Verantwortlichen mehr in unserem Fußballkreis. Mit Kai Wesner haben wir nun seit vergangener Woche einen neuen Verantwortlichen gefunden, der diese wichtige Aufgabe im Spielausschuss übernommen hat und der nun die offenen Fragen wie Nachwuchsgewinnung, Stellenwert des Frauenfußballs im Fußballkreis und Interessenvertretung gegenüber dem FLB angehen kann.

Der derzeitige Pokal-Wettbewerb sorgt immer wieder für Diskussionen. Im Kreis spielen Landesklasse-Teams gegen Mannschaften aus der 2. Kreisklasse. Der sportliche Sinn ist hier fraglich. Soll dieser Modus bestehen bleiben oder sind eventuell Veränderungen geplant? Zum Beispiel gibt es im Bereich Senftenberg einen eigenen Pokal-Wettbewerb. . .
Der eigene Pokalwettbewerb im ehemaligen FK Senftenberg ist ein abenteuerliches Ergebnis aus den damals noch vorhandenen Kommunikationsproblemen innerhalb des Vorstandes. Was unseren derzeitigen offiziellen Pokalmodus anbetrifft, so wurde auch dieser in unsere Umfrage zum Ende des vergangenen Jahres einbezogen. Insbesondere die Frage nach einer Splittung des Wettbewerbes in einen mit den Mannschaften der Landesklasse, Kreisoberliga und Kreisliga sowie eines eigenständigen Pokals mit Teams der 1. und 2. Kreisklasse wurde mit 50:50 beantwortet. Da ist keine Tendenz erkennbar, bei der sich ein unmittelbares Handeln aufdrängt.

Ein Blick in die Zukunft: Was sind die größten Herausforderungen des Fußballkreises?
Die größte Herausforderung ist, dass wir im Vorstand unseren eingeschlagenen Weg weiter gemeinsam im vernünftigen Dialog beschreiten und dabei mögliche Fehler vorausschauend vermeiden. Dabei sind alle Funktionäre, denen ich an dieser Stelle für ihre Arbeit und ihren Einsatzwillen ausdrücklich danke, einzubeziehen. Jeder muss sich in seinem Handeln bewusst sein, dass wir verlorenes Vertrauen bei den Vereinen und auch teilweise gegenüber dem FLB weiter zurückgewinnen möchten, um als Dienstleister für den Fußballsport wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig möchten wir aktuellen Entwicklungen im Bereich neue Spielformen wie der Einführung des Norweger-Modells, dem Wiedereinwechseln oder Futsal nicht hinterherschauen, sondern es bedarfsgerecht umsetzen und mitgestalten.

Die Schiedsrichter nehmen im Fußball eine besondere Rolle ein und es wird immer schwieriger, Nachwuchs zu gewinnen. . .
Nirgendwo anders werden Entscheidungen und Fehlverhalten so direkt von vielen Beteiligten wahrgenommen und kritisiert. Wir brauchen aber unsere Schiedsrichter und hier sind alle Vereine aufgerufen, das im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen. Die Anzahl unserer Schiedsrichter und deren notwendige Qualifikation für die jeweiligen Spielklassen zu erhalten bzw. zu verbessern, ist definitiv eine Herausforderung. Die aktuelle Kampagne zur Gewinnung von neuen Schiedsrichtern soll dazu beitragen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wie würde der aussehen?

Ich wünsche mir, dass wir in unserem Fußballkreis zwischen allen Vereinen, Schiedsrichtern, Ausschüssen und natürlich im Vorstand selbst respektvoll miteinander umgehen und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Sachliche und konstruktive Diskussionen zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten sind erwünscht. Das Ergebnis für unseren Fußballkreis zählt – auch in der Außenwirkung!

Mit SEBASTIAN SCHULZ sprach Lars Hartfelder

Aufrufe: 01.2.2016, 10:15 Uhr
LR-Online.de/Lars HartfelderAutor