2024-05-10T08:19:16.237Z

Der Spieltag
Joe Zinnbauer hatte viele Angebote, blieb aber dem HSV treu. Foto dpa
Joe Zinnbauer hatte viele Angebote, blieb aber dem HSV treu. Foto dpa

Trainer-Star der Regionalliga warnt vor zu großer Euphorie

HSV-Trainer Zinnbauer ist die Attraktion in der Fußball-Regionalliga Nord

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Zinnbauer durfte vor fast genau einem Jahr den Karrieresprung von der vierten in die erste Liga absolvieren. Und stürzte dann jäh ab, als er im März als Cheftrainer des Hamburger SV entlassen wurde. Jetzt ist er da, wo er vorher auch war: Trainer der U23 des HSV und damit nächster Gegner der SV Drochtersen/Assel am kommenden Sonntag (14 Uhr).

Joe Zinnbauer weiß, was er in diesen Tagen meist als erstes gefragt wird: Warum Regionalliga? Wir erinnern uns: Nach acht Siegen aus den ersten acht Partien mit der U23 übernahm der vom KSC gekommene und in Hamburg völlig unbekannte Trainer im September vergangenen Jahres den Chefsessel bei den Profis – für den entlassenen Mirko Slomka. Nach einem sensationellen Start mit einem 0:0 gegen die Bayern holte Zinnbauer mit dem Bundesligisten 24 Punkte aus 23 Spielen. Nach dem 0:1 gegen Hertha am 20. März trennte sich der damalige Tabellenletzte von ihm, zumindest vorerst.

Nach seiner Entlassung acht Spieltage vor Schluss hatte er diverse Angebote aus der Zweiten Liga und dem Ausland.

Dennoch entschied sich der 45-Jährige für die Rückkehr in den alten Job. „Ich hatte ja noch einen Vertrag“, sagt er grinsend, wohl wissend, dass dies nicht das Problem gewesen wäre. Warum? „Ich finde, es ist ein tolles Gefühl für diesen Verein zu arbeiten“, sagt Zinnbauer. Der HSV habe ihm schließlich die Möglichkeit gegeben, vom Co-Trainer in Karlsruhe zur U23 und dann in die Bundesliga zu kommen. Auch nach seiner Freistellung, für die er Verständnis hatte, habe es viele positive und emotionale Begegnungen gegeben. „Die Fans und die Mitarbeiter in der Geschäftsstelle haben mir immer wieder das Gefühl gegeben, dass es gut wäre, hier weiter zu arbeiten.“ Weil das dann auch die HSV-Führung so wollte, habe er seinem Bauchgefühl nachgegeben, was er nicht bereut habe. „Bei allem Respekt, aber Hamburg ist halt schon etwas anderes als Karlsruhe.“

Was aber nicht heißt, dass er die Bundesliga abgeschrieben habe: „Ich habe mir meinen Traum kurzzeitig erfüllt, aber er ist noch nicht zu Ende“, sagt Zinnbauer, der keinen Zweifel daran lässt, dass er in die erste Liga zurück möchte. Irgendwann. Zinnbauer: „Ich überlege gerne zweimal, bevor ich mich entscheide, manchmal vielleicht zu lange.“

Schon vor der Saison hat der neue und alte Trainer der U23 vor allzu großer Euphorie gewarnt. „Die Mannschaft ist keinesfalls so reif, wie im vergangenen Jahr“, sagte er im Juli. Nach fünf Spielen sieht er sich bedingt bestätigt: „Unser Spiel ist noch nicht so ansehnlich, dennoch bin ich positiv überrascht von der Entwicklung, vor allem wenn ich an die Punkte denke und die, die wir leichtfertig vergeben haben.“ Ein Sieg in Goslar, zwei Unentschieden und zwei Niederlagen stehen in der Saisonbilanz, mit fünf Punkten liegt der HSV in der Tabelle gleichauf mit dem Gegner am Sonntag. „Ich wusste, wo wir stehen, aber das wollten mir vor der Saison weder die Trainer-Kollegen noch die Presse glauben.“ Viele A-Jugend-Spieler seien im Team, die sich erst noch an das Niveau der Regionalliga gewöhnen müssten.

Aber letztlich sei dies genau seine Aufgabe: Spieler ausbilden und an den Bundesliga-Kader führen. Wenn das gelingt, wie jetzt bei Gideon Jung, sei es „großartig.“ Auch der an den KSC ausgeliehene Mohamed Gouaida habe eine tolle Entwicklung hinter sich. Dass er den HSV verlassen habe, sei bedauerlich, müsse aber akzeptiert werden. Zinnbauer: „So ein Wunsch geht meist vom Spieler aus, ich kann ihn durchaus verstehen, dass er in der zweiten Liga spielen möchte.“

Das Problem für Zinnbauer: So ganz genau weiß er nie, welche Spieler er im Kader hat. Am vergangenen Wochenende in Flensburg standen mit Ahmet Arslan, Ronny Marcos und Mohamed Gouaida drei Akteure auf dem Platz, die auch im Profi-Kader trainieren. Zumindest Gouaida ist am Sonntag gegen D/A nicht dabei.

Wo Drochtersen liegt? „Etwa 80 Kilometer von Hamburg entfernt, aber über die Elbe wäre es näher“, sagt Zinnbauer, der auch schon mal ein Spiel von D/A gesehen hat: Als Trainer von Oldenburg. Dass er mit Oldenburg schon mal gegen D/A-Trainer Enrico Maaßen, damals Spieler in Goslar, die Klingen gekreuzt hat, wusste er nicht, vom TAGEBLATT informiert, zeigte er sich aber angetan von der steilen Karriere von Enrico Maaßen vom Spieler zum erfolgreichen Trainer: „Es freut mich immer, wenn der Fußball solche Geschichten schreibt.“

Unterstützung von den Profis
Ahmet Arslan und Ronny Marcos sind beim HSV II dabei

Die ersten fünf Spiele: Der HSV II spielte bisher eine durchwachsene Saison. Typisch war das Spiel am vergangenen Sonntag in Flensburg: Aus einem 0:2-Rückstand machte die Zinnbauer-Truppe ein 2:2 und verlor am Ende doch mit 2:3. D/A-Trainer Enrico Maaßen bezeichnet den Saisonstart seiner Mannschaft als „richtig gut“. Fünf Punkte aus fünf Spielen und die dicken Brocken Wolfsburg, Flensburg und Norderstedt gehörten bereits zu den Gegnern, dazu das Überwintern im Niedersachsen-Pokal mit der Chance auf den Finaleinzug und die Qualifikation für den DFB-Pokal.
Das Problem: Vorne hat der HSV II in den ersten fünf Spielen seine Chancen leichtfertig vertan und hinten fallen die Gegentore zu einfach. D/A stabilisierte sich nach der 0:4-Klatsche in Flensburg in der Abwehr, kreiert aber immer noch zu wenige Torchancen. In fünf Spielen gelangen erst drei Treffer. Vielleicht haben die acht Tore im Pokal gegen den Oberligisten SV Teutonia Uelzen den Kehdingern, was das angeht, Selbstvertrauen gegeben.
Das Personal: Die Moral stimmt in der jungen HSV-Truppe, die am Sonntag gegen D/A wohl wieder mit Ahmet Arslan und Ronny Marcos aus der Profi-Mannschaft auflaufen dürfte. Sollte Gideon Jung mit dem HSV gegen Köln am Sonnabend nicht spielen, wäre auch sein Einsatz in der Zinnbauer-Elf denkbar. Neu im Kader ist der Südkoreaner Young-Jae Seo, der am Mittwoch als Nachwuchstalent vom HSV verpflichtet wurde. Der Linksverteidiger aus Seoul soll über die U23 an die Bundesligamannschaft herangeführt werden. „Der HSV-Kader hat eine wahnsinnige Qualität“, sagt D/A-Trainer Enrico Maaßen. Die Spieler seien richtig schnell.
Maaßen selbst muss wahrscheinlich erneut auf Finn-Patrick Gierke verzichten. Gierke hatte am vergangenen Wochenende gegen Norderstedt mit dem Schlusspfiff das Tor zum 1:1-Unentschieden erzielt. Die muskulären Probleme beim Linksfuß sind wieder ausgebrochen. Danny-Torben Kühn hat sich beim Pokalspiel in Uelzen eine Prellung am Knie zugezogen, als er den Treffer zum 5:0 markierte. Mittelfeldspieler Jannes Elfers kann nach seiner Knieverletzung wenigstens schon ein wenig Radfahren. Sven-Sören Zöpfgen steigt nach seinem Bänderriss am Fuß in die Reha ein. Mehr als drei Dutzend Termine stehen im Plan des Sechsers.
Die Aussichten: Der HSV II sei eine Mannschaft, bei der die Drochterser nicht unbedingt gewinnen müssten, meint D/A-Trainer Maaßen. Das Ziel seien dennoch drei Punkte.
Die Unterschiede: Laut Internetportal Transfermarkt.de haben die Spieler des HSV II einen Gesamtmarktwert von knapp vier Millionen. D/A liegt bei 1,25 Millionen Euro. (wst/db)

Aufrufe: 027.8.2015, 20:56 Uhr
TAGEBLATT/Wolfgang StephanAutor