2024-04-25T14:35:39.956Z

Spielvorbericht
Das Grünwalder Stadion.
Das Grünwalder Stadion.

Die 60ger kehren zurück nach Giesing - Appell der Polizei

Wieder im Grünwalder Stadion

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Zwölf Jahre nach dem letzten Punktspiel im Grünwalder Stadion kehrt der TSV 1860 nach Giesing zurück. Wir haben gesammelt, was Befürworter, Gegner und Anwohner dazu sagen - und die Polizei.

München - Es ist angerichtet! Nach zwölf Jahren als Zweitligist in der Fröttmaninger Arena kehren die Löwen heute Abend zwei Spielklassen tiefer zurück in ihr altes Revier auf Giesings Höhen. Was die einen wahlweise als Dummheit oder Katastrophe werten, ist für die anderen die einzig sinnvolle Lösung nach dem Doppelabstieg. Einigkeit besteht nur in der Unterstützung der jungen Mannschaft. Mit 12 500 Zuschauern wird das Grünwalder Stadion ausverkauft sein. Mehr sind seit der Sanierung 2013 nicht mehr zugelassen.

Vor 13 Jahren nach dem Abstieg aus der Bundesliga sah das noch anders aus. 21 272 Karten durften die Löwen damals verkaufen. Zu den erfolgreichsten Zeiten des Traditionsklubs vor einem halben Jahrhundert waren es noch mehr als doppelt so viele. Zu dieser Zeit war Sechzig noch die Nummer 1 in München. Gespickt mit Nationalspielern holten die Löwen 1964 den DFB-Pokal, stürmten 1965 ins Europapokal-Finale nach Wembley und gewannen 1966 die Deutsche Meisterschaft am letzten Spieltag durch ein 1:1 gegen den Hamburger SV. Unvergessen die Bilder, als Kapitän Peter Grosser, Trainer Max Merkel und Präsident Adalbert Wetzel die Meisterschale in den Regenhimmel über Giesing stemmten.

Der Kult ums „Sechzgerstadion“ entstand in der Bayernliga

Der Kult ums „Sechzgerstadion“ entstand nicht damals, sondern zwei Klassen tiefer in der Bayernliga, wo der Verein nach dem Zwangsabstieg 1982 landete. Entsprechend groß waren die Proteste, als die 1994 in die Bundesliga zurückgekehrten Löwen unter Präsident Karl-Heinz Wildmoser ein Jahr später komplett ins Olympiastadion umzogen. Damals spaltete sich die Fanlandschaft. In der Arena wurden die Gräben noch tiefer, die nächsten Erdstöße werden an diesem Sonntag bei der Mitgliederversammlung in Freimann erwartet.

Daniel Bierofka, der als Bub vor 30 Jahren beim 7:0 gegen den FC Amberg im Grünwalder Stadion vom Löwenvirus infiziert wurde, hält sich aus politischen Diskussionen raus. „Ich bin froh, dass meine Familie Karten bekommen hat“, sagte er am Donnerstag schmunzelnd. Die Versammlung am Sonntag im „Zenith“ wird der Trainer als interessierter Zuhörer verfolgen.

Polizei appelliert an die Fans: Nehmt Rücksicht auf die Bevölkerung

Verkehrschaos und Ausschreitungen gab es oft genug bei 1860-Spielen im Grünwalder Stadion. Freitagabend wird die Münchner Polizei mit 250 bis 300 Einsatzkräften vor Ort sein, um für Sicherheit und einen ordnungsmäßigen Ablauf zu sorgen. „Wir appellieren an die Fans, sich friedlich zu verhalten und Rücksicht auf die Bevölkerung zu nehmen“, ließ die Polizei mitteilen.

Ein besonderes Augenmerk werde auf die Wohnumgebung rund um das Stadion gerichtet, um dort Störungen für die Anwohner so gering wie möglich zu halten. Rund 1000 Fans werden aus Burghausen erwartet. „Eine Begleitung von augenscheinlich gewaltbereiten gegnerischen Fangruppierungen ist angestrebt“, sagte ein Polizeisprecher auf tz-Nachfrage.

Worauf sich die Anwohner einstellen müssten? „Eine Beeinträchtigung der Anwohner durch kurzfristige Absperrungen ist nach derzeitigen polizeilichen Erkenntnissen nicht auszuschließen. Die Polizei wird die diesbezüglichen Einschränkungen jedoch auf ein notwendiges Mindestmaß reduzieren.“

1860-Ultras appellieren: Fans, nehmt Rücksicht auf die Anwohner!

Anwohnerin: „Bei uns ist das ganze Haus dafür“

Wenn Elisabeth Bräunlein aus ihrem Wohnzimmerfenster schaut, dann blickt sie direkt aufs Grünwalder Stadion. Seit 30 Jahren lebt die pensionierte Lehrerin in der Altbauwohnung in Giesing. Sie hat bereits damals Spiele des TSV 1860 in seiner alten Heimat erlebt. Dass das ab heute Abend wieder Normalität wird, stört die 69-Jährige nicht. „Bei uns ist eigentlich das ganze Haus dafür“, erzählt sie. Die Aufregung manch anderer Anwohner versteht sie nicht. „Das ist lächerlich“, sagt sie. „Die Grünwalder Straße ist sowieso viel befahren und laut. Da stört ein Spiel am Wochenende auch nicht mehr.“

Begeistert von der Heimkehr der Löwen sind viele Gastronomen rund um das Stadion. „Für uns ist das zu 100 Prozent positiv“, sagt Amela Skrbo-Baur, Chefin der Wienerwald-Filiale an der Tegernseer Landstraße. Die Umsätze werden an den Spieltagen nach oben schnellen. Viele Löwen-Fans treffen sich traditionsgemäß vor und nach dem Spiel in ihrem Lokal zu Bier und Hendl. „An so einem Tag nehme ich gut das Fünffache ein“, sagt Skrbo-Baur.

Es gibt auch Giesinger, denen der Gedanke an den regelmäßigen Ansturm der Fans Bauchschmerzen bereitet. Einer von ihnen ist Martin Hunger. Der 43-Jährige führt die Fahrschule an der Tegernseer Landstraße nahe dem Giesinger Grünspitz. „Ich befürchte, dass einem nach den Spielen die Fenster eingeschlagen werden könnten“, sagt Hunger.

+ Elisabeth Bräunlein schaut von ihrer Wohnung aus auf das Grünwalder Stadion. © Oliver Bodmer

„Wir müssen sicherstellen, dass keine Belästigung der Anwohner stattfindet“, hatte Stadtschulrätin Bea­trix Zurek am vergangenen Montag bei einer Info-Veranstaltung für die Anwohner erklärt. Der Vorsänger der „Münchner Löwen“, der führenden Ultra-Gruppierung des TSV 1860, versicherte in einem Statement, dass man dem Sorge tragen werde. „Am Freitag ist unser größter Tag, wir spielen endlich wieder im Grünwalder“, sagte er. „Wir sind uns der Verantwortung bewusst, was es heißt, wieder in unserem Viertel zu spielen. 90 Prozent unserer aktiven Fans wohnen im Viertel.“

Aufbau der neuen VIP-Almhütte der Löwen - Bilder

Die Gruppierung hatte die Fans zunächst für Auswärtsspiele zu einem respektvollen Auftreten aufgerufen, dem soll aber noch vor dem Spiel gegen Burghausen ein weiterer Infotext folgen, „wo alle Regeln noch einmal drin sind. Ich denke, das beste Beispiel hat uns Memmingen gezeigt, woalles optimal abgelaufen ist. Man hat es in der Presse gelesen, die Polizei war auch zufrieden. Und das wird man hier auch in Giesing so durchziehen.“

Auch wenn einige Bedenken sicherlich noch im Raum stehen, scheint Giesing im Großen und Ganzen entspannt zu bleiben. Und schließlich, so sagt Elisabeth Bräunlein, habe die Rückkehr der Löwen noch einen weiteren Vorteil: Solange das Stadion bespielt wird, bestehe nicht mehr die Gefahr, dass es doch noch abgerissen werden könnte. „Ein neu gebautes Hochhaus würde uns nur die Sicht versperren“, erklärt sie. „Und so kann ich weiterhin jeden Tag die Sonne hinter dem Stadion untergehen sehen.“

Was andere Anwohner zur Rückkehr der Löwen sagen.

Alfred „Fredi“ Heiß: Mitglied der Meistermannschaft 1966

+ Alfred „Fredi“ Heiß © MIS

Ich habe gerne im Grünwalder Stadion gespielt, das war unser Wohnzimmer damals, dort hat Sechzig seine größten Erfolge gefeiert. Aber dieser erneuten Rückkehr kann ich nichts Positives abgewinnen, das ist ein Fehler, dessen Auswirkungen sich bald zeigen werden. Mit einer Kapazität von 12 500 Zuschauern, die sich auf 15 500 erweitern lässt, kommst du heutzutage wirtschaftlich auf keinen grünen Zweig mehr. Und die Attraktivität für Sponsoren hält sich in ganz engen Grenzen. Natürlich wäre auch die Allianz Arena keine Langzeitlösung gewesen, aber immerhin hätte man dort die Chance gehabt, in den Profifußball zurückzukommen und parallel etwas Eigenes zu schaffen. Jetzt können wir nur hoffen, dass sich der aktuelle Investor oder ein neuer dazu bereit erklären, die nötigen Mittel bereitzustellen, damit 1860 über die Zwischenstation Olympiastadion wieder nach oben kommt. Es wird ein äußerst steiniger Weg. Um den erfolgreich zu gehen, braucht es auch eine Klubführung, die eine klare Vision hat und nicht irgendwelchen Strömungen hinterherläuft.

Denn das Hauptpro­blem bei Sechzig in den letzten zehn, fünfzehn Jahren war nicht in erster Linie der Spielort, sondern die Mannschaft. Andere Vereine haben uns vorgemacht, wie man mit Sachverstand und Augenmaß etwas aufbauen kann. Hier ist man über Ansätze nicht hinausgekommen, auch weil vereins­politische Ränkespiele immer wichtiger waren als der Sport – eine ganz alte Löwen-Krankheit.

Axel „Löwenbomber“ Dubelowski: 1860-Anhänger und ehemaliger Fanbeauftragter

„Klar war der Doppel-Abstieg erst mal bitter. Niemand steigt gerne ab. Aber seit dem ersten Testspiel beim FC Hertha München sehe ich nur in fröhliche Gesichter: Jeder ist froh, dass Sechzig endlich wieder Sechzig ist und dass die unselige Zeit in der FCB-Erlebniswelt hinter uns liegt. Jeder Münchner, egal ob Sechzger oder nicht, sagte mir in den letzten Wochen: Die Löwen MÜSSEN zurück ins Sechzgerstadion, das ist alternativlos!

Endlich haben wir wieder eine Mannschaft, mit der man sich identifizieren kann. Es hat mich unbandig gefreut, als ausgerechnet Christian Köppel in Memmingen das 1:0 erzielte, es freut mich, dass Mölders, Gebhart und Mauersberger den steinigen Weg zurück in die 3. Liga mitgehen wollen. Ich verstehe nicht, warum man nicht den Funktionären von 1860 überlassen kann, welches Stadion sie für 1860 in der Zukunft einplanen, noch bevor wir die Rückkehr in die Heimat mit dem ersten Heimspiel an der Grünwalder Straße überhaupt vollzogen haben.

Robert Reisinger, Roman Beer und Markus Drees sind Funktionäre, die in Gesprächen mit mir und vielen Fans schon vor dem Einstieg von Hasan Ismaik im Jahr 2011 erörterten, was 1860 im Falle einer Insolvenz der KGaA tun müsste, um den TSV zu erhalten. Insofern sind sie für mich jetzt wesentlich kompetentere Ansprechpartner als die Traumwandler, die davon sprechen, dass 1860 in die 1. Liga gehört und gegen den FC Barcelona spielen müsse. Sechzig muss ein bayrisch-bodenständiger Verein sein, dann ergibt sich alles, was möglich ist, von alleine.“

Lisa-Marie Birnbeck/ lk, ffu, hei


Aufrufe: 021.7.2017, 16:07 Uhr
Lisa-Marie Birnbeck, lk, ffu, heiAutor