2024-05-10T08:19:16.237Z

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"Ist der Kopf nicht frei, spielen die Beine auch nicht mit"

Können sich Moerser Amateurtrainer in die Situation der Brasilianischen Nationalelf versetzen?

Wir haben uns bei Moerser Amateurtrainern umgehört, ob sie schon mal ein ähnliches Debakel erlebt haben und ob sie mit Brasilien fühlen können.

Friedel Baumann hat mit zwei seiner Teams auch schon ganz bittere Niederlagen erlitten. Der aktuelle Coach der Regionalliga-Frauen des GSV Moers kam als Co-Trainer von Bayer Leverkusen 0:7 in Wolfsburg unter die Räder, und mit der Regionalliga-Truppe von Borussia Mönchengladbach verlor er ein Testspiel gegen den Zweitligisten 1. FC Köln 0:11. "Bei so einem Spielverlauf geht die Zeit nicht vorbei. Da kann man keinen klaren Gedanken mehr fassen", sagt Baumann, der dennoch nicht nachvollziehen kann, wie sich die Brasilianer nach der Pleite gegen Deutschland gefühlt haben. "Das sind ganz andere Dimensionen. Aber am Ende sind auch solche Topprofis nur Menschen."

Thorsten Schikofsky hat zwar schon mal mit Hamborn 1:7 in einem Freundschaftsspiel gegen den Bundesligisten Dortmund verloren, doch da waren die Kräfteverhältnisse andere als im ersten WM-Halbfinale. "Zum Glück habe ich solch eine bittere Niederlage noch nicht erlebt. Doch die Partie war ein Paradebeispiel dafür, dass Spiele im Kopf entschieden werden", sagt der Trainer des SV Schwafheim, der glaubt, dass die Brasilianer daran zerbrochen sind, dass auf ihnen die Erwartungen von 200 Millionen Menschen lasteten. Ab dem vierten Tor konnte er sich nicht mehr für Deutschland freuen, da hatte er nur noch Mitgefühl für die Spieler dieser großen Fußballnation.

Albert Mehmeti hat schon mal als Spieler des TuS Fichte Lintfort in der Landesliga 0:8 in Bottrop verloren, zur Pause stand es wie am Dienstag schon 0:5. "Das ist brutal. Du stehst da und weißt nicht mehr, was du machen sollst", sagt Mehmeti, der inzwischen selbst Fichte-Coach ist. Den Hauptgrund für das Debakel gegen Deutschland sieht er in der großen Emotionalität der Brasilianer. "Wenn der Kopf nicht frei ist, spielen die Beine auch nicht mit. Die Brasilianer waren wie gelähmt und konnten deshalb nicht zeigen, was sie wirklich können", glaubt Mehmeti. Er ist zwar begeistert von dem deutschen Auftritt, doch er glaubt, dass das Spiel anders gelaufen wäre, wenn die Gastgeber geführt hätten.

Sascha Weyen kann sich nicht daran erinnern, schon mal bei einem wichtigen Match solch eine Klatsche kassiert zu haben. Dennoch weiß der Coach des VfL Repelen nur zu gut, dass es im Saisonverlauf immer wieder Spieler gibt, in denen zu viele Gegentore fallen. "Dann bricht alles wie ein Kartenhaus zusammen. Dann hätte man als Trainer gerne eine Auszeit. So steht man aber draußen, würde gerne eingreifen, kann aber nichts machen", erklärt Weyen. Hauptgrund der brasilianischen Pleite war für ihn das Fehlen von Führungsspielern. "Da ist eine Welt zusammengebrochen. Niemand hat daran gedacht, dass etwas schiefgehen kann. Folglich fehlte ein Plan B."

Horst Riege kann sich sehr gut in die Brasilianer hineinversetzen. Zum Abschluss der vorigen Oberliga-Saison kassierte er in seinem letzten Spiel als Trainer des SV Sonsbeck daheim gegen TuRU Düsseldorf eine 0:8-Pleite. "Ich war am Boden zerstört. Schließlich wollte ich mich vom Verein und den treuen Fans anders verabschieden", sagt der 61-Jährige. So kann er sich gut vorstellen, wie es in den brasilianischen Spielern und Trainer Scolari aussah, als das Unheil seinen Lauf nahm und alle vor dem Hintergrund der großen Probleme im Land an die Millionen von Fans gedacht haben. "Das ist wie bei Dominosteinen. Wenn ein Spieler kippt, folgen die anderen ganz schnell."

Hrvoje Vlaovic hat schon viele Fußballschlachten geschlagen. Deswegen weiß er: "In der Höhe habe ich zwar noch nicht verloren, doch etwas Ähnliches hat jeder schon mal mitgemacht, der Fußball spielt." Der Erwartungsdruck sei enorm gewesen und als es dann 0:3 gestanden habe und klar gewesen sei, dass das Spiel nicht mehr zu drehen war, seien die Beine immer schwerer geworden. "In der Haut der Brasilianer möchte ich nicht stecken. Das ist für die ein Alptraum", sagt der aktuelle Trainer des GSV Moers. Er findet es klasse, dass die Deutschen im Moment des verdienten Triumphes Größe gezeigt haben, indem sie den am Boden zerstörten Brasilianern Trost spendeten.

Aufrufe: 010.7.2014, 11:01 Uhr
Rheinische PostAutor