2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Wollten den großen Wurf landen und stürzten ab: Hasan Ismaik (li.) und Ex-Trainer Vitor Pereira.
Wollten den großen Wurf landen und stürzten ab: Hasan Ismaik (li.) und Ex-Trainer Vitor Pereira.

Kolumne: Die unmoralische Seite des Profifußballs

Ismaik, Bayern-Dominanz, obszöne TV-Gelder

In seiner Merkur-Kolumne macht sich Reinhard Hübner Gedanken über die Sitten im Profifußball. Ob beim TSV 1860 München oder beim FC Bayern - seiner Meinung nach nimmt die Entfremdung stetig zu.

Nie und nimmer hätten wir gedacht, den großen Investor Hasan Ismaik mal loben zu müssen. Aber gerade jetzt, da selbst die vom Glauben abfallen, die in ihm den selbstlosen Samariter sehen wollten, müssen wir feststellen, dass der Jordanier einen recht wichtigen Beitrag leistet zur Diskussion um Kommerz im Profifußball. Ismaik hat, wie kaum ein anderer zuvor, den Beweis erbracht, dass Erfolg mit Geld allein nicht zu kaufen ist, nicht einmal mit (für Liga zwei) aberwitzig vielen Millionen. Und dafür sollten wir ihm dankbar sein, weil er damit vielleicht andere Vereine davor bewahrt, ihre Seele zu verkaufen, die Identität zu opfern, Fans zu veralbern.

Nur plagen uns ein paar Zweifel, ob das traurige Beispiel TSV 1860 wirklich dazu taugt. Geld ist ein mächtiges Blendwerk, gerade für die, die nie genug haben. Und das sind die weitaus meisten der deutschen Fußballklubs. Und der Rest ist ohnehin nie satt zu kriegen. Das primäre Streben nach Geld ist eines der größten Probleme des Profifußballs, was wir längst ahnten, bestätigt nun auch eine Studie, die eine neu gegründete Vereinigung namens „FC Fair Play! Verein für Integrität im Profifußball“ in Kooperation mit der Hochschule Nürtingen-Geislingen gerade veröffentlicht hat.

Fans wenden sich vom Profifußball ab

Eigentlich passen sie ja überhaupt nicht zusammen, die Begriffe „Integrität“ und „Profifußball“. Aber schön, wenn jemand versucht, sie zusammenzuführen, sicherlich eine Herkulesaufgabe. Die Studie könnte ein erster Ansatz sein, zeigt sie doch recht deutlich, dass der Fan von der ausufernden Kommerzialisierung die Nase gestrichen voll hat. Mehr als die Hälfte der rund 17.000 Befragten, alles absolute Fußballfreaks, gab an, sich früher oder später vom Profifußball abwenden zu wollen, sollte die Entwicklung so weitergehen. Das zumindest müsste zum Nachdenken anregen.

Fußball lebt von Spannung, „keiner weiß, wie es ausgeht“, hat der weise Sepp Herberger mal gesagt. Das ist natürlich lange her, wer heute ein Bundesligaspiel des FC Bayern anschaut, weiß aber zumindest, wer gewinnt. Bald wird der souveräne Branchenführer seine Serie von fünf Meistertiteln in Folge weiter ausgebaut haben. Jeder Erfolg bringt ihm noch mehr Geld, als Starker wird er immer stärker, die Konkurrenz immer schwächer (ist der Profifußball damit nicht auch ein Spiegelbild der Gesellschaft?).

Als Global Player blickt man auf Real, nicht auf Freiburg

Auf Dauer aber produziert diese Eintönigkeit halt Langeweile. Und die unmoralisch hohen Gehälter, die fast schon obszönen Fernsehgelder, die Reiche noch reicher machen, sorgen für Entfremdung, der Profifußball ist längst eine Scheinwelt, dem Fan fällt es immer schwerer, sich damit wirklich zu identifizieren.

Unser Jammern wird nichts ändern, neulich erst hat der frühere Ministerpräsident Stoiber in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrat des FC Bayern leidenschaftlich verteidigt, dass sein Verein beispielsweise aus dem Topf der TV-Einnahmen so viel mehr bekommen muss als etwa Werder Bremen. Als Global Player will man eben mitspielen können im Konzert der Großen, misst sich an Real Madrid, nicht an Freiburg. Was interessiert da, ob die Bundesliga zum großen Langweiler verkommt?

Ist das die triste Zukunft? Oder die große Chance für einen Gegenentwurf? Wenn Hasan Ismaik sich wirklich in den TSV 1860 so unsterblich verliebt hat, dann sollte er mit seinem Geld, das er bisher völlig sinn- und gedankenlos verpulvert, lieber mit kompetenten Leuten (die gerne auch bayerisch sprechen dürfen) Nachhaltiges aufbauen. Mit Fußballern, die Herz zeigen, Leidenschaft für ihren Verein, ohne Legionäre, die nur ihr Bankkonto im Kopf haben. Eine Heimat für die, die Wärme suchen in der kälter werdenden Welt des Kommerz-Fußballs. Wird aber wohl ein Traum bleiben, dafür haben wir den Herrn Ismaik als viel zu machtbesessen kennengelernt. Schade eigentlich.

Aufrufe: 03.6.2017, 16:07 Uhr
Münchner Merkur - Reinhard HübnerAutor