2024-03-18T14:48:53.228Z

Allgemeines
F: Michael  Mietz
F: Michael Mietz

Manipulation oder Notwendigkeit?

Lässt rechtliche Zulässigkeit Fragen sportlicher Fairness zu? Pro und Contra.

Der folgende Fall wiederholt sich in jeder Saison. Ein Verein trifft auf die Zweitvertretung eines Klubs, und dieser setzt Spieler der höherklassigen ersten Mannschaft ein. Statt eines Duells zweier Kreisliga-Mannschaften spielt dann zum Beispiel ein Kreisligist gegen eine halbe Landesliga-Truppe.
Der Favorit wird unvermittelt zum Außenseiter. Am Ende ist der Ärger beim Verlierer solch plötzlich ungleicher Duelle groß. Das Gefühl, unfairen Bedingungen zum Opfer gefallen zu sein, kommt zwangsläufig. Aber es ist nur ein Gefühl, denn die Regeln erlauben den Einsatz der höherklassigen Spieler. Aufstiegsträume oder das Saisonziel „Klassenerhalt“ werden auf diese Weise manchmal erheblich beeinträchtigt.

So sorgte auch das Spiel in der Essener Kreisliga A zwischen dem Heisinger SV und der Reserve des ESC Rellinghausen für Schlagzeilen. Heisingen, Aufstiegskandidat, empfing den stark abstiegsbedrohten ESC II. Vom Papier her eine leichte Aufgabe für den HSV. Hätte Rellinghausen nicht neun Spieler in der Startformation gehabt, die bereits in dieser Saison bei der Erstvertretung in der Landesliga-Gruppe 3 zum Einsatz gekommen sind.

So änderte sich die Favoritenrolle vor der Begegnung schlagartig. Und da die Partie am Ende deutlich mit 1:4 verloren wurde, war der Ärger bei den Heisingern ausgeprägt. Der Vorsitzende des HSV, Dr. Peter Küpperfahrenberg, veröffentlichte einen offenen Brief, in dem er die Fairness des ESC Rellinghausen in Frage stellte. Rellinghausen handelte nach eigener Ansicht jedoch rechtmäßig. Der Heisinger SV legte trotzdem Einspruch ein, noch ist von der Spruchkammer keine Entscheidung getroffen worden.

In der Duisburger Kreisliga A, Gruppe 1, gab es einen ähnlichen Fall. Der SV Wanheim 1900, ebenfalls im Rennen um den Aufstieg, empfing die Landesliga-Reserve des VfB Speldorf. Und auch in dieser Partie lief die Speldorfer Reserve, die den vorletzten Platz belegt, mit sieben Spielern der ersten Mannschaft auf. Weil Wanheim trotz der ungleichen Bedingungen am Ende mit 2:1 gewann, hielt sich der Ärger in Grenzen.

Unabhängig davon, dass der ESC Rellinghausen und der VfB Speldorf möglicherweise zulässig gehandelt haben, stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die rechtliche Zulässigkeit, eine Vielzahl von Spielern der ersten Mannschaft in der Reserve einsetzen zu dürfen, Fragen der sportlichen Fairness gänzlich außer Acht zu lassen darf.

Auch in der FuPa-Redaktion wurde heftig diskutiert. Ein Pro und Contra:

Pro Sportliche Fairness

Kein Fußball-Funktionär oder Experte wird müde zu sagen, dass der Fairness-Gedanke im Fußball bzw. Sport stets im Vordergrund stehen muss. In Fällen wie den vorliegend geschilderten wird sportliche Fairness mit Füßen getreten. Auch wenn der Zweck einer zweiten Mannschaft unter anderem darin besteht, Reservisten oder verletzt gewesenen Akteuren Spielpraxis im Unterbau zu verschaffen, heißt das nicht, dass ein Verein durch den Einsatz von sieben oder mehr Spielern der Ersten aktiv und manipulativ in Saisonziele anderer Mannschaften eingreifen darf.
Auch wenn es nur ein Spiel betrifft, die anderen Aufstiegskandidaten profitieren letztlich elementar, dass sie eben nicht gegen eine Landesliga-Mannschaft antreten müssen, wenn sie auf die entsprechende Zweitvertretung treffen. Und jeder Spieler oder Verein, der mit seiner Mannschaft selbst einmal durch eine solches Verhalten benachteiligt wurde, sollte die nötige Stärke haben, sich zu sagen: „Wir hätten das nicht gemacht.“ Sich hingegen hinzustellen und den Einsatz der höherklassig kickenden Spieler damit zu rechtfertigen, selbst einmal durch eine ähnliche Situation benachteiligt worden zu sein und das anvisierte Saisonziel verpasst zu haben, täuscht über die eigene Unfairness keineswegs hinweg. Unabhängig davon, dass kein Verbandsregelverstoß vorliegt: Mit Fairness hat das nichts zu tun.

Adrian Terhorst

Contra Recht ist Recht

Auch wenn der Ärger beim vermeintlich benachteiligten Team am Ende groß sein mag, darf es dem gegnerischen Verein nicht zum Vorwurf gemacht werden, Spieler aus der Ersten eingesetzt zu haben; denn die Verbandsregeln geben den Wechsel innerhalb des Klubs her. Wieso sollte ein Verein den Abstieg der eigenen Reserve gefährden, wenn er Spieler der Ersten nicht einsetzt, obwohl er durch die Verbandsregeln gerechtfertigt wäre? Das Problem liegt nicht beim Verein, der die Spieler einsetzt, sondern beim Verband und dessen Regeln, der ein solches Unterfangen offenkundig nicht ausreichend einschränkt. Ein Abstieg der Zweitvertretung hat schließlich Folgen für den Spielbetrieb der ersten Mannschaft. Junge Spieler, die den Sprung in die erste Mannschaft noch nicht auf Anhieb schaffen und über die die Zweite herangeführt werden sollen, kommen oder bleiben nur, wenn eine gewisse Liga gehalten beziehungsweise garantiert wird. Kein Verein kann sich dieser Konstellation entziehen und wird immer versuchen, den Unterbau in einer Liga zu halten oder einen Aufstieg mit Hilfe aus der Ersten zu schaffen. Recht ist Recht.

Christina Kunze

Aufrufe: 03.3.2015, 09:20 Uhr
Adrian TerhorstAutor