2024-05-02T16:12:49.858Z

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Je größer die Chance, desto schwieriger ist der erfolgreiche Abschluss. 	Karikatur: Heinrich Schwarze-Blanke
Je größer die Chance, desto schwieriger ist der erfolgreiche Abschluss. Karikatur: Heinrich Schwarze-Blanke

Von Tränen und Nervenflattern

Warum Stürmer vor den dicksten Chancen den größten Respekt haben

Wörrstadt. Die letzten Sekunden im Spiel zwischen TuS Wörrstadt und dem SC Bad Neuenahr: Völlig überraschend kommt Alina Wagner völlig frei im Strafraum der Rheinländerinnen an den Ball – vor ihr nur noch die Torhüterin und das große Tor. Sie zieht ab und jubelt das Leder weit über den Kasten drüber. Abpfiff. TuS Wörrstadt hat das Regionalliga-Spiel mit 0:1 verloren.

Szenen wie diese gibt es oft im Fußball. Die Reaktionen der Spieler(innen) fallen allerdings ganz unterschiedlich aus. Die Wörrstädterin Alina Wagner war am Boden zerstört, Tränen kullerten. Eine solche Chance zu vergeben, das war ganz offensichtlich, tut weh.

Björn Grimm, der Angreifer des Bezirksliga-Zweiten TSV Gau-Odernheim, kann sich nur allzu gut in ihre Lage versetzen: „Das passiert uns Stürmern immer wieder einmal. Es gibt für uns nichts Undankbareres, als wenn wir vorm Abschluss viel Zeit haben und vorher absehen können, der Ball muss drin sein. Vergeben wir, dann können wir nur blöd aussehen.“

Einen kleinen Trost gibt es, sagt Grimm: „Solche Malheure können allen Fußballern passieren – von der Champions League bis in die C-Klassen.“ Andreas Buch, bislang erfolgreichster Torjäger beim Oberligisten TSG Pfeddersheim, pflichtet bei: „Natürlich habe ich das auch schon erlebt. Allerdings, soweit ich mich erinnere, noch nie in der letzten Minute. Wobei es egal ist. Wann immer es passiert, ist es ärgerlich und geht einem lange nach.“

In der Theorie, sagt Buch, ist alles klar: Wenn man alleine auf einen Torwart zuläuft, dann sollte man alle anderen Gedanken ausblenden. Einzig was zählt, ist der Abschluss. In der Praxis aber sei das schwierig: „Da gibt es so viele Dinge, die einem durch den Kopf gehen“. Nicht zuletzt die Überlegung, welche Konsequenzen die Aktion hat. Und die Palette ist sehr reichhaltig, schildert Buch: Etwa, ob es um wichtige Punkte im Abstiegs- und Titelkampf geht, wie der aktuelle Spielstand lautet oder wie eine vergleichbare Szene früher mal abgelaufen ist. Kurzum: Es gibt viele Nebengeräusche, die Stürmer von ihrer zentralen Aufgabe ablenken können.

So emotional wie Alina Wagner reagieren Fußballer eher selten auf ihre Fehlschüsse. Einfach wegstecken, ist aber auch nicht ihr Ding: „Jeder geht anders damit um“, meint Björn Grimm aufgrund seiner langjährigen Erfahrung. Beruhigend wirke auf ihn der Zuspruch durch die Mitspieler. Kommentare wie „komm‘, das Spiel geht weiter“ oder „der nächste sitzt“ würden über die erste Enttäuschung hinweghelfen, schildert der 25-Jährige. Vom gleichen Krisenmanagement spricht Andreas Buch: „Aufmunterungen durch die Mitspieler sind wichtig“.

Sie sind aber kein dauerhaftes Allheilmittel. Andreas Buch. „Das Wochenende ist gelaufen, wenn einem ein solches Missgeschick unterlaufen ist“. Es gehe einem lange nach: „Man denkt einfach immer wieder dran, wie wäre das Spiel gelaufen, wenn ich das Tor gemacht hätte“, schildert der Oberliga-Spieler.

Ein wichtiges Ventil für die Spieler ist danach das Gespräch mit dem Trainer. Sie haben oft ebenfalls schon solche Situationen erlebt. So wie Christian Schäfer vom Landesligisten SV Horchheim, der in solchen Fällen die Aktion im Gespräch aufarbeitet: „Man unterhält sich mit dem Spieler, fragt ihn, wie sich für ihn die Situation darstellte, welche Idee er hatte, wie er die Aufgabe lösen wollte.“ Er schildert aber auch, wie sie aus seiner Sicht hätte bewältigt werden können – immer in der Absicht, dem Betroffenen für die Zukunft eine Hilfestellung zu geben.

„Es schießt ja keiner absichtlich am Tor vorbei“, findet auch Boris Hetzel, der Trainer des Bezirksligisten TG Westhofen. Er kennt solche Situationen zur Genüge: „Zum Glück aber nicht in dieser Saison.“ Gerade, wenn die letzte Minute laufe und dem Tor Bedeutung zukomme, stünden die Stürmer erheblich unter Stress. Da einen ordentlichen Abschluss hinzubekommen, sei auch eine Frage der Psyche. Verfehlt ein Spieler das Ziel, sei hinterher Aufbauarbeit angesagt. Genauso hat es Wörrstadts Trainer Jockel Weinz gesehen, der sich kurz nach dem Schlusspfiff um seinen bedauernswerten Pechvogel kümmerte.



Aufrufe: 025.4.2017, 11:00 Uhr
Claus RosenbergAutor