2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Ausreden gibt es nicht mehr: Jahn-Trainer Christian Brand  Foto: Eibner
Ausreden gibt es nicht mehr: Jahn-Trainer Christian Brand Foto: Eibner

Brand: "Wir sind keine Bubi-Truppe mehr"

Regensburgs Trainer Christian Brand spricht im FuPa/MZ-Interview über Veränderungen, gute Omen und Angst vor schwierigen Aufgaben

Regensburgs Trainer Christian Brand spricht im FuPa/MZ-Interview mit Jürgen Scharf und Heinz Reichenwallner über Veränderungen, gute Omen und Angst vor schwierigen Aufgaben. Zudem verrät der SSV-Coach, wie er den Klassenerhalt mit dem Drittliga-Schlusslicht doch noch packen will.

Herr Brand, hinter der Mannschaft liegen seit dem Start der Vorbereitung ein Kurztrainingslager, zig Trainingseinheiten und fünf Testspiele. Wo steht das Team jetzt, kurz vor dem Start in die restliche Rückrunde?

Christian Brand: Es war von Anfang an klar, dass wir während der Vorbereitungsphase noch Spieler holen. Daher muss man die Ergebnisse in den Testspielen relativ sehen. Dennoch bin ich der Meinung, dass sich die Mannschaft in die richtige Richtung entwickelt. Wir sind viel, viel torgefährlicher geworden und wir sind im Umkehrspiel nach vorne und nach hinten deutlich besser geworden. Wir sind zudem auf dem Weg, einen echten Fighting-Spirit zu entwickeln. Jede Partie muss für uns wie ein Pokalspiel sein. Das ist die Kernbotschaft an das Team.

Zum Teil fielen enorm viele Spieler verletzt aus. Hat das die Vorbereitung behindert?

Überhaupt nicht. Es waren immer genug Testspieler da, um das Training vernünftig durchführen zu können. Jetzt müssen wir aber umso konsequenter bis zum Dortmund-Spiel hinarbeiten, weil die gesamte Mannschaft endgültig komplett ist.

Wenn es gegen Dortmund schiefgeht, könnten Sie sagen, dass die Zeit, um die Neuen zu integrieren, nicht gereicht hat.

Nein. Ausreden gibt es sowieso nicht mehr. Ich habe in meiner gesamten Zeit, die ich hier bin, das Gefühl, dass wir uns nicht in Floskeln retten wollen. Sicher, es gab wegen unserer sportlichen Situation viele Wechsel. Aber das ist jetzt eben so, das ist abgehakt. Die Integration läuft ja bei einigen schon über mehrere Wochen.

Haben Sie selbst schon einmal eine vergleichbar radikale Veränderung einer Mannschaft miterlebt?

Ja, in meiner allerersten Saison als Profi, ebenfalls in der 3. Liga, in Herzlake. Da kamen im Sommer 22 neue Spieler und im Winter noch einmal acht. Das war natürlich absurd, aber es ging zumindest in dieser Saison gut. Wir haben die Klasse gehalten.

Ein gutes Omen für Ihre Arbeit beim Jahn?

Ja, gerne. Würde mich freuen.

Ist der neue Torwart Richard Strebinger die Nummer eins?

Er muss sich schon dem internen Konkurrenzkampf mit Dominik Bergdorf stellen, aber es ist schon jemand, der als Nummer eins spielen kann.

Der Jahn hat sich im Gegenzug von Torwart Stephan Loboue getrennt. War das nach seinem Streit mit den Fans (Loboue hatte die Anhänger als asozial und Vollidioten bezeichnet, Anm. d. Red.) für alle Beteiligten die beste Lösung?

Ja, auf jeden Fall. Und diese Lösung ging auch von Stephan selbst aus. Zwar sage ich, dass er als Profi solch einen Druck prinzipiell aushalten muss, das verlange ich von einem erfahrenen Spieler wie ihm. Es wäre aber sich nicht einfach geworden.

Bei den aktuell 27 Spielern im Jahn-Kader ist Loboue nicht mehr dabei, dafür aber noch Christoph Rech und Benedikt Schmid, die der Verein ausleihen wollte. Ist das nach wie vor der Plan?

Christoph Rech ist nach meinen Informationen im Gespräch mit einem anderen Verein. Benedikt Schmid ist ohnehin bereits bei der U23. Das ist der Stand heute.

Benedikt Schmid musste eine Geldstrafe zahlen, weil er bei einem Hallenturnier bei einem Gauditeam mitspielte.

Ja, und diese Aktion hat mich in meiner Entscheidung, ihn aus dem Kader zu nehmen, noch einmal bestätigt. Das geht einfach nicht. Das war ein völlig indiskutabler Auftritt. Der Benedikt Schmid war zuletzt sehr oft verletzt - und jetzt spielt er bei einer Stammtischmannschaft mit. Da sage ich klar und deutlich, dass er irgendwie nicht verstanden hat, was Profi-Fußball bedeutet.

Beim Auftakt fehlen die verletzten Oliver Hein und Lukas Sinkiewicz sowie die gesperrten Gino Windmüller und Aias Aosman. Das sind Eckpfeiler der Mannschaft. Ist das zu kompensieren?

Ja. Wir haben jetzt auch in der Breite so viel Qualität, dass wir das auffangen können. Natürlich fehlt uns einer wie der Lukas mit seiner Erfahrung. Aber das müssen die anderen jetzt wettmachen. Wir haben nun einige neue Spieler, die viel Erfahrung haben. Das ist keine Bubi-Truppe mehr.

Sind die ersten drei Spiele gegen Dortmund II, in Rostock und gegen VfB Stuttgart II wegweisend im Abstiegskampf?

Natürlich!

Haben Sie eine Wunsch-Punktzahl für diese drei Partien?

Nein. Denn man kann die Saison nicht an drei Spielen festmachen. Natürlich ist das High Noon für uns, wir brauchen die Punkte, klar. Aber das ist immer noch Fußball, da gibt es so viele Unwägbarkeiten. Wir sind auf jeden Fall gut vorbereitet und haben es selbst in der Hand.

Mit gut 40 Punkten bleibt man in der Liga - so lautet die Faustregel. Der Jahn braucht dazu in den 16 ausstehenden Spielen noch zehn Siege. Ist das möglich, wenn vorher in 22 Spielen nur dreimal gewonnen wurde?

Das kann ich nicht mehr hören. Das interessiert mich gar nicht mehr. Ich hab' gegen die Fakten natürlich keine Argumente, aber ab 31. Januar ist mir jegliche Faustregel egal. Sie bietet mir nämlich keine Lösung. Irgendwann muss ich da auch einen anderen Ansatz finden. Ich habe mich von diesen Dingen gelöst und bin da schon viel weiter. Ich kann mich jetzt nicht mehr mit den fünf Niederlagen zu meinem Start beschäftigen, weil mich das einfach nicht mehr interessiert.

Was ist denn Ihre Lösung?

Die Analyse jedes Spiels ist sofort in unsere Trainingsarbeit geflossen. Sowohl taktisch und technisch, als auch mental, als auch konditionell. Wir brauchen zum Beispiel unter anderem mehr Explosivität, mehr Zweikampfstärke. Das Training haben wir entsprechend gesteuert. Das sind die Hebel, an denen ich ansetzen kann, alles andere bringt mir nichts.

Was würde der schier unmöglich scheinende Klassenerhalt für Sie als Mensch bedeuten?

Das würde für mich als Mensch bedeuten, dass es eine Bestätigung für das Vertrauen in meine Fähigkeiten als Trainer wäre. Dass ich in meinem Beruf auf dem richtigen Weg bin. Mein Selbstbild hängt aber nicht davon ab, ob wir das schaffen oder nicht. Ich bin ja nicht naiv. Ich weiß, dass das auch in die Hose gehen kann. Aber ich glaube fest daran, dass wir es packen.

Haben Sie eigentlich nicht die Befürchtung, dass Ihr Name im Trainer-Geschäft verbrannt sein wird, wenn die katastrophale Niederlagenserie weitergeht?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin grundsätzlich kein ängstlicher Mensch, sonst hätte ich das hier gar nicht gemacht. Wenn ich im Leben nur die Chancen wahrnehme, von denen ich weiß, dass es hundertprozentig ein Erfolg wird, dann muss ich einen ganz anderen Job machen. Das ist im Profisport nicht möglich.

Vor wenigen Tagen wurden Zlatko Muhovic und Azur Velagic suspendiert. Wie die MZ/FuPa erfuhr, hatte sich zuvor auch der Mannschaftsrat gegen die beiden Spieler ausgesprochen. Ist so etwas denn üblich?

Mit beiden Spielern hatte ich zunächst offene und faire Gespräche, in denen ich ihnen klar gesagt habe, dass es schwierig für sie wird, in die Mannschaft zu kommen. Dass ihnen das nicht gefällt, kann ich verstehen. Aber sie sagten zu mir, dass sie es zumindest akzeptieren und weiter voll mitziehen, um das Team nicht zu belasten. In Gesprächen mit dem Mannschaftsrat haben wir dann aber erfahren, dass sie sich eben nicht professionell verhalten haben. Dass sie Unruhe in die Mannschaft gebracht haben. Sie haben ihre Enttäuschung offen gezeigt. Deswegen haben wir sie suspendiert.

Aufrufe: 027.1.2015, 19:20 Uhr
J. Scharf/H. ReichenwallnerAutor