2024-05-02T16:12:49.858Z

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Warum der NFV Gelb-Weiß Görlitz doch weiter macht

Präsident Carsten Liebig spricht im SZ-Interview über nicht sicheres Fahrwasser, über mangelnde Unterstützung und die Zusammenarbeit mit Niesky.

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Die Gerüchte um den Fußball-Landesligisten NFV Gelb-Weiß Görlitz wollten zuletzt nicht abreißen. Der Verein ziehe seine Männermannschaft aus der Landesliga zurück, spiele in der Landesklasse oder gar nur in der Kreisoberliga weiter. Oder es werde eine Fusion mit Eintracht Niesky vorbereitet. Tatsächlich befand sich auch bei der Landesliga-Staffeleinteilung beim Sächsischen Fußballverband für die kommende Saison hinter dem Vereinsnamen NFV Gelb-Weiß Görlitz der Hinweis: „Ankündigung der vereinsinternen Prüfung bzw. Mannschaftsrückzug zum Spieljahresende.“ Am Montagabend ist nun die Entscheidung gefallen. Es bleibt alles beim Alten. Der NFV spielt mit der ersten Männermannschaft weiter Landesliga, mit der zweiten Kreisoberliga. Präsident Carsten Liebig erklärt im SZ-Interview, welche Gründe es für einen möglichen Rückzug des Aushängeschildes gab und was jetzt ausschlaggebend dafür war, dass der Verein doch weiter Landesliga spielt.

Herr Liebig, als nach dem plötzlichen Rückzug des Vorstandes um Hagen Grothe vor gut zwei Jahren auch schon die Existensfrage stand, sagten Sie ein halbes Jahr später, dass der Verein nach vielen Anstrengungen und einer Satzungsänderung im sicheren Fahrwasser sei. So sicher war es dann doch nicht?

Das stimmt. Im Wesentlichen gibt es dafür zwei Gründe. Erstens ist die Konsolidierung im Vorstand nicht so aufgegangen, wie wir das erwartet hatten. Einige haben uns schon wieder verlassen, sicherlich auch, weil der Weg aus dieser schwierigen Situation noch schwerer als erwartet, der Aufwand noch größer war. Und zweitens haben uns Probleme, die der alte Vorstand hinterlassen hatte, immer wieder eingeholt. Damals haben wir das nicht sofort umfassend überblicken können. Aus heutiger Sicht sage ich: Hätten wir das überblickt, hätten wir uns für einen klaren Schnitt entschieden.

Sie meinen eine Insolvenz des Vereins?

Ja, so wie Satzung und Vereinsrecht es für einen solchen Fall vorsehen.

Können Sie Zahlen nennen?

Das möchte ich nicht, schon um nicht neues Öl ins Feuer zu gießen. Fakt ist aber, uns hat das alles scheibchenweise eingeholt. Eine Folge war, dass unser Trainer Fred Wonneberger inzwischen vor fünf Halbserien die Mannschaft immer wieder erheblich umbauen musste. Das ist in dieser Häufung eigentlich unzumutbar. Zum Glück ist Fred Wonneberger ein Fußballverrückter und ein gut vernetzter Fachmann, der es immer wieder geschafft hat, ein gutes Landesligateam aufzubieten. Aber so konnte es nicht weitergehen, zumal wir einen wesentlichen Schwerpunkt – die Nachwuchsförderung – vernachlässigt haben.

Hat sich Ihnen auch die Sinnfrage gestellt? Schließlich sind die Zuschauerzahlen auf nur noch gut 150 pro Heimspiel gesunken, haben die meisten beim NFV ausgebildeten jungen Spieler mit 18,19 Jahren den Verein verlassen.

Natürlich hinterfragt man, ob Aufwand und Nutzen noch zueinander passen. Für wen machen wir das eigentlich? Wo ist das Görlitzer Sportpublikum? Und warum sind jugendliche Spieler heute immer seltener bereit, die Anstrengungen für leistungsorientierten Sport – und den wollen wir beim NFV – auf sich zu nehmen? Dass uns von anderen Vereinen aus der Stadt und der näheren Umgebung vorgeworfen wird, dass wir im Nachwuchsbereich immer nur profitieren, ist mir schleiherhaft. Man muss doch nur mal schauen, wo ein erheblicher Teil der Spieler in den Männerteams die Ausbildung genossen hat.

Dennoch macht der Verein auf diesem Niveau weiter. Was gab den Ausschlag für diese Entscheidung?

Dass das möglich ist und wir gleichzeitig null Abstriche an unserem im Januar beschlossenen Nachwuchskonzept machen müssen. Wir werden unsere Ressourcen zugunsten des Nachwuchses umverteilen.

Hat die Durchsuchung der Geschäftsräume durch die Bundespolizei bei der Entscheidung eine Rolle gespielt?

Nein, auch wenn der Schock groß war. Zum laufenden Verfahren kann und darf ich nichts sagen. Nur so viel: Die Ermittlungen dauern an, und bei uns hat sich eine Jetzt-erst-recht-Stimmung breitgemacht.

Haben Sie neue Sponsoren gefunden oder muss der Männerbereich Abstriche hinnehmen?

Das zweite wird der Fall sein. Wir wollen trotzdem versuchen, den Klassenerhalt in der Landesliga zu schaffen. An der Sponsorenfront ist es zuletzt nicht gerade leichter geworden. Einige Unternehmen haben sich ganz oder teilweise zurückgezogen. Das Dynamo-Spiel hat uns auf der anderen Seite aber Mut gemacht. Da haben wir viel Unterstützung erfahren. Wir würden uns nur wünschen, dass es diese Unterstützung die ganze Saison über gäbe.

Was sagt das neue Nachwuchskonzept?

Wir wollen eine klare Außendarstellung als leistungsorientierter Ausbildungsverein mit der Ausrichtung auf einen langfristigen Leistungsaufbau über alle Altersklassen. Im Kleinfeldbereich bis zu den D-Junioren und ggf. zum Wechsel der besten Talente an die Sportschulen sowieso, in den Großfeld-Spielklassen ab den C-Junioren über Spielgemeinschaften mit Eintracht Niesky. Das hat sich mit dem Landesklassen-Staffelsieg der A-Junioren ja bereits ausgezahlt und soll weiter fortgesetzt werden.

Hoffen Sie so, mehr eigene Spieler für das Landesligateam zu generieren?

Ja. Natürlich hätte ich gern mehr Spieler wie Richard Hildebrand, der von der Sportschule den Weg zurück zu uns gefunden hat, oder Jonathan Schneider, der den kompletten Nachwuchs in Görlitz gespielt hat. Wir wissen, dass das ein schwieriger Weg ist und brauchen auch die Akzeptanz der Zuschauer und Sponsoren, dass wir uns auch künftig teilweise mit anderen Spielern behelfen müssen. Einige, wie aktuell Torsten Marx oder Khaddy Kazadi, sind ja inzwischen schon gefühlte Görlitzer.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten…

… dann wäre das eine bessere Zusammenarbeit mit der Stadt. Ein aktuelles Beispiel: Der Schornsteinfeger hat uns die Heizungsanlage bei den Gästekabinen auf der ,Jungen Welt’ gesperrt. Der 40 Jahre alte Heizkessel ist kaputt. Das Gebäude gehört der Stadt, wir sind nur Pächter. Die Stadt aber teilt mit: Wir haben kein Geld, können kurzfristig nichts machen. Sollen wir jetzt das Stadion sperren? Da wirst du als Funktionär müde.

Aufrufe: 010.6.2016, 07:12 Uhr
Frank ThümmlerAutor