2024-05-10T08:19:16.237Z

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Setzt sich mit dem VfB klare Ziele: Geschäftsführer Philipp Herrnberger BILD: von Reeken
Setzt sich mit dem VfB klare Ziele: Geschäftsführer Philipp Herrnberger BILD: von Reeken

"Müssen den schlafenden Riesen wecken"

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Noch viel Entwicklungspotenzial sieht VfB-Geschäftsführer Philipp Herrnberger beim Regionalligisten. Der 31-Jährige will mit dem Fußball-Club nun den nächsten Schritt machen – aber auf finanzielle Risiken verzichten.




Frage: Herr Herrnberger, der VfL Wolfsburg II spielt derzeit in der Relegation um den Drittliga-Aufstieg gegen Jahn Regensburg. Wie sehr tut es weh, da zuzuschauen?

Philipp Herrnberger: Wir sind natürlich traurig. Man muss aber anerkennen, dass Wolfsburg II unter Vollprofi-Bedingungen trainiert, strukturell einfach besser aufgestellt ist und in der Rückrunde quasi alles gewonnen hat.

Frage: Der VfB hat eine begeisternde Saison gespielt und Anfang der Hinrunde einen Sieben-Punkte-Vorsprung auf Wolfsburg gehabt. Letztlich waren es fünf Zähler Rückstand. Was ist passiert?

Herrnberger: Wir haben eine kurze Phase Mitte der Rückrunde gehabt, in der wir geschwächelt haben – und die hatte Gründe. Dazu gehört das Thema Ernährung, aber auch mentale Fitness.

Frage: Die Spieler waren nicht fit genug?

Herrnberger: Doch, grundsätzlich schon. Ich glaube, es fehlte uns dennoch etwas die Kraft. Am Anfang sind die Akkus voll, aber sie werden irgendwann leerer. Über die richtige Ernährung kannst du sie schneller wieder aufladen. Wolfsburg hat schlichtweg optimale Bedingungen. Wir spielen hingegen größtenteils mit Amateuren, die nebenbei noch arbeiten müssen. Dass der Akku da irgendwann leerer wird, ist nachvollziehbar. Zudem konnten wir Ausfälle nicht alle kompensieren, woran wir für die Zukunft auch stärker arbeiten müssen.

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Frage: Trotz der Leistungen hat der VfB Aufstieg und Einzug in den DFB-Pokal verpasst. Sie haben Transparenz bewiesen und Ihren Sponsoren einige Zahlen offengelegt. In der Mitteilung heißt es, die wirtschaftliche Situation des VfB sei schwierig. Was bedeutet das?

Herrnberger: Der DFB-Pokal hätte natürlich Geld in die Kassen gespült, das in der neuen Saison fehlt. Das wirkt sich auf Spieleretat und unser Wirtschaften aus. Wir werden genauso improvisieren müssen, wie das zuletzt der Fall war. Wir befinden uns seit Jahren in einer schwierigen Situation, wie so viele ambitionierten Regionalliga-Clubs.

Frage: Es heißt dort auch, dass der Verein mit 53 Punkten in dieser Spielzeit geplant hat, und dass durch die 76 erreichten Zähler und die damit verbundenen Prämienzahlungen Mehrkosten von 50000 Euro entstanden sind. Hat der VfB sich verplant?

Herrnberger: Nein, wir haben realistisch kalkuliert. Vor der Saison war das Ziel Klassenerhalt. Wenn du dann Erster bist, musst du alles dafür tun, um Erster zu bleiben. Mir ist jedoch wichtig, dass wir die Meisterschaft nicht mit Biegen und Brechen erreichen wollten. Wir sind nicht ins finanzielle Risiko gegangen. Wir hatten zum Beispiel einen Sponsoren, die das Trainingslager im Winter und die Nachverpflichtungen finanziert haben. Unser Problem ist, dass wir nach wie vor die Brocken aus der Vergangenheit vor uns her schieben.

Frage: Die da wären?

Herrnberger: Wir starten in jede Saison mit einem Minus, das ist Fakt. Dann kommen Sponsoring- und Zuschauereinnahmen, die gleichen das wieder aus. Die große Last ist das Marschwegstadion. Mehr Punkte und mehr Zuschauer bedeuten nicht mehr Geld. Mehr Zuschauer heißt auch auch mehr Ausgaben für Reinigung, Sicherheit, Ordnungskräfte. Wir zahlen 120000 Euro pro Saison für den Spielbetrieb im Marschwegstadion. Das ist eine heftige Summe. Unser Wunsch ist es, dass wir mal bei Null in eine Saison starten, um Erfolg planbarer zu machen. Um diese Strukturen zu schaffen, brauchen wir jedoch noch zwei, drei Jahre.

Frage: Was genau meinen Sie für Strukturen?

Herrnberger: Wir müssen uns im Hintergrund personell und von den zahlreichen Prozessen her besser aufstellen. Auch in der Jugend müssen wir uns weiterentwickeln. Wir wissen, wo es in der Region in der B- und A-Jugend gute Spieler gibt und diese müssen wir zusammen mit dem JFV bestmöglich fördern – dies fängt aber im Verein schon in der E-Jugend an. Zum Beobachten brauchen wir Leute, was nur ein Beispiel ist. Diese Entwicklungen gehen nur mit strategischen Partnern.

Frage: Warum ist es für den VfB seit Jahren so schwierig, Sponsoren zu begeistern?

Herrnberger: Es wurden Fehler in der Vergangenheit gemacht, die die Leute abhalten, zum VfB zu gehen, oder ihn zu unterstützen. Das höre ich immer wieder, und – da bin ich ehrlich – das nervt. Einige erkennen noch nicht, dass nun andere Personen am Werk sind. Dann heißt es: Seit 15 Jahren habe ich die und die Erfahrung gemacht mit dem VfB, das mache ich nicht wieder. Diese Leute wieder zu überzeugen, geht nur mit kontinuierlicher Arbeit. Dass sie sagen, ich steig wieder ein, ist unser Ziel. Das ist ein schwieriger Spagat. Auf der einen Seite müssen wir Geduld haben. Auf der anderen Seite haben wir die Chance, oben anzugreifen. Also brauchen wir jetzt schon jeden Unternehmer aus der Region, der sich der Aufbruchstimmung ausschließt. Der Fußball ist hier ein schlafender Riese, und wir müssen es schaffen, ihn zu wecken.

Frage: In Ihrer Mitteilung ist die Rede von einem Investment im mittleren sechsstelligen Bereich, das fehlt …

Herrnberger: Dann könnten wir sagen: Wir spielen sicher um den Titel, wir können unser Scouting verbessern, wir stellen uns professioneller auf. Wir sind aber auch auf jede kleine Summe angewiesen. Wir müssen gucken, dass wir durch Kontinuität mehr Vertrauen schaffen. Da sind wir mit sportlicher Leitung und Vorständen auf einem guten Weg, den wir gemeinsam weitergehen – ohne finanzielles Risiko. Die Menschen müssen Köpfe mit dem VfB verbinden, daran arbeiten wir. Wir werden unseren Kopf jedenfalls nicht in den Sand stecken, sollte es nächste Saison nicht klappen, sondern noch härter arbeiten.

Frage: Gehen die fehlenden Pokal-Einnahmen auch auf Kosten des Kader-Etats?

Herrnberger: Er wird ganz leicht abgespeckt sein. Unser Kader hat 23500 Euro in der letzten Saison gekostet, davon bezahlt Wolfsburg einen Spieler – dennoch haben wir oben angeklopft. Unter normalen Umständen spielen wir mit diesem Etat im Mittelfeld. Das zeigt in erster Linie, was für eine herausragende Arbeit Spieler und Trainer geleistet haben. Da gebührt ihnen ein Riesen-Lob. Wir wollen und werden auch in der neuen Saison oben mitspielen. Ich glaube schon, dass die Leistung wiederholbar ist, weil wir ein extrem gutes Team mit Dietmar Hirsch, Ralf Voigt und unserem Vorstand haben.

Frage: Auf Trainer und Sportdirektor wartet die nächste Herkulesaufgabe. Bei 14 Abgängen muss ein neues Team aufgebaut werden. War der Umbruch so radikal geplant?

Herrnberger: Ein, zwei Abgänge haben uns schon überrascht, der Rest war so erwartet. Die beiden werden wieder das Beste aus unseren Möglichkeiten herausholen. Wir werden einen jungen Kader haben, und Dietmar ist bei den Spielern mentale Stärke und Einstellung wichtig. Diese Jungs suchen wir, das ist unser Weg. Stand jetzt sind wir fünf Wochen früher dran als im vergangenen Jahr.

Frage: Wäre es aber nicht wichtig, Kontinuität auch auf dem Platz herzustellen?

Herrnberger: Das ist in diesem Jahr nicht so einfach. Spieler wie Uzelac, Volkmer, Engel haben sich für höhere Ligen aufgedrängt. Andere müssen aufgrund ihrer Arbeit kürzertreten. Und wenn Spieler wechseln wollen, weil sie in der Regional- oder Oberliga mehr Geld verdienen, dann sagen wir: Es tut uns leid, wir können dich nicht halten. Zudem wurde der letzt Kader von Pedraq Uzelac und Boris Ekmescic zusammengestellt. Der war zwar erfolgreich, aber Hirsch und Voigt legen schon Wert auf andere Dinge. Der neue Kader wird erstmals Ihrer sein.

Frage: Sie haben den Vertrag mit Ibrahim Temin um zwei weitere Jahre verlängert …

Herrnberger: Er hat sich toll entwickelt und ist ein gutes Beispiel für unseren Weg. Nur mit Talenten und Eigengewächsen geht es aber nicht, da muss man ehrlich sein. Wir wollen Jugendspielern eine gute Perspektive geben, das sieht man an den Beispielen Uzelac und Volkmer. Wir brauchen aber auch gestandene Spieler, wenn wir oben angreifen wollen.

Frage: Sind Sie am Sonntag eigentlich Wolfsburg-Fan?

Herrnberger: Ja, ich drücke ihnen das einzige Mal in dieser Saison die Daumen, damit wir sie los sind. Dann könnte die Spitze der Regionalliga in der neuen Spielzeit sehr ausgeglichen sein, und da wollen wir mit dem VfB dabei sein.

Aufrufe: 027.5.2016, 06:47 Uhr
Lars BlanckeAutor