2024-05-02T16:12:49.858Z

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Foto: Getty Images
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"Ich möch­te den HSV wie­der nach vorn brin­gen"

Der Ex-Na­tio­nal­spie­ler und ge­bür­ti­ge Glad­ba­cher kan­di­diert am Sams­tag für das Prä­si­den­ten­amt in Ham­burg. War­um tut er sich das an?

Als Mar­cell Jan­sen mit 29 Jah­ren sei­ne Fuß­ball-Kar­rie­re be­en­de­te, da sorg­te das für Un­ver­ständ­nis. Doch Jan­sen hat­te an­de­re Plä­ne. Der heu­te 33-Jäh­ri­ge ver­sucht mit In­ves­ti­tio­nen in Start-ups, sich ei­ne Kar­rie­re nach der Kar­rie­re auf­zu­bau­en. Er geht da­bei vor wie auf dem Platz als Links­ver­tei­di­ger: Mit Of­fen­siv­drang, aber de­fen­si­ver Grund­aus­rich­tung. Dem Fuß­ball bleibt er den­noch treu – und will nun Prä­si­dent des HSV wer­den.

Un­ter ei­nem Prä­si­den­ten bei ei­nem Fuß­ball-Ver­ein ha­ben wir uns im­mer eher ei­nen et­was äl­te­ren Mann vor­ge­stellt, der nach ei­ner lan­gen Kar­rie­re noch ein­mal ein biss­chen mit­mi­schen will. Sind Sie mit 33 nicht zu jung für den Pos­ten?

JAN­SEN | Aus mei­ner Sicht soll­te das Al­ter kei­ne Rol­le spie­len, viel wich­ti­ger ist, dass ich seit elf Jah­ren im Ver­ein bin und in der Zeit im­mer mehr zu der Über­zeu­gung ge­langt bin, dass der sein vol­les Po­ten­zi­al nicht aus­spielt.

Wor­an liegt das?

JAN­SEN | Sa­gen wir mal so: Wenn ich bei mei­ner Ana­ly­se zu dem Er­geb­nis ge­langt wä­re, dass ein Prä­si­dent schwer­punkt­mä­ßig vor al­lem Wirt­schafts­kom­pe­tenz braucht, hät­te ich mich nicht be­wor­ben. Das Ver­hält­nis zwi­schen Wirt­schafts- und Sport­kom­pe­tenz stimmt beim HSV seit Jah­ren nicht.

In­wie­fern?

JAN­SEN | Ein Bei­spiel: Der jet­zi­ge Auf­sichts­rat macht ei­nen gu­ten Job, im sechs­köp­fi­gen Gre­mi­um bin ich al­ler­dings der ein­zi­ge ehe­ma­li­ge Pro­fi­sport­ler, al­le an­de­ren kom­men aus der Wirt­schaft. Im ge­sam­ten Ver­ein muss in ver­schie­de­nen Gre­mi­en die Sport­kom­pe­tenz nach oben kor­ri­giert wer­den. Der Ver­ein braucht mehr Ba­lan­ce. Bo­rus­sia Dort­mund hat mit Hans-Joa­chim Watz­ke auch ei­nen Mann aus der Wirt­schaft an der Spit­ze – aber da­ne­ben gibt es eben auch noch die Ex-Spie­ler Mi­cha­el Zorc, Mat­thi­as Sam­mer und Se­bas­ti­an Kehl.

Als Prä­si­dent hät­ten Sie maß­geb­li­chen Ein­fluss im Auf­sichts­rat. Stel­len Sie sich des­we­gen am 19. Ja­nu­ar zur Wahl?

JAN­SEN | Ich möch­te den Ver­ein wie­der nach vor­ne brin­gen – und da­bei geht es nicht nur um das Ziel Rück­kehr in die Bun­des­li­ga im Fuß­ball. Ich möch­te auch die Spit­zen­sport­ler im Ama­teur­be­reich för­dern, all je­ne, die aus Lei­den­schaft so viel Frei­zeit und Ehr­geiz in ei­ne Sport­art ste­cken. Da­für will ich mein Netz­werk nut­zen, Spon­so­ren an Land zie­hen, da­mit der Ama­teur-Be­reich nicht nur von Mit­glieds­bei­trä­gen le­ben muss.

In der Ver­gan­gen­heit wur­de spe­zi­ell der Ein­satz von In­ves­tor Klaus-Mi­cha­el Küh­ne im­mer sehr kri­tisch ge­se­hen.

JAN­SEN | Ich ha­be schon als Spie­ler ei­nen gu­ten Kon­takt zu Herrn Küh­ne ge­habt, aber er kennt auch mei­ne Über­zeu­gung: Die Vi­si­on und die Iden­ti­tät müs­sen aus dem Ver­ein selbst kom­men und nicht von au­ßen.

Wirt­schafts­kom­pe­tenz ha­ben Sie sich in­zwi­schen auch an­ge­eig­net. Seit dem En­de Ih­rer Kar­rie­re sind Sie als Un­ter­neh­mer ak­tiv. Wie viel hat Ih­nen das, was Sie als Fuß­ball-Pro­fi in 242 Bun­des­li­ga-Spie­len und 46 Län­der­spie­len ge­lernt ha­ben, bei Ih­rem jet­zi­gen Le­ben ge­hol­fen?

JAN­SEN | (über­legt lan­ge) Man hat na­tür­lich ei­nen rie­si­gen Vor­teil: Wenn ich nach den Spie­len in den VIP-Be­reich im Sta­di­on ge­gan­gen bin, sa­ßen dort fast nur Un­ter­neh­mer und woll­ten mit uns über Fuß­ball spre­chen. Ir­gend­wann ha­be ich an­ge­fan­gen, Ge­gen­fra­gen zu stel­len. So ha­be ich Sa­chen ge­lernt, über die ich vor­her nie nach­ge­dacht hät­te.

Sie ha­ben mit Ih­rer Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft in ein Sa­ni­täts­haus, ei­ne Pa­tis­se­rie, ei­ne Beach-Sport-An­la­ge und ei­nen La­den für ge­sun­des Es­sen am Flug­ha­fen Köln-Bonn in­ves­tiert. Wie ge­nau passt das al­les zu­sam­men?

JAN­SEN | Ich ver­su­che, mein Geld in Be­rei­chen zu in­ves­tie­ren, in de­nen ich mich aus­ken­ne – und das sind nun mal Sport, Life­style und Ge­sund­heit. Ein Bei­spiel: Als Na­tio­nal­spie­ler hat­te ich die Te­le­fon­num­mern der bes­ten Ärz­te, per­fek­te Ein­la­gen für mei­ne Schu­he und die neus­ten Kom­pres­si­ons­strümp­fe. Aber na­tür­lich ha­be ich in mei­nem pri­va­ten Um­feld er­lebt, dass es nor­ma­ler­wei­se an­ders läuft. Al­so ha­be ich mich ge­fragt: Kann man die­se Din­ge nicht al­len zu­gäng­lich ma­chen? So ist die Idee zu un­se­rem Life­style-Sa­ni­täts­haus S‘Ta­tics ent­stan­den.

Ha­ben Sie schon wäh­rend Ih­rer ak­ti­ven Zeit mit Mit­spie­lern über sol­che Ide­en ge­spro­chen? Im­mer­hin gibt es ja ei­ne gan­ze Rei­he Ex-Na­tio­nal­spie­ler, die un­ter­neh­me­risch tä­tig sind, zum Bei­spiel Si­mon Rol­fes und Phil­ipp Lahm.

JAN­SEN | Mit ei­ni­gen Kol­le­gen ha­be ich mich na­tür­lich im­mer mal aus­ge­tauscht. Auch Phil­ipp, Si­mon oder bei­spiels­wei­se auch René Ad­ler in­ter­es­sie­ren sich ja da­für, was die Welt jen­seits des Fuß­balls noch zu bie­ten hat.

Aber ein Bun­des­li­ga-Un­ter­neh­mer-Netz­werk gibt es noch nicht?

JAN­SEN | Bis­lang nicht. Ich bin al­ler­dings of­fen da­für, mich mit Ex-Spie­lern und Köp­fen aus dem Fuß­ball zu­sam­men­zu­set­zen und ei­ne Art Com­mu­ni­ty zu grün­den. Es gibt ja mitt­ler­wei­le meh­re­re Fuß­bal­ler, die sich schon wäh­rend der Kar­rie­re mit The­men nach der Kar­rie­re be­fas­sen. Das ist su­per.

War das Kar­rie­re­en­de für Sie wie die Rück­kehr aus ei­ner Par­al­lel­welt, wo in­zwi­schen ja mit Sum­men han­tiert wird, die für vie­le Men­schen aber­wit­zig klin­gen?

JAN­SEN | Na­tür­lich ist man pri­vi­le­giert als Bun­des­li­ga-Spie­ler und ver­dient gu­tes Geld. Aber ich ha­be auch nie ver­ges­sen, wo ich her­kom­me. Mei­ne Mut­ter hat bei Al­di im La­ger ge­ar­bei­tet, mein Va­ter bei Kai­ser’s Ten­gel­mann. Da kennt man das nor­ma­le Le­ben. Und des­halb denkt man na­tür­lich auch als Pro­fi dar­über nach, wie es nach dem Fuß­ball wei­ter­geht. Die Welt da drau­ßen war­tet ja nicht auf uns Pro­fi-Fuß­bal­ler, da rollt uns nie­mand den ro­ten Tep­pich aus, wenn wir un­se­re Kar­rie­re be­en­den.

Sie ha­ben bei Bo­rus­sia Mön­chen­glad­bach, Bay­ern Mün­chen und dem Ham­bur­ger SV Mil­lio­nen ver­dient. Der frü­he­re Fuß­ball-Star Ge­or­ge Best hat mal ge­sagt: „Ich ha­be viel von mei­nem Geld für Al­ko­hol, Wei­ber und schnel­le Au­tos aus­ge­ge­ben. Den Rest ha­be ich ein­fach ver­prasst.“ Wie war das bei Ih­nen?

JAN­SEN | (lacht) So schlimm war es nicht. Aber na­tür­lich ha­be ich mir auch mal was ge­gönnt, ei­ne schi­cke Uhr oder ei­ne Rei­se. Aber Sie dür­fen auch eins nicht ver­ges­sen...

...und zwar?

JAN­SEN | Als pro­mi­nen­ter Fuß­bal­ler be­kommt man auch vie­le Sa­chen ein­fach so, man lebt ja in ei­ner Sei­fen­bla­se. Wenn uns ei­ne Fir­ma ein Au­to oder Kla­mot­ten stellt, wie­so soll ich da­für selbst Geld be­zah­len? Und oft fehl­te auch ein­fach die Zeit zum Geld aus­ge­ben: Man ist als Pro­fi ja nur im Ho­tel oder auf dem Trai­nings­platz und hat zwei Wo­chen Ur­laub im Jahr. Mir war im­mer wich­tig, dass al­les im Rah­men bleibt. Wenn ich all das nicht hät­te, wä­re ich trotz­dem glück­lich. Und ich ken­ne ja auch noch die an­de­ren Zei­ten.

In­wie­fern?

JAN­SEN | Ich weiß ja, wie hart mei­ne El­tern ar­bei­ten muss­ten, um zur so­ge­nann­ten Mit­tel­schicht zu ge­hö­ren, mit ei­nem Au­to und ei­ner Wasch­ma­schi­ne, die bes­ser nicht ka­putt ge­hen dür­fen, da­mit man ein­mal im Jahr nach Spa­ni­en oder in die Tür­kei in den Ur­laub fah­ren kann. In­so­fern sind die Sum­men, um die es im Fuß­ball geht, na­tür­lich auch für mei­ne El­tern nicht nor­mal.

Muss man sich Ih­ren All­tag dann in­zwi­schen als klas­si­schen Bü­ro­job vor­stel­len?

JAN­SEN | Ich ha­be mir schon selbst ei­nen Ab­lauf ge­ge­ben. In der Re­gel bin ich mor­gens ab neun Uhr bei uns im Bü­ro in der Ham­bur­ger In­nen­stadt.

Soll­ten Sie ge­wählt wer­den, könn­ten Sie als Prä­si­dent so­fort die Rück­kehr des HSV in die Bun­des­li­ga fei­ern. Nach 18 Spiel­ta­gen ist Ihr Ver­ein Ta­bel­len­füh­rer. Klappt der Wie­der­auf­stieg denn auch?

JAN­SEN | Ab­war­ten. Ich fin­de, der Ka­der hat die rich­ti­ge Men­ta­li­tät, auch un­ser Sport­chef Ralf Be­cker und un­ser Trai­ner Han­nes Wolf ma­chen ei­nen gu­ten Job. Noch sind wir je­doch nicht auf dem Le­vel, das wir er­rei­chen müs­sen. Aber klar, der Auf­stieg wä­re na­tür­lich groß­ar­tig.

An­dre­as Gruhn und Flo­ri­an Rin­ke führ­ten das ge­spräch.

Die sport­li­chen Er­fol­ge von Mar­cell Jan­sen

Mit dem FC Bay­ern Li­ga­po­kal­sie­ger 2007, DFB-Po­kal­sie­ger 2008, Deut­scher Meis­ter 2008

Mit der Na­tio­nal­mann­schaft WM-Drit­ter 2006 und 2010, Vi­ze­eu­ro­pa­meis­ter 2008

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Aufrufe: 017.1.2019, 14:30 Uhr
RP / Andreas Gruhn und Florian RinkeAutor