2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligavorschau

Werkself gegen Tradition: Böse gegen Gut?

Fußball: Eine Ursachenforschung und Gegenüberstellung am Beispiel des FC Ingolstadt und des 1. FC Kaiserslautern

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High Noon in der 2. Fußball-Bundesliga kurz vor dem Fest: Ingolstadt gegen den FCK (Sonntag 13.30 Uhr), das heißt nicht nur Erster gegen Zweiter. Das heißt auch - wieder einmal - eine Elf mit Werks-Millionen oder privatem Geldgeber im Rücken gegen einen so genannten Traditionsverein. Böse gegen Gut also? Nein, so einfach ist es beileibe nicht.
Ingolstadt/Kaiserslautern. "Der Weg in die Bundesliga führt nur über uns." Nach dem 1:0 am vergangenen Spieltag beim zuvor in 17 Heimspielen ungeschlagenen RB Leipzig (heißt offiziell RasenBallsport, steht bei den Fußballfans aber wegen des Geldgebers für Red Bull) gab Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl seine sorgsam gepflegte Zurückhaltung in Sachen Aufstieg erstmals auf.
Sollte den Oberbayern, die derzeit die Zweitliga-Tabelle mit fünf Punkten Vorsprung vor dem nächsten Gegner Kaiserslautern anführen, der Coup gelingen, wäre das Gerede von der nächsten "Retorten-Mannschaft" in Deutschlands höchster Fußballklasse wohl wieder da. Neben den Spitzenclubs aus Leverkusen und Wolfsburg, beide von den Konzern-Riesen Bayer und Volkswagen alimentiert, sowie Hoffenheim, dem Klub von SAP-Gründer Dietmar Hopp, stünde der FC Ingolstadt für die vier Ringe der Volkswagen-Tochter Audi. Gar so weit hergeholt ist die vermutete Verbindung zwischen dem FCI, der erst vor zehn Jahren aus einer Fusion der beiden Ingolstädter Vereine MTV und ESV entstand, und dem größten Geldgeber der Region, dem Autobauer Audi, nicht. Eine Konstellation, die die Traditionalisten wieder auf den Plan ruft. Audi hält annähernd 20 Prozent an der Fußball GmbH des FCI. Tradition haben die Vorgängerclubs allerdings auch: Der MTV und der ESV spielten einst in der zweiten Liga, in einer Saison sogar gleichzeitig (1979/80).

Die Ringe dominieren


Der Audi-Immobilien-Verwaltung gehören Stadion ("Audi-Park") und Trainingsgelände des FCI. Und auch im Aufsichtsrat des Vereins sitzen Audi-Manager. Da ist der Einflussreichtum der Wolfsburger Tochter nicht von der Hand zu weisen. Ob der vor allem in China äußerst erfolgreiche Konzern den "Schanzern" nach der sportlichen Aufwärts-Entwicklung Signale auf ein erhöhtes Zubrot gegeben hat, ist nicht bekannt. Bisher soll das Investment der Volkswagen-Tochter im niedrigen einstelligen Millionenbereich liegen.
Zumindest rechtliche Hürden stünden dem Zweitliga-Spitzenreiter im Falle des Aufstiegs nicht im Wege. Zwar würde der FCI zusammen mit dem Volkswagen-Stammverein VfL Wolfsburg in der Bundesliga spielen. Bestehende Minderheitsbeteiligungen wird die Deutsche Fußball-Liga dennoch nicht anfechten. Derlei juristische Nüsse hat man am Rhein nicht zu knacken. Die bestätigten 25 Millionen Euro, die der "Pillen-Riese" Bayer jährlich in das sportliche Aushängeschild des Vereins steckt, seien allerdings "weniger, als andere Klubs von ihren Hauptsponsoren bekommen". So zumindest argumentierte kürzlich Wolfgang Holzhäuser, Sprecher der Geschäftsführung von Bayer 04, bei einem Symposium zum Thema Werksclubs und Traditionsvereine. Und Thomas Röttgermann, der Geschäftsführer des VfL Wolfsburg, bezeichnete die Verbindung zwischen dem Fußballclub und dem Mutterhaus von Europas größtem Autobauer bei der gleichen Veranstaltung als "genialen Deal". Wie viele Millionen VW bisher wirklich in den Club und das Stadion steckte und weiter stecken wird, wurde offiziell nie kommuniziert.
Etwas anders ist die Lage bei den von privaten Geldgebern gepushten Klubs aus Hoffenheim und Leipzig. Im Kraichgau musste Dietmar Hopp für das abgelaufene Geschäftsjahr 11,7 Millionen Euro Verlust aus der Privatschatulle ausgleichen. Insgesamt soll der SAP-Gründer schon etwa eine Viertelmilliarde in seinen Heimatverein investiert haben.

Bayern München als Maßstab


Wohl weniger aus persönlicher Verbundenheit zum Klub als vielmehr aus wirtschaftlichem Kalkül geht Red-Bull-Inhaber Dietrich Mateschitz in Leipzig vor. Die zweite Liga ist für den Brause-Multi, dessen Privat-Vermögen das Wirtschaftsmagazin Forbes auf etwa 9,2 Milliarden Euro schätzt, ohnehin nur eine Durchgangsstation.
"Wenn wir nicht irgendwann einmal direkte Konkurrenten von Bayern München werden wollten, sollten wir das Geschäft Fußball besser an den Nagel hängen", äußerte sich der Österreicher in einem Fernseh-Interview. Um im Brustton der Überzeugung hinzuzufügen, dass der deutsche Meistertitel für RB Leipzig eine Frage der Zeit sei. "Ein paar Jahre vergehen schnell. Irgendwann wird es so weit sein."
Beim 1. FC Kaiserslautern, der auf keinen Industrie-Konzern oder reichen privaten Potentaten zurückgreifen kann, verleugnet man vor dem Gipfeltreffen die eigene Identität zwar nicht, erkennt aber auch die Realitäten. Sportdirektor Markus Schupp: "Sportlich haben diese Mannschaften natürlich ihre Berechtigung. Vielleicht liegt diese Entwicklung einfach in der Natur der Sache. Und wir wissen ja auch nicht, wie wir reagieren würden, wenn plötzlich ein Gönner auf uns zukäme und uns ein paar Millionen anböte, weil wir so ein toller Verein sind."
Immerhin dürfen die Pfälzer, die auch durch den Ausbau des Fritz-Walter-Stadions als WM-Standort von etlichen Landesmillionen profitierten, seit dem grünen Licht aus Brüssel für das eigene Zukunftsmodell etwas beruhigter in die wirtschaftliche Zukunft blicken. Und das unabhängig von der Liga-Zugehörigkeit. Die Integration mit der Region ist für die Macher in Reihen des vierfachen Deutschen Meisters immer noch ein Identitätsmerkmal der eigenen Geschichte: "Es ist ein untrügliches Zeichen für die Verbundenheit mit unserem Verein, wenn uns immer wieder Tausende von Fans begleiten und in den Auswärtsstadien für tolle Stimmung sorgen." Extra Der FC Ingolstadt ist so erfolgreich wie nie in seiner Vereinsgeschichte - und doch scheint das die wenigsten zu interessieren. Der Tabellenführer weist den viertschlechtesten Zuschauerschnitt der ganzen 2. Fußball-Bundesliga auf, unterboten nur noch von Sandhausen, Frankfurt und Aalen. "Die Jungs hätten es verdient, wenn das Stadion endlich mal ausverkauft wäre", monierte Trainer Ralph Hasenhüttl. dpa

Aufrufe: 013.12.2014, 12:13 Uhr
volksfreund.de/Jürgen C. BraunAutor