2024-05-02T16:12:49.858Z

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Foto: Stiebig
Foto: Stiebig

Auf Reisen

WM: +++ Günter Stiebig lässt sich kein Fußball-Großereignis entgehen +++

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GIESSEN - Er schießt. Einmal, zweimal, dreimal. Geschickt. Präzise. Ähnlich präzise wie Miroslav Klose, Toni Kroos oder Thomas Müller wenige Minuten zuvor. Und doch anders, ganz anders: Günter Stiebig schaut nach vorne und visiert das Ziel an, dann schießt er - Fotos. Vom Stadion. Von sich. Und von anderen deutschen Fans. Sie lachen, alle. Auch er.

Mineirao, Belo Horizonte, Weltmeisterschaft 2014. Die deutsche Nationalmannschaft deklassierte vor wenigen Minuten im Halbfinale den Gastgeber Brasilien mit 7:1. Furios, fulminant, einzigartig. Auch für Stiebig. Dabei hat der 55-Jährige bereits viel gesehen, wenn es um den ganz großen Fußball geht. Und auch um den etwas kleineren.

Zum Beispiel 1990 Andi Brehmes weltmeisterlichen Strafstoß gegen Argentiniens Elfmeterkiller Sergio Goycochea. Oder in der gleichen Partie das unerbittliche Duell zwischen Guido Buchwald und Diego Armando Maradona. Mit einer beeindruckenden Energieleistung eliminierten Buchwald und die "Walz von der Pfalz", Hans-Peter Briegel, den argentinischen Fußballgott.

"Rom ist ein persönliches Highlight, bis heute", sagt Stiebig. Ein paar Wochen vor jenem Coup 1990 hatten er und ein Freund noch in einer Kneipe in Gießen gesessen. Und plötzlich, "aus der Bierlaune heraus, sind wir dann auf die Idee gekommen, nach Rom zu fahren." Die Reise packte die beiden emotional.

Günter Stiebig ganz besonders - seitdem packt der Fußball-Enthusiast alle zwei Jahre seine Koffer. Zu jeder Weltmeisterschaft, zu jeder Europameisterschaft. Nun wieder. Diesmal geht es nach Russland, WM, "meine achte". Die Freude sei bei ihm weiterhin groß.

Trotz 15 miterlebter Großereignisse; trotz des aktuell wohl eher unattraktiven Russlands. Zumindest aus politischer Perspektive. "Ich habe einen Bericht gelesen, dass die Euphorie nicht so groß sein soll. Ich möchte auch erfahren, wie sie selbst über die politische Situation denken", sagt Stiebig. Denn für ihn gehe es neben dem Sportlichen, auch um die Kultur und Mentalität des Landes. "Bislang hat mich die WM 2010 in Südafrika am meisten beeindruckt. Die unterschiedliche Natur, die Geschichte nach der Apartheit - zudem habe ich Nelson Mandela im Stadion gesehen", sagt er.

Günter Stiebig, der eine aufreibende Zeit mit dem gerade abgewickelten VfB 1900 Gießen hinter sich hat, in Alsfeld geboren ist, selbst die Uefa-A-Lizenz besitzt und seit vielen Jahren den Stützpunkt in seinem Heimatort leitet, ist gerade nach Russland aufgebrochen.

Stiebig und sein Begleiter Jan Krätschmer, der auch den VfB 1900 in dieser Saison betreute, werden dann zum ersten Mal die deutschen Hoffnungsträger bei dieser WM im Moskauer Luschniki-Stadion sehen: zur Ouvertüre gegen Mexiko. Auch die Partien gegen Schweden und Südkorea wird das Reise-Duo live verfolgen - und muss dafür doch einige Flugmeilen zurücklegen. Erst geht's nach Sotschi, dann nach Kasan. Das sind hohe logistische Anforderungen. "Die weitere Planung wird dann vom Abschneiden Deutschlands abhängen. Das Problem hierbei ist, dass wir aufgrund der großen Distanzen eben fliegen oder mit dem Zug fahren müssen. Eine Zugfahrt könnte auch 15 bis 20 Stunden dauern. Wir haben uns auf alle Eventualitäten vorbereitet", sagt Stiebig, der angesichts seiner vielen Reisen keine Nervosität ausstrahlt. Alle Eventualitäten? Ein vorzeitiges Ausscheiden der Deutschen zählt der Fußball-Fan und -Trainer erst mal nicht dazu. Die Mission Titelverteidigung ist für Stiebig, der auch schon bei den Offenbacher Kickers als Co-Trainer auf der Bank saß, keine Mission Impossible. "Aber auch Brasilien und Spanien sind sehr stark", relativiert Stiebig.

Doch er hofft. Auf Deutschland. Darauf, dass es einen neuen WM-Helden geben wird. Vor vier Jahren stand Stiebig wenige Stunden nach dem Spiel im leeren Maracana. "Ein toller Moment", sagt er. Immer wieder visierte Stiebig das Ziel an, immer wieder schoss er - Fotos. Ähnlich präzise wie kurz zuvor Mario Götze - sein Tor.

Aufrufe: 016.6.2018, 10:51 Uhr
Gießener AnzeigerAutor