2024-05-10T08:19:16.237Z

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Autogramme von Guido Kandziora waren überall und immer gefragt.  Foto: Verein
Autogramme von Guido Kandziora waren überall und immer gefragt. Foto: Verein

Beeindruckt und offen

Wie Trainer Guido Kandziora drei Monate als Scout Indien erlebte

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Mit einem Mix aus Freude, Spannung und Bedenken reiste Guido Kandziora als Scout nach Indien. „Ich habe vorher extra noch mein Testament gemacht“, erzählt der Langerringer. „Die extremen Einschnitte in mein bisheriges Leben haben sich gelohnt“, sagt der Ex-Trainer des Bayernligisten TSV Schwabmünchen.

Einer der einflussreichsten Geschäftsmänner der Welt, Ronnie Screwvala, steckt hinter dem Millionen teuren Projekt „U Sports“, an dem Kandziora mitwirkt. In Zusammenarbeit mit der TSG Hoffenheim wurden indische Kinder zwischen zwölf und 15 Jahren in ihrem Land von drei Scouts gesichtet. Ziel der Aktion ist unter anderem, eine schlagkräftige U17-Mannschaft zusammenzustellen, die bei der WM 2017 in Indien eine gute Rolle spielt.

„Es war einfach unglaublich: Als wir in Mumbai ankamen, erfuhren wir ein gigantisches Medieninteresse. Ich hatte reihenweise offizielle Empfänge, sogar eine Einladung beim König der Region Kohlapur“ so Kandziora, der nach den Einführungen in seine Arbeit mit seinem Team in den Süden Indiens reiste und dort innerhalb eines Monats in 18 großen Städten pro Tag hunderte Kinder beim Fußballspielen beobachtete, vor allem an Schulen und an den großartigen Stränden des Landes, die in arme und reiche Menschen unterteilt sind. „Ich sah Kinder, die auf der Straße unter einer Zeltplane oder in riesigen Palästen aufwachsen, Hindi, Moslems und Christen. Für uns war aber nur entscheidend, wie groß ihr Fußballtalent ist.“ Mit deutscher Disziplin und Akribie machte sich der Fußballlehrer an seine Aufgabe in einem Land, in dem Fußball eine untergeordnete Rolle spielt. Indien war seit vielen Jahren nicht mehr bei der Weltmeisterschaft dabei“, erklärt Kandziora, der zusammen mit Rekordnationalspieler Mahesh Gawli, vergleichbar in Deutschland mit Lothar Matthäus, die Talente sicherte.

Aus nahezu einer halben Million Fußball begeisterter Kinder filterten die drei Scouts 300 heraus, zogen sie in Mumbai zusammen und prüften dort so lange, bis nur noch 30 übrig blieben. Sie sollen im Juli nach Hoffenheim kommen, in der „achtzehn99 Akademie“ sportlich und kulturell ausgebildet werden und später die Chance erhalten, entweder in Deutschland oder in Indien Fußballkarriere zu machen.

Beeindruckend war die Zeit in Indien nicht nur für die Kinder, sondern auch für Kandziora: „Den Unterschied zwischen den Slums und den Palästen, das unglaubliche Verkehrschaos, die gigantischen Menschenmassen und ihre unterschiedlichen Lebensweisen, die herrliche Natur zu sehen, den riesigen Respekt uns gegenüber, aber auch beispielsweise die Unterdrückung der Frau, den freudlosen Umgang der Menschen untereinander und die rückständigen Erziehungsmethoden zu erleben, das hat mich alles sehr nachdenklich gemacht“, so Kandziora, der nach drei Monaten trotz aller überwältigenden Eindrücke froh war, wieder in Deutschland zu sein.

Und was macht der 47-Jährige neben diesem Projekt? „Derzeit bin ich für die TSG Hoffenheim in ganz Europa unterwegs, beobachte Fußballspiele und suche Talente.“ Der Fußballlehrer kann sich gut vorstellen, in Zukunft als hauptamtlicher Trainer tätig zu sein, am liebsten im Nachwuchsleistungszentrum oder einem ambitionierten Verein. „Ich denke nach diesen einschneidenden Erlebnissen in Indien aber auch darüber nach, in die Entwicklungsarbeit zu gehen oder beides zu kombinieren. Ich bin für alles offen“, sagt Kandziora.

Aufrufe: 016.6.2015, 17:27 Uhr
Schwabmünchner Zeitung / Reinhold RadloffAutor