2024-05-24T11:28:31.627Z

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Kritische Analysten (v. l.): Torsten Schnabel, Helmut Leus, Siggi Baumann, Ronny Wendel und Jürgen Grabowski. Archivfotos: Vigneron, Halisch, Baumann, Neumann, Hübner
Kritische Analysten (v. l.): Torsten Schnabel, Helmut Leus, Siggi Baumann, Ronny Wendel und Jürgen Grabowski. Archivfotos: Vigneron, Halisch, Baumann, Neumann, Hübner

»Die Chemie hat nicht gestimmt«

WM-AUS +++ Jürgen Grabowski: Dominanz zurückerkämpfen +++ Torsten Schnabel: Confed-Cup-Team wäre weitergekommen

Wiesbaden/Rheingau-Taunus. Löws zahnlose Löwen: Eine Mannschaft, die keine Einheit war. Spieler, die weit unter ihrem Leistungsvermögen agierten. Deutschlands historisches WM-Aus wirft ein Füllhorn an Fragen und Kritikpunkten auf. Doch bei allem Unverständnis über das lasch und gehemmt wirkende Auftreten plädieren heimische Experten dafür, dass Jogi Löw, der WM-Titelschmied von 2014, den fälligen Umbruch bewerkstelligen soll.

Jürgen Grabowski (73), Weltmeister von 1974: „Schon in der Vorbereitung kam der Eindruck auf, dass die Nationalmannschaft sich nicht in bester Verfassung befindet. Ob die Diskussionen um Özil und Gündogan eine Rolle gespielt haben, kann ich nicht sagen. Aber es lief nicht rund. Die Chemie hat nicht gestimmt. Und dann kam mit Südkorea ein Gegner, der gefightet und sofort nachgesetzt hat. Für die Zukunft sage ich nicht: der oder der muss raus. Das wird sich vielleicht von selbst ergeben. Schließlich bewegen sich einige altersmäßig im 30er-Bereich. Doch es geht weiter. Die Dominanz, die wir hatten, müssen wir uns jetzt zurückerkämpfen. Jogi Löw hat ja erst vor Kurzem seinen Vertrag bis 2022 verlängert. Ich glaube nicht, dass der DFB daran rüttelt. Es sei denn, Löw tritt zurück.“

Torsten Schnabel (54), Trainer FC Bierstadt: „Mit den jungen hungrigen Spielern vom Confed-Cup-Sieg wären wir weitergekommen. Ich hatte den Eindruck, dass Jogi Löw nicht die Fittesten mitgenommen hat. Zudem hat man gesehen, dass wir in der Defensive große Probleme und in zwei Spielen nicht getroffen haben. Eine riesige Verunsicherung war spürbar, keiner hat sich etwas zugetraut – die Südkoreaner sind gefühlt doppelt so viel gelaufen. Es muss auf jeden Fall den Neuaufbau geben. Ich würde es begrüßen, wenn Löw bleibt. Er hat insgesamt top Arbeit geleistet.“

Herbert Leus (46), Trainer TuS Beuerbach: „Es ging schon damit los, dass die Bayern-Spieler total überspielt und ohne Erfolge in Champions League und Pokal zur WM kamen. Dass Toni Kroos nicht wie bei Real zwei Abräumer im Rücken hat und Thomas Müller rechts auf der völlig falschen Position spielte. Der Bundestrainer hätte frischen Wind reinbringen müssen. Mit einer Mischung aus vier, fünf Erfahrenen und Jüngeren um Julian Brandt, Leon Goretzka anstelle von Sami Khedira auf der Sechs und Leroy Sané. Dazu hat uns die Präsenz eines Bastian Schweinsteiger gefehlt. Aber Joachim Löw ist ja kein schlechter Trainer. Doch der WM-Erfolg vor vier Jahren hat ihn womöglich geblendet.“

Siggi Baumann (49), Spielerin des FSV Schierstein 08: „Wenn du ein Spiel vor der Brust hast, das du unbedingt gewinnen musst, musst du den Gegner in der ersten Viertelstunde dumm und duselig spielen. Oliver Bierhoff hat gesagt, dass wir Südkorea müde spielen wollten. Wir haben nur uns selbst und das Publikum müde gespielt. Und was ich auch nicht verstanden habe: Warum fängt man nicht mit der Formation an, die zuletzt gegen Schweden auf dem Platz stand. Einen Leon Goretzka kann man bringen, wenn man ein funktionierendes Team hat. Falsch finde ich es auf jeden Fall, alles auf Mesut Özil abzuladen. Mir fehlen aktuell Typen wie Schweinsteiger und Lahm es waren. Ich weiß nur nicht, wer das sein soll. Aber Jogi Löw soll auf jeden Fall weitermachen. Er hat im deutschen Fußball über den Trainerpart hinweg Entwicklungen angestoßen und ich würde auch keine Alternative sehen.“

Ronny Wendel (36), Trainer SG Rauenthal/Martinsthal: „Eine absolute Katastrophe, ich bin immer noch wütend. Eigentlich kann das mit Blick auf eine Fußballnation wie Deutschland nicht wahr sein. Hätten wir in der 83. Minute getroffen und gewonnen, hätte wahrscheinlich keiner etwas gesagt. Aber man hat einfach gespürt, dass es in der Mannschaft rumort. Keiner hat für den anderen gekämpft und gespielt – warum auch immer. Mit Akteuren, die teilweise vielleicht satt sind, erreichst du nichts. Doch es ist ja nicht alles schlecht. Man muss jetzt nicht alles über Bord werfen. Wir brauchen hungrige Spieler mit Zielen. Wenn Jogi Löw aus dem Ausscheiden die richtigen Konsequenzen zieht, ist er ein sehr guter Trainer.“



Aufrufe: 029.6.2018, 15:00 Uhr
Stephan NeumannAutor