2024-05-17T14:19:24.476Z

Analyse
Beim Empfang auf dem Meitinger Rathausplatz musste Abteilungsleiter Torsten Vrazic eine Bierdusche über sich ergehen lassen. Die SGL-Blaskapelle spielte dem Meister den Marsch.  Foto: Karin Tautz
Beim Empfang auf dem Meitinger Rathausplatz musste Abteilungsleiter Torsten Vrazic eine Bierdusche über sich ergehen lassen. Die SGL-Blaskapelle spielte dem Meister den Marsch. Foto: Karin Tautz

Blitz und Donner als Initialzündung

Wie das »Wunder von Meitingen« seinen Lauf nahm und warum man Meisterschaft und Aufstieg einem verstorbenen Fan widmet

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„Es tut mir leid, dass unser emotionaler Auftritt in Dinkelscherben nicht so gut angekommen ist“, sagt Torsten Vrazic. Am Tag danach hat sich die überschäumende Freude über die Meisterschaft in der Bezirksliga Nord und den Aufstieg in die Landesliga wieder ein kleines bisschen normalisiert. „Ich kann es immer noch nicht ganz realisieren“, sagt der Abteilungsleiter, dem die Feierlichkeiten der vergangenen beiden Nächte noch ins Gesicht geschrieben stehen.

Knapp zehn Jahre ist her, dass er als frischgebackener Fußballchef des gerade in die Kreisliga aufgestiegenen TSV Meitingen mit Sponsor Heinz Klimesch, mit Sonnenbrillen getarnt, auf der Terrasse eines bekannten Meitinger Cafés zusammensaß und eine Allianz schmiedete, die bis heute hält. „Für uns hat sich ein Traum erfüllt“, sagt Vrazic.

Wenn man dem TSV Meitingen jedoch vor Saisonbeginn einen Aufstieg in die Landesliga prognostiziert hätte – sowohl Vrazic als auch Trainer Ali Dabestani hätten derartige Gedanken als völlig absurd abgetan. „Unser Ziel war es, unter die ersten fünf zu kommen“, versichert der Meistercoach glaubhaft. „Dass wir erst am 25. Spieltag die erste Niederlage hinnehmen müssen und drei Spieltage vor Saisonende als Meister und Aufsteiger feststehen, das hat wirklich niemand erwartet.“

Die Initialzündung erfolgte im Auftaktspiel gegen den SV Cosmos Aystetten. Nach einem heftigen Unwetter mit Blitz und Donner musste die Partie bei einem 0:1-Rückstand zur Pause abgebrochen werden. „Vielleicht war das ein Zeichen des Himmels, dass es so nicht geht“, kann Dabestani heute darüber lachen. Von diesem Moment an schweißte sich der mit 16 Spielern relativ kleine Kader zu einem Kollektiv zusammen, entwickelte eine Eigendynamik, die seinesgleichen sucht.

Im Rückblick reiht sich ein Superlativ an den anderen: 24 Spiele ohne Niederlage, beste Abwehr mit 20 Gegentreffern in 28 Spielen, davon zwei Eigentore. Zweitbester Angriff mit 62 Treffern. Taktische Varianten griffen: Die gelernten Stürmer Clemens Schneider und Fabian Wolf trieben das Spiel immer wieder nach vorne, der zu Saisonbeginn urlaubsbedingt fehlende Denis Buja, eigentlich ein rustikaler Abräumer vor der Abwehr, trat in vorderster Front als Torjäger in Erscheinung. Mit 21 Einschüssen führt er die Torschützenliste an. Kapitän Arthur Fichtner vollstreckte mit Bierruhe einen Elfmeter nach dem anderen, hat es als „Sechser“ auf elf Treffer gebracht. „Wir haben uns diesen Erfolg hart und ehrlich erarbeitet. Andere Vereine haben wesentlich mehr investiert“, ist Ali Dabestani stolz auf seine Mannschaft. Zwischen dem 35-Jährigen und den viele Jahre als „untrainierbar“ apostrophierten TSV-Kickern hat die Chemie gestimmt.

Nachdem es im mit so viel Euphorie erwarteten Heimspiel gegen den FC Ehekirchen nicht mit der Meisterfeier klappte, weil man in der Nachspielzeit gerade noch ein 2:2 retten konnte, wurde die Meisterschaft schließlich auf dem Sofa eingefahren. Als der einzige Verfolger TSV Neusäß am Samstag in Holzkirchen verlor, schlug die Stunde der Feierbiester. „Von null auf hundert. Das war der Wahnsinn“, so Dabestani.

Nach der durchzechten Nacht blieb man auch im Landkreisderby beim TSV Dinkelscherben ungeschlagen (3:3), sammelte jedoch wenig Sympathiepunkte, als man sich nach dem ersten Treffer zum Gruppen-Selfie versammelte und am Ende eine Rote und zwei Gelb-Rote Karten kassierte. „Schade, dass dem jungen Schiedsrichter das Spiel in der zweiten Halbzeit komplett aus der Hand geglitten ist“, sagt der Meitinger Coach. Nach dem Spiel ging es mit dem Bus zurück nach Meitingen, wo am Rathausplatz schon die SGL-Blaskapelle und alle drei Bürgermeister zum Empfang warteten. Anschließend gab es noch einen Autokorso. Es wird nicht die letzte Feierei gewesen sein.

Torsten Vrazic und Ali Dabestani denken schon wieder weiter. Am 17./18. Juli beginnt bereits die neue Saison. Der TSV Meitingen hat sich für ein Eröffnungsspiel gegen den TSV Aindling beworben. Nach Christoph Bronnhuber und Florian Bauer (vom TSV Wertingen) sollen auch bald die nächsten Neuzugänge folgen. „Wir sind fast ununterbrochen in Gesprächen“, so Vrazic. Der Kader soll qualitativ und quantitativ optimiert werden. Nachdem sich Roman Artes als bisher einziger Abgang zu seinem Heimatverein TSV Gersthofen verabschiedet, braucht man vor allem einen Torhüter.

Der Abgang des Keepers ist einer von wenigen Wermutstropfen, die in den Meitinger Freudenkelch fallen. „Ich wollte immer in einer Liga mit dem TSV Gersthofen spielen“, sagt Torsten Vrazic. Nach dem Abstieg der Ballonstädter hat man nun sogar die Plätze getauscht. In die Freude mischt sich auch Trauer: Am vergangenen Donnerstag ist mit Herbert „Fere“ Gebhard ein treuer Fan des TSV Meitingen verstorben, der maßgeblich daran beteiligt war, dass es durchaus salonfähig ist, die Spiele des TSV im Trikot zu verfolgen. „Schade, dass er das nicht mehr erleben konnte“, sagt Vrazic. „Wir haben ihm diese Meisterschaft und diesen Aufstieg gewidmet.“

Spielerstatistik 1. Wolf, Fabian (23) 28 3 9 -/- 2 - - - 2 2430 3 2. Schneider, Clemens (24) 28 1 3 -/- 3 1 - - 6 2339 - 3. Yavuz, Okan (21) 27 4 4 -/- 6 - - 3 16 1923 1 4. Fichtner, Arthur (25) 26 11 3 8/8 5 - - 1 2 2211 5 5. Almer, Sebastian (24) 26 - 1 -/- 3 1 - 4 7 1716 - 6. Hoff, Benjamin (25) 25 - - -/- 2 1 - 1 1 2100 2 7. Wippel, Wolfgang (25) 25 - 1 -/- 3 - 1 5 - 1893 - 8. Artes, Roman (26) 24 - - -/- - - 1 - - 2147 1 9. Berisha, Xhevalin (21) 24 3 3 -/- 3 1 1 2 5 1809 2 10. Steppich, Florian (29) 23 - 4 -/- 2 - - 2 3 1913 - 11. Buja, Denis (28) 23 21 9 -/- 10 1 - 1 13 1840 3 12. Winkler, Martin (26) 23 8 8 1/1 1 - - 5 11 1498 - 13. Osman, Marvin (26) 21 9 4 -/- 3 - - 7 4 1350 7 14. Körner, David (26) 20 1 2 -/- 1 - - 10 4 1115 - 15. Ebert, Andre (19) 13 - - -/- - - - 9 3 354 - 16. Perfetto, André (25) 12 - 1 -/- - - - 10 2 228 - 17. Schuster, Stefan (21) 9 - - -/- - - - 9 - 190 - 18. Dabestani, Ali 7 1 - -/- 1 - 1 6 - 139 - 19. Seidel, Benjamin (25) 5 - - -/- - - - 1 - 369 - 20. Tetik, Deniz* (23) 2 - - -/- - - - 2 - 12 -
Aufrufe: 012.5.2015, 09:21 Uhr
Augsburger Landbote / Oliver ReiserAutor