2024-05-17T14:19:24.476Z

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Erdinger Sebastian Bönig führt als Co-Trainer seinen Herzensverein in die Bundesliga

Mit Union Berlin ins Oberhaus

Schon als Spieler war Sebastian Bönig Publikumsliebling bei Union Berlin. Als Co-Trainer erfüllt sich nun sein Lebenstraum.

Berlin/Erding – Treffen sich ein Schweizer, ein Österreicher und ein Bayer in Berlin. Klingt wie der Anfang eines Witzes, ist aber der Beginn der schönsten Fußballgeschichte des Jahres. Union Berlin ist in die Bundesliga aufgestiegen. Das ist jener Verein, dessen Fans schon mal Blut gespendet haben, als es ihrem Club schlecht ging. Und jener Verein, der auch für Sebastian Bönig eine Herzensangelegenheit geworden ist, seitdem er im Jahr 2005 an die Alte Försterei gekommen ist.

Damals hielt Bönig – er war gerade erst vom Zweitligisten LR Ahlen gewechselt – die Treue, als Union in die vierte Liga abgerutscht war und führte sie als Motor im defensiven Mittelfeld erstmals in die 2. Bundesliga. Zehn Jahre Später ist der Erdinger gemeinsam mit dem Österreicher Markus Hoffmann Co-Trainer unter Chefcoach Urs Fischer und erlebt gerade das, was er selbst „meinen Lebenstraum“ nennt.

„Die Bundesliga war immer mein Ziel. Als Spieler habe ich es leider nicht geschafft“, erzählt der heute 37-Jährige. Sein Bruder Philipp wurde beim VfL Bochum zum Kultspieler, während er selbst schon früh mit hartnäckigen Verletzungen zu kämpfen hatte. 2009, also im Alter von 27 Jahren, beendete Sebastian Bönig seine aktive Laufbahn, nachdem er bei den Eisernen seinen Stammplatz verloren hatte. Seine Begründung damals: „Was soll nach Union noch kommen?“

Innerhalb von vier Jahren war der Bayer, der sich im defensiven Mittelfeld die Lunge aus dem Leib rannte, bei den Union-Fans zum Publikumsliebling geworden. Was folgte, war noch ein Intermezzo als Betreiber einer Erdinger Soccerhalle und als Spieler bei BC Viktoria Berlin. Mit Letzterem finanzierte er sich allerdings bereits sein Praktikum bei Union, das ihm der Präsident verschafft hatte. Der Ex-Profi lernte in der Geschäftsstelle und im Trainerstab die DNS des Vereins.

2014 kehrte Bönig endgültig zurück an die Alte Försterei, wie die am Waldrand gelegene Heimat von Union Berlin genannt wird. Seitdem ist er dort Co-Trainer und macht die Entwicklung eines Vereins mit, „bei dem die Ansprüche von Jahr zu Jahr gestiegen sind“, wie er selbst sagt.

Als auch noch Dirk Zingler, seit 2004 Präsident des Vereins, davon sprach, als Bundesligist in den Urlaub zu fahren, „haben wir gewusst, dass wir liefern müssen“, sagt Bönig. Er lacht dabei, denn jetzt ist es ja tatsächlich geschafft.

Der Aufstieg ist perfekt – nach einer langen Saison „in einer sehr starken 2. Liga, in der wir eine stabile Vorrunde ohne Niederlage abgeliefert und insgesamt die wenigsten Tore kassiert haben. Das spricht für die Kompaktheit unserer Mannschaft“, so Bönig. Er denkt an die zwei Relegationsspiele, „in denen wir gegen den VfB natürlich der klare Außenseiter waren“. Das sei schon ein Vorteil gewesen, meint der Erdinger. „Die Stuttgarter hatten viel zu verlieren. Wir konnten nur gewinnen.“ Im Rückspiel habe sich das schlagartig geändert. „Nach dem 2:2 in Stuttgart sind natürlich auch bei uns die Erwartungen gestiegen. Das hat man an der unruhigen ersten Halbzeit gesehen“, erklärt er.

Doch die Eisernen schafften bekanntlich gegen die Schwaben das 0:0. Unter den Augen seiner Familie sowie vieler Freunde aus Erding, darunter auch Vitus Eicher, der Langengeislinger Torwart des 1. FC Heidenheim, durfte Sebastian Bönig den ersten Höhepunkt seiner Trainer-Karriere feiern.

Und diese Trainer-Karriere steht erst am Anfang. Während ganz Köpenick am Dienstag nach der langen Feiernacht (Bönig: „Für mich ging es bis 5 Uhr morgens“) den Aufstiegsrausch ausschlief, machte sich der Erdinger auf den Weg nach Hennef, wo die DFB-Akademie den diesjährigen Fußballlehrer-Lehrgang gestartet hat. 105 Trainer hatten sich dafür beworben, 25 wurden ausgesucht, darunter die drei Nationalspieler Christoph Metzelder, Tim Borowski sowie Christian Rahn und eben Sebastian Bönig.

„Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Chance erhalten habe“, sagt der Erdinger. In den nächsten zehn Monaten werde viel Arbeit auf ihn zukommen, denn er wird auch weiter Teil des Trainergespanns bei Union sein. „Das wird wohl nicht stressfrei“, meint er.

Als Co-Trainer sei er bei den Berlinern „für alles mitverantwortlich“. Er zählt auf: „Spielanalyse, Trainingssteuerung, Scouting, Trainingsarbeit auf den Platz, Standardsituationen, die Verbindung zum Nachwuchsleistungszentrum“, und dann sagt er: „Es ist ein Traumjob.“

Und Urs Fischer? Was hat er von dem charismatischen Schweizer gelernt? „Das ist schon mein fünfter Cheftrainer, den ich hier in Berlin miterlebe. Von jedem nimmt man etwas mit“, antwortet Bönig. Dass Fischer große Qualität besitze, habe er schon mit Basel bewiesen. „Man wird ja nicht einfach so Schweizer Meister.“ Dass er in Köpenick nun diesen hochemotionalen Verein trainieren darf, „genießt Urs extrem“, erzählt Bönig und rühmt, wie strukturiert und ruhig der Schweizer an die Sache herangehe. „Vielleicht ist es eben gerade das, was wir hier noch gebraucht haben“, vermutet Bönig.

Er kommt noch mal auf das zweite Relegationsspiel zurück. „Das war für mich auch eine spezielle Konstellation wegen Thomas Hitzlsperger“. Mit dem Sportchef des VfB hat er einst zusammen in der Jugend des FC Bayern gespielt. „Wir stehen immer noch regelmäßig in Kontakt, und er ist ein sehr, sehr guter Freund von mir und auch ein Union-Sympathisant, das weiß ich.“ Was der Forstinninger jetzt mit dem VfB durchmacht, „ist für ihn wirklich bitter“, meint Bönig und fügt hinzu. „Ich werde ihn in den nächsten Tagen auf alle Fälle mal anrufen.“

Ob da momentan Zeit ist? Den DFB-Lehrgang durfte er am Mittwoch kurz verlassen, damit er an der Aufstiegssause in Köpenick teilnehmen kann. Danach wird wieder gebüffelt. Der DFB-Kurs fährt auch zur „Spitzenfußball-Analyse“ bei der U 21-Europameisterschaft nach Italien und San Marino.

Und dann geht es wieder zurück zur Union, dem Berliner Kultverein, dessen Vereinshymne von Nina Hagen stammt. Die Kaderplanung steht. „Wir wollen natürlich konkurrenzfähig und nicht unvorbereitet in die Bundesliga gehen“, sagt er und fügt hinzu: „Der Urlaub fällt heuer flach.“ Nach der Aufstiegssaison steht für ihn wohl ein noch aufregenderes Jahr an. Der Lehrgang mit der Prüfungsphase im April 2020 – und die einjährige Reifeprüfung der Union in der Bundesliga.

Aufrufe: 030.5.2019, 17:15 Uhr
Erdinger Anzeiger / Dieter PriglmeirAutor