2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Norbert Meier ist der neue Trainer des SV Darmstadt 98. Foto: Florian Ulrich
Norbert Meier ist der neue Trainer des SV Darmstadt 98. Foto: Florian Ulrich

"Alles hätte ich nicht gemacht"

Der neue Trainer Norbert Meier hat sich mit Darmstadt angefreundet und geht immer erst mal vom Guten aus

Norbert Meier ist der neue Trainer des Bundesligisten SV Darmstadt 98. Seit dem vergangenen Samstag bereitet er sich mit den Profis auf die anstehende Saison vor. Im Interview mit FuPa spricht Meier über seine Fußball-Philosophie, den schweren Auftakt – und über das Darmstädter Heinerfest.

FuPa: Herr Meier, am 20. Mai 2017 endet die Bundesliga-Saison 2016/17. Auf welchem Platz wird der SV Darmstadt 98 stehen?

Norbert Meier: Ich bin kein Orakel. Unsere Zielsetzung ist aber klar: Wir wollen weiter die Großen ärgern. Und wir wollen so viele Spiele wie möglich gewinnen.

FuPa: Präsident Rüdiger Fritsch gab den Klassenerhalt als Saisonziel aus. Ist das auch Ihr Ziel?

Meier: Alles andere ist vermessen. Ich habe auch keine Lust, mich mit Sätzen wie „Das zweite Jahr wird immer schwerer“ aufzuhalten. Natürlich werden wir jetzt anders wahrgenommen. Wenn man ein Jahr dabei ist, wissen die anderen, dass es nicht so einfach ist, gegen Darmstadt zu spielen. Es hat aber auch so einen negativen Touch zu sagen, dass man den Abstieg vermeiden will. Ich sage lieber: Wir wollen möglichst so viele Spiele gewinnen, dass wir nächstes Jahr wieder in der ersten Liga spielen können.

FuPa: Der SV 98 hat ein schweres Auftaktprogramm, am zweiten Spieltag zudem das Duell gegen die Eintracht vor der Brust. Wie bewerten Sie den Auftakt?

Meier: Wir können uns das ja nicht aussuchen. Spielen müssen wir gegen alle. Der Spielplan sorgt natürlich für ein bisschen Startfieber, aber es ist alles noch recht weit weg. Wir müssen erst einmal den Kader zusammen bekommen und die Spieler, die da sind, so präparieren, dass alle fit in die Saison gehen können.

FuPa: Noch sind nicht alle Spieler da...

Meier: Am Donnerstag sind mit Mario Vrancic und Slobodan Rajkovic zwei Spieler wieder hinzugekommen, so dass wir mit Andreas Wittwer, der zur Probe trainert, 17 Feldspieler hatten. Wir hatten aber auch mal zwölf Spieler dabei, das stimmt.

FuPa: Jérôme Gondorf und Slobodan Rajkovic haben Ausstiegsklauseln. Wollen sie sie halten? Und ist es denkbar, sich von anderen Spielern zu trennen?

Meier: Natürlich wollen wir diese Spieler halten. Im Lauf der Vorbereitung kann es immer sein, dass der eine oder andere sieht, dass er hier nicht so zu seinen Spielen kommen wird. Dann muss man eventuell schauen.

FuPa: Was gab für Sie eigentlich genau den Ausschlag für Darmstadt?

Meier: Ich bin nicht in das Ende der letzten Serie gegangen mit dem Ziel, den Verein zu wechseln. In Bielefeld ist das Feld bestellt. Wir sind nach dem dramatischen Spiel gegen Darmstadt schnell wieder aufgestanden und im Anschluss souverän aufgestiegen. Und dann kam nach einem guten Jahr in der Zweiten Liga die Anfrage aus Darmstadt.

"Ich habe damit kein Problem. Wir haben gute Trainingsmöglichkeiten."


FuPa: In Darmstadt ist alles etwas speziell, vor allem das Stadion.

Meier: Hier passiert aber etwas im Verein: Wir haben einen Teammanager bekommen, Holger Fach ist nun hier, und auch das Trainerbüro und die Kabinen werden gerade hergerichtet. Man gibt sich viel Mühe. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich der Kandidat Nummer eins bin. Alles hätte ich nämlich nicht gemacht.

FuPa: Stichwort Böllenfalltor: Wie kommen Sie mit den speziellen Bedingungen zurecht?

Meier: Ich habe damit kein Problem. Wir haben gute Trainingsmöglichkeiten mit neuen Plätzen und davon sogar einen beheizten Naturrasen. Das einzige, was stört, ist die Mückenplage. Ich muss mich und meine Kleidung jeden Tag einsprühen. Wenn das aber alles ist, kann es nicht so schlecht sein.

FuPa: Der Kader ist noch klein. Ist das ein Vorteil, weil Sie ihn auch noch mit beeinflussen können?

Meier: Die anderen Vereine haben uns wahrgenommen, den Unterstützungsdienst für Darmstadt 98 gibt es nicht mehr. Der Markt ist heiß. Viele Erstligavereine haben andere wirtschaftliche Voraussetzungen.

FuPa: Bisher sind zwei neue Torhüter gekommen und Immanuel Höhn in der Innenverteidigung. Wo und wie muss der Kader noch verstärkt werden?

Meier: Wir müssen unter anderem sicher im Sturm etwas tun, nachdem Sandro Wagner weg ist. Felix Platte macht einen guten Eindruck, er ist sehr engagiert. Dominik Stroh-Engel hat in der Vergangenheit gezeigt, was er kann. Er muss eine gewisse Wertschätzung bekommen, aber er muss auch von sich aus die Dinge entsprechend angehen, damit er wieder eine Alternative werden kann.

FuPa: Unter Ihrem Vorgänger Dirk Schuster wurde wenig rotiert. Wird das bei Ihnen anders?

Meier: Wir sind nicht der Klub, der wegen vieler Spiele ständig rotieren muss. Wir haben 34 Bundesliagspiele und hoffentlich einige Pokal-Spiele. Europa League kommt zwei Jahre zu früh (lacht). Ich bin froh, wenn ein Kader so viel Qualität in sich birgt, dass der Konkurrenzkampf auf den einzelnen Positionen so groß ist, dass man immer seine Leistung abrufen muss, damit der Kollege nicht vorbeikommt.

"Alle Berater sagen, das sind Vollraketen, die sofort einschlagen. Man muss ruhig bleiben."


FuPa: Wie groß wäre Ihr idealer Kader?

Meier: 20 bis 22 Feldspieler plus drei Torhüter.

FuPa: Kann das System Dirk Schuster – vermeintlich gescheiterte Spieler holen, um sie wieder nach vorn zu bringen – weitertransportiert werden? Wie gehen Sie das an?

Meier: Die Unwägbarkeiten waren auch im letzten Jahr schon groß. Man kann nicht allein darauf vertrauen, in der Endzeit der Wechselperiode noch gute Spieler zu bekommen – zumal es, wie gesagt, auch schwieriger geworden ist. Es darf aber auch keine Schnellschüsse geben. Die Spieler müssen in die Gruppe passen. Alle Berater sagen uns derzeit, ihre Spieler sind Vollraketen, die sofort einschlagen. Da muss man filtern und ruhig bleiben.

FuPa: Aytac Sulu ist Kapitän. Wir wichtig ist der Austausch mit ihm?

Meier: Ich spreche mit jedem Spieler, jeder im Kader hat seine Berechtigung. Alle sollen das Gefühl der Zugehörigkeit haben. Kommunikation ist wichtig auf dem Platz und im Trainerteam – und natürlich auch zwischen Spielern und Trainern.

FuPa: Haben Sie die Stadt Darmstadt eigentlich schon näher kennengelernt?

Meier: Wir spazieren mal übers Heinerfest. Aber nur bis 21 Uhr, dann will ich Fußball gucken.

FuPa: Dürfen auch die Spieler aufs Fest?

Meier: Warum nicht? Man muss damit ja nicht gleich assoziieren, dass sie sich den Kanal vollschlagen. Vielleicht will der eine oder andere auch mal mit seinem Kind dorthin gehen, das gehört zum Leben dazu.

FuPa: Sie vertrauen den Spielern...

Meier: Die Spieler haben eine gewisse Eigenverantwortung, die man limitieren muss, wenn einer mal wirklich über die Stränge schlagen sollte. Da sind aber zum Beispiel welche dabei, die kleine Kinder erziehen. Sie haben auch in der Familie große Verantwortung. Wir gehen immer erst einmal vom Guten aus.

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- Norbert Meier (57) bestritt von 1981 bis 1992 insgesamt 292 Bundesliga-Spiele für Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach. 1988 wurde er mit Bremen Deutscher Meister. Meier spielte 16 Mal für die Nationalmannschaft.

- Als Trainer war er von November 1997 bis März 1998 in der Bundesliga in Mönchengladbach tätig, vom 4. Januar 2003 bis zum 8. Dezember 2005 trainierte er den MSV Duisburg, mit dem er 2005 in die Bundesliga aufstieg. Nach der „Kopfstoß-Affäre“ gegen den Kölner Albert Streit wurde er entlassen.

- Vom 10. September 2006 bis zum 24. September 2007 trainierte Meier Dynamo Dresden, bevor er am 1. Januar 2008 Fortuna Düsseldorf übernahm. Mit der Fortuna stieg er 2009 in die Zweite Liga und 2012 in die Erste Liga auf – nach denkwürdigen Relegationsspielen gegen Hertha BSC. Ein Jahr später stieg Düsseldorf wieder in die Zweite Liga ab.

- Im Februar 2014 übernahm Meier den Zweitligisten Arminia Bielefeld, nach ebenfalls denkwürdigen Relegationsspielen gegen den SV Darmstadt 98 stieg Bielefeld in die Dritte Liga ab, um nur ein Jahr später direkt wieder aufzusteigen.

- Im Juni 2016 wurde Meier als neuer Trainer beim SV Darmstadt 98 vorgestellt.

Aufrufe: 01.7.2016, 13:30 Uhr
Jan Felber / Jens-Jörg WannemacherAutor