2024-04-25T14:35:39.956Z

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F: Guido Brennecke
F: Guido Brennecke

Mindestlohn: Spieler nein, Trainer ja

Osnabrück Stadt und Land: Vertragsfußballer nur in Oberliga - Debatte geht weiter

Osnabrück. Seit Montag ist er vom Tisch, der Mindestlohn im Sport - glauben viele nach der verkürzten Wahrnehmung einer sogenannten Klarstellung von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Was für Vertragsfußballer gelten mag, betrifft aber längst nicht die vielen weiteren Angestellten in den Clubs. Reaktionen aus Großvereinen und Verbänden der Region.

,,Grundsätzlich sind Regelungen zu begrüßen, die Vereinen das Leben erleichtern. Und für Vertragsamateure scheint sich in der Tat einiges zu vereinfachen", sagt Ralf Dammermann. Der Geschäftsführer des Stadtsportbunds hat die sogenannte Klarstellung der Arbeitsministerin vom Montag genau studiert. Amateur-Vertragssportler wie Fußballer, die als Minijobber beschäftigt sind, fallen nicht unter das Mindestlohngesetz, heißt es da. ,,Hier steht nicht die finanzielle Gegenleistung, sondern der Spaß an der Sache im Vordergrund. Daher können wir nicht von einem klassischen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sprechen", hatte Nahles nach einem Treffen mit Vertretern des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gesagt.

Minijob gleich Mindestlohn: Dieser Schluss ,,gilt für Vertragsspieler nicht", machte dort auch Reinhard Grindel klar. Der DFB-Schatzmeister sagte, dass dies für alle Sportarten mit Vertragssportlern gelte. Grindel weiß aber, dass dies für den Fußball ganz besonders gilt: Laut DFB gibt es bundesweit 8800 Vertragsamateure, die in der Regel um die 250 Euro Aufwandsentschädigung erhalten - allein in Niedersachsen sollen es rund 1000 sein.

Sie können weitermachen wie bisher, was Dammermann durchaus in Ordnung findet. Den SSB-Geschäftsführer stört etwas anderes: ,,Aussagen wie: Man soll Platzwarte nicht als Minijobber anmelden, sondern ihnen einfach Aufwandsentschädigungen zahlen. In der Stadt kenne ich keinen Platzwart, der das für 60 Euro im Monat macht." Hintergrund: Für Vorstände, Schiedsrichter oder Platzwarte ist die Aufwandsentschädigung bis zu dieser Höhe steuer- und sozialversicherungsfrei. Für Trainer und Betreuer gilt als Freibetrag 200 Euro im Monat.

Peter Abs, Geschäftsführer des Osnabrücker SC, findet die Idee des Mindestlohns grundsätzlich löblich. Hausmeister und Putzfrauen beispielsweise, sensible Jobs im Mindestlohnsektor, hätten ,,schon immer" Stundenzettel über ihre Arbeiten im OSC ausgefüllt. Die Umsetzung des Gesetzes im Sportbereich sei allerdings ,,bislang eine Katastrophe" gewesen.

Besonders pikant dürfte - gerade für Großvereine wie auch den OTB oder etwa den SC Melle als größten Club im Landkreis - sein, dass Minijobs von Übungsleitern nach jetzigem Stand nicht nur steuer- und sozialversicherungspflichtig sind, sondern auch unter die Mindestlohn-Regel fallen, wenn ihre Vergütung den Freibetrag von 200 Euro im Monat übersteigt. Ein Problem, das sich verstärken könnte, wenn diese Trainer gleichzeitig organisatorisch im Auftrag des Vereins aktiv sind. Beispiel: Wer morgens kommt, um für ein Fußballturnier Dinge aufzubauen, und abends nach dem Abbau aufhört, kommt schnell auf viele Stunden in der Woche - die per Mindestlohn-Regel entlohnt werden müssten. Hier könnte eine Kostenlawine auf einige Clubs zurollen, deren Tragweite längst nicht alle erkannt haben.

So erscheint die Tatsache, dass die Vertragsamateur-Debatte bezüglich der aktiven Sportler nun eigentlich keine mehr ist, nur als ein Tropfen auf den heißen Stein. Zumal sie in Stadt- und Landkreis Osnabrück nur eine geringe Rolle gespielt hätte. Derzeit gibt es laut Angaben aus den Clubs weder bei den Basketball-Frauen der OSC Panthers Vertragsamateure noch bei den vier Fußball-Landesligisten SC Melle 03, BW Hollage, SV Bad Rothenfelde und SC Türkgücü.

,,Bei uns gibt es nur Fahrtkostenerstattung und Prämien", sagt Björn Knabke als erster Vorsitzender von BW Hollage. Nur der Trainer erhalte eine Vergütung - so wie in Bad Rothenfelde, wo Präsident Karl-Wilhelm Twelkemeyer von ,,Fahrtkosten und Aufwandsentschädigungen" für einige Fußballer spricht.

,,Hier läuft alles über Pauschalen und Aufwandsentschädigungen. Nur für drei Monate im Herbst hatten wir mal einen Vertragsamateur", sagt Präsident Ahmet Ulusoy für den SC Türkgücü. Alle unterschreiben, was Manager Henning Wiehemeyer für Melle formuliert: ,,Das Statement von Frau Nahles ist ein positives Signal für die Clubs und vor allem für den Sport."

Das unterstreichen auch Manfred Wilke für die Sportfreunde Lotte (Fußball-Regionalliga) sowie Sportkoordinator Lothar Gans für des VfL Osnabrück. In beiden Clubs sind mehrere Vertragsamateure aktiv: beim VfL in der Oberliga-Elf, in Lotte an der Schwelle zwischen Regionalliga-Elf und Reserveteam. ,,Es hätte ja nicht sein können, dass wir einem ambitionierten Youngster verbieten hätten müssen, bei den Profis zu trainieren, nur weil sein Mindestlohn-Zeitkonto vollgelaufen wäre", erklärt Wilke. Und beim VfL lässt man durchblicken, dass man Vertragsamateure ohne die Klarstellung aus der Politik aus Kostengründen auf reinen Amateurstatus hätte abstufen müssen - mit der Folge des Verlustes des Versicherungsschutzes für die Kicker.

Nahles hatte übrigens stets betont, dass die Verständigung mit DOSB und DFB im Amateurvertragsbereich keine Korrektur ihres Gesetzes bedeutet hätte. Dies alles sei schon in einem Protokoll des Arbeitsausschusses des Bundestages festgehalten worden. Diese Protokollnotiz sei durchaus verbindlich.

Eine Protokollnotiz etwa für Trainer war nie Thema.

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Kommentar zum Thema: Illegalität boomt

Seit Montag ist er vom Tisch, der Mindestlohn im Sport – glauben viele. Doch es blieben viele Probleme. Ein Kommentar.

Das Gezerre um den Mindestlohn im Sport in den letzten Wochen hat eindrucksvoll gezeigt, wie Politik derzeit läuft: erst die Verabschiedung eines halb fertigen, halb präzisen Gesetzes mit dem bewussten Hintergedanken, erst einmal abzuwarten, wo und wie sich Widerstand formiert. Dann ein Hinterzimmer-Treffen zwischen Politik und Lobby-Vertretern, das mit einer Erklärung endet. Die ist so gestaltet, dass Letztere ihre Interessen durchsetzen und die erstgenannte Partei ihr Gesicht wahrt.

Vertrauensbildend ist das nicht. Mehr Rechtssicherheit für Dritte – Vereine und ihre angestellten Trainer – herrscht nach der sogenannten Klarstellung der Ministerin auch nicht. Im Sinne des Sports geht ihre Ansage, dass für Vertragssportler der Mindestlohn nicht gilt, wenigstens in die richtige Richtung. Weil den Vereinen zumindest bezüglich ihrer aktiven Sportler die Basis zum Wirtschaften erhalten bleibt – auch wenn sie an der Schwelle zwischen Amateur- und Profisport unterwegs sind. Szenarien wie Stechuhren an Sportplätzen dürften ebenso vom Tisch sein wie (Mindest-)Lohnnachzahlungen an Vertragssportler nach Zollprüfungen – aus den Taschen haftender Vorstände.

Bezeichnend ist trotzdem, dass ein ehrenamtlich tätiger Vorstand hierzulande ein Steuerfachseminar belegen muss, um zu verstehen, wie er einen Trainer, Platzwart oder Sportler gesetzlich korrekt und mit möglichst geringen Abgaben und Lohnnebenkosten an seinen Club bindet. Kein Wunder, dass die Illegalität boomt – gerade bei Prämienzahlungen an leistungsorientierte Sportler: Verschwiegene Übergaben farbloser Briefumschläge sind im höherklassigen Sport verbreitet und in ihrer Durchführung herrlich einfach. Im momentanen Gesetzes-Dschungel ändert daran auch ein potenzieller Mindestlohn nichts – eher im Gegenteil.

Aufrufe: 026.2.2015, 11:30 Uhr
Benjamin Kraus / Neue Osnabrücker ZeitungAutor