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Querpass
Fotomontage: Wagner
Fotomontage: Wagner

Der Pokalheld von Plattling

Querpass-Flashback 1993: Thomas Boxleitner wirft Mainz 05 fast im Alleingang aus dem DFB-Pokal

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Darf ich vorstellen. Thomas Boxleitner, heute 42, damals 25. Wohnhaft damals wie heute: Neuschönau im bayerischen Wald. Beruf: Bankangestellter. Nebenberuf: Torjäger. Größter sportlicher Erfolg: Dreifacher Torschütze im DFB-Pokal - 1. Hauptrunde gegen den FSV Mainz 05, 1993. Verein: SpVgg Plattling. Eine Geschichte, die nur der Pokal schreiben kann.


(Auszug aus der aktuellen Querpass-Ausgabe August 2010)

Keine Frage, es war der Tag des Thomas Boxleitner - der 3. August 1993. DFB Pokal. Erste Hauptrunde. Gegner: die Profimannschaft des FSV Mainz 05. 4500 Zuschauer im Plattlinger Rennbahnstadionstadion. Keiner, aber auch wirklich gar keiner hätte im Vorfeld auch nur einen Pfifferling auf eine Niederlage des haushohen Favoriten gesetzt, dem damals souveränen Tabellenführer der Zweiten Bundesliga. Außer vielleicht Trainerlegende Alfred Kohlhäufl - er hat sie alle eines Besseren belehrt.

„Nur keine Angst vor den Mainzern. Ihre Schwachstelle ist die linke Mittelfeldposition, da sind sie verwundbar. Ihr werdet sehen, die packen wir!“, analysierte Trainer Kohlhäufl vor dem Spiel. Der Ex-Bundesligaprofi, der einst bei Borussia Dortmund gespielt hat und mit den Münchener Löwen gar schon Deutscher Meister wurde, ließ erst gar keine Zweifel an dem späteren Sieger aufkommen. Und er sollte Recht behalten.

Der Spitzenreiter der Zweiten Liga reiste standesgemäß im verdunkelten Mannschaftsbus an. Selbstsicher, vielleicht sogar ein bisschen arrogant wirkten sie vor ihrem Pflichtprogramm an der Plattlinger Rennbahn. Thomas Boxleitner war zu dem Zeitpunkt noch gar nicht da. Irgendwo auf den 75 Kilometern von Freyung nach Plattling muss er da gerade unterwegs gewesen sein. Bis zum Mittag hatte er noch am Schalter in der Bank gearbeitet, und das obwohl das Spiel der Spiele auf dem Programm stand. Aufgeregt? „Nein, aufgeregt war ich nicht. Unser Trainer hatte uns die Anspannung völlig genommen“, erinnert sich der mittlerweile 42-jährige Neuschönauer. „Kohlhäufl hat uns top eingestellt. Er hat uns diese Professionalität vorgelebt. Jeder hat an den eigenen Sieg geglaubt.“

Jürgen Klopp: der Einzige, der sich gewehrt hat

So kam es, wie es kommen musste. Fünf Minuten waren rum und es stand 2:0 – für Plattling. Mittelstürmer Boxleitner hatte zweimal zugeschlagen. Die Vorarbeit, zweimal über rechts. „Wir haben den wunden Punkt der Mainzer gnadenlos ausgenutzt. Sepp Gsödl hat auf der rechten Seite eine überragende Partie gemacht“, resümiert Boxleitner bescheiden. Beim 1:0 lenkte Boxleitner eine Gsödl-Flanke mit letztem Einsatz über die Linie. Drei Minuten später verwertete er die Hereingabe per Sololauf, durch die Beine von Gästetormann Manfred Petz. Acht Minuten später fiel das 3:0 für Plattling durch einen Freistoßtreffer von Jochen Weigl. „In der ersten Viertelstunde haben wir die Mainzer durch Sonne und Mond gespielt. Das überraschende war, dass sie’s einfach über sich ergehen ließen. Der Einzige, der sich noch a bissl gewehrt hat war mein Gegenspieler Jürgen Klopp“, erklärt der Goalgetter, dessen Team vor der Pause noch den Anschlusstreffer zum 3:1 hinnehmen musste.

Die Halbzeitansprache in der Plattlinger Kabine? Es gab keine. „Trainer Kohlhäufl hat kein Wort gesagt. Er hat nur immerzu geschmunzelt. Da haben alle gewusst, heut schaut’s gut aus. Das war das größte Lob, dass er uns machen konnte.“ In der Gästekabine war – wen wundert’s - das komplette Gegenprogramm angesagt. Und die Worte vom serbischen Trainer Josip Kuze zeigten Wirkung. Nach dem Seitenwechsel präsentierte sich der FSV deutlich engagierter.

"Das schönste Tor meiner Karriere"

Arno Glesius und Jürgen Klopp, der in seiner Profikarriere nur vier Pflichtspieltreffer erzielte, sorgten für den Ausgleich. Jetzt drängten die Mainzer auf den Siegtreffer, Plattling konnte sich kaum noch befreien. Nur eine einzige Torchance erspielte sich die SpVgg. Aber genau die sollte die Sensation perfekt machen – in der 83. Spielminute. Klostermeier störte die Mainzer im Spielaufbau, grätschte seinem Gegenspieler den Ball ab und legte den Ball quer auf Thomas Boxleitner. Aus einem unmöglichen Winkel, vom 16er-Eck aus, zog der Neuschönauer einfach ab und versenkte den Ball genau ins Tordreieck. „Keine Frage, das war das schönste Tor in meiner Karriere. Die eigentliche Sensation war aber nicht, dass wir die Mainzer aus dem Pokal rausgehauen haben, sondern dass wir zu einem Zeitpunkt, als jeder mit unserem Einbruch gerechnet hat, den Siegtreffer erzielen konnten.“

Drei Tore gegen Mainz. Danach ein Interview mit BR-Mann Markus Othmer. Am nächsten Tag war er der Star in den Gazetten. In der Sparkassen-Geschäftsstelle tauchte ein RTL-Kamerateam auf, das über den Niederbayern unbedingt berichten wollte. Sogar der Bundesligist SC Freiburg klopfte bei Boxleitner an. „Das war alles so unwirklich. Außerdem ist ein Wechsel für mich gar nicht in Frage gekommen, schon gar nicht während der Saison.“

Gefeiert wurde der Sieg gegen den Zweitligisten übrigens nicht. Die Auslosung der zweiten Pokalrunde hat sich Boxleitner auch nicht angesehen. Borussia Mönchengladbach hieß der Gegner. Gegen den Bundesligisten war man chancenlos. 0:3 hieß es nach 90 Minuten. Aber das war nicht mehr so wichtig. Boxleitners aufregendster Tag seines Lebens war ohnehin nicht mehr zu toppen.


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Aufrufe: 018.8.2010, 10:55 Uhr
Sebastian ZiegertAutor