2024-04-30T13:48:59.170Z

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Rainer Zietsch
Rainer Zietsch – Foto: DFB

Kein Kopfball-Verbot im Jugendfußball

Ein DFB-Nachwuchstrainer erklärt, worauf im Übungsbetrieb stattdessen zu achten ist

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Rheinhessen. In England, Schottland und Nordirland gibt es seit 2020 Kopfball-Verbote im Kinder- und Jugendfußball. Kinder unter zwölf Jahren dürfen seitdem im Training keine Kopfballübungen mehr machen. In den USA gilt dies sogar für Kinder unter zehn Jahren. Grundlage dieser Regeländerungen war eine schottische Studie aus dem Jahr 2019. Diese hat ergeben, dass bei Fußballern ein erhöhtes Risiko vorherrscht, an Alzheimer oder Demenz zu sterben.

Darauf nahm die seit längerer Zeit auch in Deutschland stattfindende Debatte über mögliche Kopfball-Verbote im Jugendfußball wieder Fahrt auf. Von zahlreichen Fachärzten wird ein Verbot gefordert. Anfang dieses Jahres hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf dem Bundesjugendtag in Duisburg sogenannte weitergehende Richtlinien zum Kopfballspiel im Kinder- und Jugendfußball beschlossen. Einer, der diese Vorgaben mit herausgearbeitet hat, ist Rainer Zietsch.

Von klein auf im athletischen Bereich arbeiten

Der ehemalige Stuttgarter und Nürnberger Bundesliga-Profi arbeitet seit mehreren Jahren als Jugendtrainer in den U-Nationalmannschaften. Und er ist klar gegen ein grundsätzliches Kopfballverbot bei den Junioren. Zietsch erklärt: „Das würde bedeuten, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter keinen einzigen Kopfball im Training gemacht haben. Wenn sie älter sind, sind Kopfbälle irgendwann erlaubt und dann können sie es nicht.“

Das halte der Juniorentrainer für viel gefährlicher – für die körperliche Entwicklung der Kinder und mögliche Langzeitfolgen am Gehirn. Ohne Übung ist das Kopfballspiel unkoordiniert und die Muskulatur der Kinder noch nicht darauf ausgelegt. Stattdessen sei es wichtiger, schon früh die richtige Kopfballtechnik zu erlernen. Dafür verfolgt der DFB verschiedene Ansätze. Grundsätzlich sei es wichtig, bei den Trainingsübungen „sukzessive zu steigern”. Zietsch erläutert: „Die Richtlinien empfehlen, mit leichteren Bällen zu trainieren und im Kleinfeldfußball neun bis zwölf Kopfbälle einmal wöchentlich ins Training zu integrieren.” Im Bereich von E- oder D-Jugend sollten dazu Bälle mit 290 Gramm Gewicht verwendet werden. In der C-Jugend kann das Gewicht der Bälle auf bis zu 450 Gramm gesteigert werden, was dem Gewicht im Herrenbereich entspricht. „Im Kinderfußball kann man erste Übungen mit Luftballons ab und zu als Hinführung einbauen“, so Zietsch. Neben den angepassten Übungsformen sei es außerdem entscheidend von klein auf mit den Kindern im athletischen Bereich zu arbeiten. „Die Kräftigung von Hals-, Nacken- und Schultermuskulatur ist sehr wichtig. Das geht schon mit ganz einfachen Halteübungen.“

Die Schulung des Raum-Zeit-Gefühls

Im Altersbereich, in dem Zietsch arbeitet, werde der Fokus noch stärker auf die richtige Technik gelegt. „Wir haben festgestellt, dass in der U16 oder U17 oft Timing beim Kopfball das Problem ist. Die Jugendlichen haben öfter Probleme mit dem Raum-Zeit-Gefühl.“

Der Lösungsansatz: Kopfballtraining ohne Zweikämpfe und Bewusstsein sowie Überzeugung beim Kopfballspiel schaffen. „Aber auch hier sollte man auf geringe Wiederholungszahlen bei regelmäßigem Kopfballtraining achten“, betont der Übungsleiter. Genauso wichtig wie das Training der Spieler ist die Sensibilisierung der Trainer. Beim DFB sei wahrgenommen worden, dass viele Jugendtrainer nach Bekanntwerden der schottischen Studienergebnisse „zusammengezuckt“ seien. Eine gewisse Unsicherheit, welche Übungen richtig, welche gar gefährlich für die Kinder seien, habe sich breitgemacht. Zietsch rät deswegen: „Die Empfehlungen des DFB zu kennen, sich damit auseinandersetzen und daran orientieren.“

Die Forschung geht weiter

Dass das Kopfballspiel an sich bei Fußballern für körperliche Schäden sorgt, konnte die schottische Studie zudem nicht eindeutig nachweisen, betont der Trainer. Zietsch weist darauf hin, dass zwischen dem Kopfballspiel und Zusammenstößen, die beim Kopfball passieren könnten, unterschieden werden müsse. „Dies wurde fälschlicherweise in einen Topf geworfen“. Der Jugendtrainer unterstreicht: „Solange es keine gegenteiligen Studien gibt, finde ich, dass die Empfehlungen des DFB zum Kopfballtraining im Kinder- und Jugendbereich absolut ausreichend sind.“ Wichtig sei es aber in jedem Fall, dass auf diesem Gebiet weitere Studien betrieben werden.“



Aufrufe: 025.10.2022, 10:00 Uhr
Aaron NeumannAutor