2024-04-30T13:48:59.170Z

Allgemeines
Willkommen in der Bezirksliga, Juri Judt: Eine Szene von einer völlig zufriedenstellenden Rückkehr an die Neusorgstraße. F: Zink
Willkommen in der Bezirksliga, Juri Judt: Eine Szene von einer völlig zufriedenstellenden Rückkehr an die Neusorgstraße. F: Zink

Juri Judt: Einfach wieder kicken mit den alten Kumpels

Nach seiner Profi-Karriere kehrt er zurück zu Bayern Kickers, hat beim Heimdebüt aber noch Anpassungsprobleme

Es ist eine Geschichte wie sie manch­mal nur der Fußball schreibt: Einst begann Juri Judt mit zehn Jahren bei den Bayern Kickers das Fußballspie­len, jetzt ist er wieder da. Dazwischen spielte Judt in Nachwuchs-National­mannschaften, bei der Spielvereini­gung Greuther Fürth und debütierte in der Bundesliga für den 1. FC Nürn­berg. Die Geschichte einer Rückkehr.
Es ist alles gleich. Genau wie da­mals: der Platz, der Verein, die Freun­de. Sogar der Aschenplatz ist noch da. Juri Judt steht am Spielfeldrand und muss schmunzeln. Keine Frage: Es ist eine verrückte Geschichte.

51 Minuten vorher: Bei Sonnen­schein ist gerade die Bezirksliga-Par­tie der Bayern Kickers gegen den ASV Zirndorf angepfiffen worden. Ein älte­rer Herr kommt an den Sportplatz in der Neusorgstraße und sagt zu seinem Begleiter: „Wir müssen schon ein biss­chen in die Mitte gehen, damit wir sehen, was der Juri Judt zusammen­bringt.“ Zu Beginn ist das wenig. Der promi­nente Winterneuzugang schleicht über den Platz, seine erste Aktion ist ein Foul. Beim Führungstor seines Teams bleibt Juri Judt so, wie man ihn kennt: still und zurückhaltend. So habe er sich auch in seinen ersten Trai­ningseinheiten gegeben, meint Alexej Braunagel. Der Mann, der Judt zu­rückholte.

Braunagel kommt erst später in die Partie, jetzt steht er am Spielfeldrand und erzählt: „Als Juri damals in der Jugend zu Fürth ging, haben wir gesagt: Wenn du mal kein Profi mehr bist, kommst du zurück. Ich dachte immer, dass ist nur ein Spaß.“ Brauna­gel hat sich getäuscht. Schlimm findet er das nicht. „Wir sind froh, dass er da ist“, sagt er. Die Initiative zum Wechsel ging von Judt selbst aus. Der Kontakt zu Braun­agel riss nie ab, im Winter schrieb Judt seinen Kumpel an und fragte, ob er nicht Lust hätte, mal wieder zu kicken. Braunagel nahm Judt ins Trai­ning mit, dann war die Entscheidung schnell gefallen: „Er wollte einfach wieder kicken und das mit seinen Kumpels“, erklärt Braunagel. In der D-Jugend ging Juri Judt zur Spielvereinigung Greuther Fürth und arbeitete sich gemeinsam mit seinem Entdecker und Förderer Heinz Höher hoch bis in die Bundesliga zum 1. FC Nürnberg. Dort reifte er zum Stamm­spieler, wechselte aber mehrere Verlet­zungen später zu RB Leipzig, damals noch ein Regionalligist. Es folgten Sta­tionen in Saarbrücken, Erfurt und Seligenporten.

Und jetzt nach einem halben Jahr Pause: der Heimatverein. Nach einer halben Stunde gibt es Tumulte. Wegen Juri Judt. Mit gestrecktem Bein geht er in den Zweikampf, die Zirndorfer sind erzürnt und fordern mehr als nur eine Gelbe Karte. Ein Anhänger des Gegners beleidigt Judt wegen seiner Herkunft, Judt läuft an den Seitenrand, er sagt nichts, aber sein Blick sagt alles. Mitspieler halten ihn zurück. „In England hätte man weitergespielt, aber es hat schon ge­klappert“, sagt Achim Mletzko.

Es ist Halbzeit, die Gemüter sind beruhigt, der Sportvorstand sitzt auf einer Bierbank. „Juri hat sein jahrzehntealtes Versprechen eingelöst“, sagt er. Ein Lächeln umspielt seine Lippen. „Der Transfer ist natürlich eine Motivation“, meint Mletzko. Für ihn ist die große Frage: „Gelingt es unserer Mannschaft, Juris Profi-Niveau zu erreichen oder passt er sich unserem an?“

Den Mitgliedsbeitrag bar dabei

Kurz nach der Pause schreit Trainer Jasmin Halilic: „Juri, dirigier!“. Lan­ge dirigieren wird Juri aber nicht mehr. In der 51. Minute beendet ein Foul seinen ersten Startelf-Einsatz. Ohne große Proteste akzeptiert Judt die Gelb-Rote Karte, zieht auf der Bank seine Jacke an und schaut zu. Geht der Platzverweis in Ordnung? „Ja“, meint Judt. „Wenn es der Schiri sagt, dann ist es immer richtig.“ Judt lächelt süffisant. Den Umgang mit Medien kennt er: Judt ist immer freundlich, viel preis gibt er aber nicht. Die 51 Minuten gegen Zirndorf sei­en anstrengend gewesen, nach der Pause müsse er sich erst einmal wie­der reinkommen. „Ich habe es ver­misst, Fußball zu spielen“, erklärt Judt. Das Niveau sei okay. „Ich habe es mir schlimmer vorgestellt“, sagt er. Priorität in Judts Leben genießen jetzt Ausbildung und Familie. Seit sieben Monaten ist er Azubi im Landes­amt für Statistik in Fürth.

Fast zeitgleich spielt am Sonntag der Club im Frankenstadion. Juri Judt steht auf dem Sportplatz der Bay­ern Kickers. Wehmut? „Nein, über­haupt nicht. Es ging einfach vom Kör­per nicht mehr. Früher dachte ich immer, es sei ein Gerücht, dass im Alter alles weh tut, aber leider ist es wirklich so“, meint Judt. Während seiner Profi-Laufbahn hat er immer die Lage bei den Kickers ver­folgt. „Manchmal hat er zu seinen Club-Zeiten zugeschaut. Vermummt, damit ihn niemand erkennt“, sagt Schul- und Fußball-Kumpel Brauna­gel. Darauf angesprochen schmunzelt Judt und weicht aus: „Na ja, so oft habe ich nicht mehr zugeschaut“.

Sportvorstand Mletzko weicht nicht aus, wenn sich die Frage nach dem Saisonziel stellt: der Relegations­platz, sagt er. Trainer Jasmin Halilic ist da vorsichtiger: „Uns fehlen einige wichtige Spieler.“ In der Mannschaft sei die Verpflichtung von Judt gar kein so großes Thema gewesen. „Als Juri zurückgekommen ist“, erzählt Halilic, „hatte er seinen Mitgliedsbei­trag bar in der Hand dabei“. Genau wie damals. Star-Allüren waren Juri Judt schon immer fremd, er ist jetzt wieder ein ganz normaler Bezirksliga-Spieler.

Aufrufe: 013.3.2017, 10:11 Uhr
Bastian MühlingAutor