Rainer Zietsch: Das muss nicht unbedingt sein; als ich hier als U17- Trainer angefangen habe, gab es praktisch kein Nachwuchsleistungszentrum.
Der U17-Trainer, zum Beispiel, machte das damals nebenberuflich.
Zietsch: Ich habe damals als Geschäftsführer der Stiftung Jugendfußball gearbeitet und bin viermal die Woche nach Büroschluss an den Valznerweiher gefahren und habe die B-Jugend trainiert. Nach zwei Jahren habe ich den Entschluss gefasst, dass das vom zeitlichen Aufwand her nicht mehr zu leisten ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte Martin Bader begonnen, die Nachwuchsarbeit zu professionalisieren und mich gefragt, ob ich Interesse hätte, das mit aufzubauen. Martin Bader und ich kannten uns schon, bevor ich hier angefangen habe.
Und waren sich als Landsmänner...
Zietsch: Nein, nein. Ich bin Badener, Martin Bader ist Schwabe.
„Es geht verstärkt um Persönlichkeitsentwicklung, das macht mir Spaß“Oh, dann nehme ich das zurück, Sie waren sich also nicht von Beginn an sympathisch, sondern eher spinnefeind?
Zietsch: Das natürlich auch nicht. Wir sind keine Blutsbrüder, aber es war und ist Respekt füreinander da, auch, weil wir hier gemeinsam einiges aufgebaut haben. Ich habe das damals gerne gemacht, als der Verein entschieden hat, sich in diesem Bereich professioneller aufzustellen. Mir hatte in meinem damaligen Hauptberuf der direkte Kontakt zu den Jugendlichen gefehlt. Ich wollte das, was ich über den Jugendfußball gelernt hatte, direkt an die Spieler weitergeben. Die U17 ist zum Beispiel ein Bereich, in dem es auch verstärkt um Persönlichkeitsentwicklung geht, die Spieler sind in diesem Alter noch formbar, sie suchen noch ihren Platz im Leben. Das macht mir Spaß.
Wenn man aber schon zwei Jahre hier als U 17-Trainer gearbeitet hat, muss es doch auch etwas gegeben haben, das gegen den Job gesprochen hat. Gab es nicht den Gedanken: Professionelle Nachwuchsarbeit beim Club, das wird sowieso nie was?
Zietsch: Nein, wir hatten die Stiftung zuvor ja auch vom Nullpunkt aufgebaut, ich kenne mich mit Aufbauarbeit aus. Und ich habe schon in den Jahren als B-Jugend-Trainer gemerkt, dass dieser Verein, den ich ja selbst noch als Spieler kannte, auf junge Spieler setzen muss. Das wurde damals nicht wirklich gelebt. Martin Bader hat versichert, dass er die Zukunft darin sieht, eigene Spieler zu entwickeln.
An was hat es denn damals noch gemangelt?
Zietsch: Fakt ist, dass wir damals noch nicht diese Form der Sichtung hatten, nicht diese inhaltlichen Vorgaben für die Jugendarbeit, die wir inzwischen haben. Auch jetzt kann uns natürlich einmal ein Talent durchrutschen, aber als wir begonnen haben, ging es uns darum, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Spieler zum einen entdeckt werden und zum anderen auch oben bei den Profis ankommen. Das war das große Ziel.
Wurde das Ziel erreicht?
Zietsch: Es wurde eindeutig erreicht, auch wenn der ein oder andere nicht dieser Meinung ist.
Es scheint sogar, als wären das viele, die anderer Meinung sind. Wenn beim Club etwas kritisiert wird, dann ist das erst der Sportvorstand, also Martin Bader, dann aber folgt gleich die Nachwuchsarbeit.
Zietsch: Ich kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Wir haben vor kurzem einmal zusammengetragen, dass ab dem 92er Jahrgang in jedem Jahrgang zwei, drei, vier Spieler waren, die Jugend-Nationalspieler geworden sind. Das hat kein anderer Verein vorzuweisen. Im Zweitliga-Spiel gegen Leipzig hatten wir zwei Spieler im Kader, die letztes Jahr noch in der A-Jugend gespielt haben, außerdem mit Manuel Bihr einen 93er Jahrgang, den wir damals für die U 23 geholt haben. Ich bin überzeugt, dass es an diesem Wochenende keinen Erst- oder Zweitligisten gab, in dem zwei 95er im Team standen, darüber hinaus Max Dittgen, der dritte 95er, der auch im Kader war. Es verwundert, dass es Leute gibt, die sagen, die Kollegen in Fürth arbeiten erfolgreicher als wir.
Machen das die Fürther nicht? Die Spielvereinigung steht mit der U 21, der U 17 und mit den Profis in der Tabelle besser da als der Club.
Zietsch: Das soll jetzt aber nicht das Argument sein, oder? Wie viele Fürther Jugendspieler haben denn in den letzten fünf Jahren den Sprung in die erste oder zweite Liga geschafft?
Johannes Geis und Felix Klaus?
Zietsch: Das ist der Jahrgang, in dem wir Markus Mendler und Sebastian Gärtner hatten. Das ist inzwischen ein paar Jahre her.
Also ist das nur ein Missverständnis mit der Fürther Überlegenheit?
Zietsch: Schauen Sie, wir sind ein Traditionsverein, zu dem viele Menschen eine Meinung haben. Bei uns reden viele Ehemalige mit, die in ihrer Karriere angeblich nie gegen Fürth verloren haben. Sie haben die Einstellung, der Club sollte nur mit Spielern aus Franken spielen — überspitzt formuliert. In den letzten sechs Jahren war der Club in den ausschlaggebenden Jahrgängen weit häufiger vor Fürth als umgekehrt.
Der 1. FCN ist ja auch der größere Verein.
Zietsch: Warum? Weil man mehr Geld ausgibt?
Man hat mehr Geld, mehr Fans.
Zietsch: Was hat Jugendarbeit mit den Zuschauern zu tun? Was denken Sie, nach welchen Kriterien Eltern heute den Verein für ihr Kind aussuchen? Infrastruktur ist ein ganz wichtiges Thema: Wo schläft mein Junge? Da geht es nicht darum, ob das ein Traditionsverein ist. Wie kümmert sich der Verein um das schulische Fortkommen? Das machen viele Nachwuchsleistungszentren inzwischen sehr gut. Wir ebenfalls, aber bei uns wird das Glas viel zu oft halb leer gesehen. Das ärgert mich. Wir haben aus dem Jahrgang 1992 mit Marvin Plattenhardt und Michael Heinloth zwei Bundesliga- Spieler hervorgebracht. Dazu Julian Wießmeier. Bei den 93ern waren es Markus Mendler, Sebastian Gärtner, Benjamin Uphoff, Sinan Tekerci.
Die nicht so richtig Bundesligaspieler geworden sind.
Zietsch: Sinan Tekerci entwickelt sich in Dresden weiter. Benjamin Uphoff kann es auch noch schaffen. Wir haben aus dem Jahrgang 95 Niklas Stark, Tobias Pachonik, Maximilian Dittgen, Pascal Köpke, Pascal Itter, den wir nach Schalke abgegeben haben. Und beim 96/97er Jahrgang, die aktuelle A-Jugend, sind einige dabei, die Profi werden können. Ob es am Ende reicht, liegt aber nicht nur an uns.
Sie haben Itter angesprochen, einen Rechtsverteidiger, dem man Martin Angha vorgezogen hat. Das kann doch einem NLZ-Leiter nicht gefallen.
Zietsch: Ich habe damals Pascal Itter empfohlen, in Konkurrenz zu Martin Angha zu treten. Er entschied sich für Schalke, wo er sich bis jetzt nicht durchsetzen konnte. Grundsätzlich macht man sich bei jeder Verpflichtung Gedanken, ob nicht im eigenen NLZ vergleichbare Spieler mit ähnlichem Entwicklungspotenzial vorhanden sind. Das entscheiden wir gemeinsam.
An der viel zitierten Durchlässigkeit muss also gearbeitet werden?
Zietsch: Ja, klar. Man darf die Spieler nicht zu früh abschreiben. Sie müssen aber auch bereit sein, Hindernisse zu überwinden. Aber das heißt nicht, dass wir schlechte Arbeit machen im NLZ. Wir werden bundesweit auch anders wahrgenommen. Wir sind ein Verein, der schon auch schaut, wie das die anderen machen.
Nach Fürth zum Beispiel.
Zietsch: Wir fahren nach Mönchengladbach, nach Köln - dort heißt es häufig, dass Mainz und Nürnberg momentan so wahrgenommen werden, dass dort bei dem Thema am meisten passiert ist.
Noch einmal zurück zu dem Spiel gegen Leipzig mit Pachonik, Dittgen oder Bihr.
Zietsch: Niklas Stark sollten Sie nicht vergessen, der ist derselbe Jahrgang wie Tobias Pachonik.
Der passt aber nicht zu diesem Gespräch.
Zietsch: Ja genau, der ist zu gut.
Also die anderen, das sind doch eher, nun ja, Ergänzungsspieler.
Zietsch: Zeigen Sie mir einen Verein, der vier Starks produziert.
Ich frage ja den NLZ-Chef.
Zietsch: Ich kenne keinen. Schauen Sie sich die U 19-Europameister an, von denen Niklas Stark der Kapitän ist. Die sind seit Juli Herrenspieler. Da spielen Kempf in Freiburg und teilweise Selke in Bremen. Die anderen nicht, aber die haben auch noch Zeit, um zum Profi zu werden. Das darf man doch nicht anders erwarten. Die Entwicklung geht ohnehin in die Richtung, dass man den Jungen wieder etwas mehr Zeit lässt.
Aber gleichzeitig macht man aus der U 23 eine U 21? Das widerspricht sich doch.
Zietsch: Es ist ein erhöhtes Risiko, das ist uns bewusst. Aber das hängt auch damit zusammen, dass wir wissen, dass wir so viele gute, junge Spieler haben. Für die muss man auch Platz machen.
Lassen Sie uns mal ein wenig über Geld sprechen: Sie haben 4,1 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung.
Zietsch: Letztes Jahr waren wir von den Bundesligisten, was die Aufwendungen für das NLZ betrifft, unter dem Schnitt. Und natürlich muss man schauen, was diese Summe beinhaltet, zum Beispiel, ob die U 21 eingerechnet ist. Man kann das schwer vergleichen. Bei uns ist die U21 im NLZ, bei anderen, wie Werder Bremen, ist das anders.
„Wir haben einiges erreicht, aber wir sind noch lange nicht fertig“Wie viel Geld bräuchten Sie denn zu Ihrem Glück?
Zietsch: Ich bin glücklich, wie sich das hier verändert hat. Wir haben einiges erreicht. Wir sind sehr gut dabei — und werden außerhalb Nürnbergs auch sehr gut wahrgenommen.
Zum Beispiel in Fürth.
Zietsch: Ja, auch in Fürth.
Sie könnten sich das ja alles ersparen, Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Oder werden Sie doch verlängern?
Zietsch: Das besprechen wir intern.
Euphorie hört sich anders an.
Zietsch: Gut, ich gehe davon aus, dass wir weiter daran arbeiten, dass wir auch weiterhin Spieler für die erste Bundesliga ausbilden. Wir sind hier noch lange nicht fertig.
Es laufen noch ein paar andere Verträge aus im NLZ.
Zietsch: Über Vertragsinhalte, wie Laufzeiten, äußern wir uns in der Öffentlichkeit nicht.
Nahezu alle bis auf den des U17-Trainers laufen aus, wenn unsere Informationen stimmen.
Zietsch: Es laufen jedes Jahr Verträge aus. Wir hatten zuletzt eine zu große Fluktuation im Trainerteam und wollen weiterhin Kontinuität. Wir brauchen in jeder Altersstufe Spezialisten, um uns weiter zu verbessern.
Das heißt, dass Sie im Moment noch nicht überall die Optimallösung gefunden haben?
Zietsch: Wir optimieren kontinuierlich. Aber es wird nach der Saison keinen kompletten Austausch geben.
Wenn dann mal alle Verträge verlängert sind: Gibt es eine Zielvorgabe für die Zukunft, was die Arbeit des NLZ betrifft?
Zietsch: Was ist denn, wenn ich sage, dass wir jedes Jahr zwei Spieler für die erste Mannschaft herausbringen wollen? Dann habe ich nach vier Jahren schon acht sehr junge Spieler in dieser Mannschaft, vielleicht sogar auf der gleichen Position. Dann stimmt möglicherweise die Balance nicht mehr. Man kann Jugendarbeit nicht nur an einer Zahl festmachen.