2024-05-10T08:19:16.237Z

FuPa Portrait
Der vierte Kreuzbandriss besiegelte das Ende der Fußball-Laufbahn, gerade erholt sich Dennis Kaczmarczyk von einer Schlüsselbein-Operation.  F.: Peter Appel
Der vierte Kreuzbandriss besiegelte das Ende der Fußball-Laufbahn, gerade erholt sich Dennis Kaczmarczyk von einer Schlüsselbein-Operation. F.: Peter Appel

Als hätte er Glasknochen

Dennis Kaczmarczyk ist auf dem Weg zum Bundesliga-Profi, als das Verletzungspech zuschlägt +++ Weil dies noch öfter passiert, muss er mit 23 Jahren seine Karriere beenden

2013. Dieses Jahr wird Dennis Kaczmarczyk lange in Erinnerung bleiben. Obwohl ihm nichts lieber wäre, als es schnellstmöglich zu vergessen. Zu verdrängen, was ihm in dieser Zeit zugestoßen ist. Kaczmarczyk hat einen Tiefschlag einstecken müssen. Wieder einmal. Nicht das erste Mal streikt sein Körper unter sportlicher Belastung. Nicht das erste Mal plagt er sich mit schweren Verletzungen. Nicht das erste Mal muss er seinem Arbeitgeber erklären, warum er längere Zeit fehlen wird. Kaczmarzcyk hegt daher nur einen Wunsch fürs kommende Jahr: „Ich wünsche mir Gesundheit, sonst nichts“, sagt er. Man glaubt ihm.

Seit er fünf Jahre alt ist, jagt der Augsburger leidenschaftlich dem Ball hinterher. Ein Leben ohne kann er sich kaum vorstellen. Wird er aber müssen, obwohl seine besten Jahre als Kicker auf ihn warten würden. Mit 23 Jahren ist Schluss. Weder für seinen aktuellen Verein, den Bayernligisten FC Affing, noch für einen anderen wird er jemals wieder auflaufen. Ärzte raten ab, auch die Geduld seines Arbeitgebers ist am Ende.

Vier Kreuzbandrisse hat Kaczmarzcyk erlitten, drei im rechten Knie, einen im linken; das Syndesmoseband ist einmal gerissen; er hat sich einen Leistenbruch zugezogen, Elle, Speiche und Finger gebrochen; als er im Dezember stürzte, brach er sich das Schlüsselbein kompliziert. Vergangene Woche wurde er erfolgreich operiert.

Der junge Mann, dessen Statur an Philipp Lahm erinnert, hat immer wieder viel Zeit, nachzudenken. 30 Fehltage sammelt er 2012, unglaubliche 40 im Jahr 2013. Ohne seinen kulanten, sportbegeisterten Chef hätte der Automobilkaufmann längst seinen Job verloren.

Kaczmarzcyk fragt sich, was mit seinem Körper los ist? Warum es ihn wiederkehrend so hart trifft? Antworten darauf hat er bisher keine gefunden. Manchmal fühle er sich, als hätte er Glasknochen, beschreibt der 23-Jährige

Ihn schmerzen die Erfahrungen des vergangenen Jahres umso mehr, weil lange Zeit alles so gut läuft. Fußball bestimmt seinen Alltag. Er darf sich gar Hoffnungen machen, einmal mit diesem Sport seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. In der Jugend des FC Augsburg wächst er auf. Über die Bayernauswahl schafft er den Sprung in die deutsche U15-Nationalmannschaft. Namhafte Klubs melden sich, stetig auf der Suche nach kommenden Bundesligastars. Kaczmarzcyk erhält Angebote von Bayern München, Borussia Dortmund oder dem VfB Stuttgart. Wenn er davon erzählt, leuchten die Augen. „Das ist ein super Gefühl. Das ist es, wovon du immer träumst.“

Dann der Schock: Kaczmarzcyk bleibt im Rasen hängen, reißt sich erstmals das Kreuzband im rechten Knie. Das Datum hat sich bei Kaczmarzcyk eingebrannt, es ist der 14. Oktober 2004. „In dem Alter verstehst du noch nicht, was das bedeutet“, erzählt Kaczmarzcyk. Der Arzt schickt ihn aus dem Zimmer, überbringt zunächst seinem Vater die schlimme Nachricht. Trotz Verletzung holt ihn die SpVgg Greuther Fürth. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellen sollte.

Nach seiner Zwangspause entwickelt sich Kaczmarzcyk weiter, als wäre er nie weg gewesen. Als C-Jugendlicher spielt er in der B-Jugend, steigt als Rechtsverteidiger zum Kapitän auf, bekommt Geld fürs Kicken. Seiner Mannschaft gehören damals die jetzigen Profis Edgar Prib (Hannover 96) und Ronny Philp (FC Augsburg) an, die ein Jahr älter als er sind.

In der A-Junioren-Bundesliga ist das rechte Knie erneut kaputt, kurz vor dem 18. Geburtstag. So verpasst Kaczmarzcyk die Vorrunde. Anfang 2009 will er erneut angreifen, absolviert die Vorbereitung, spielt zwei Wochen. Dann reißt zum dritten Mal das Kreuzband im rechten Knie. Im linken wird ein Stück entfernt, um das rechte zu reparieren.

Dieser Unfall hat Folgen für den Augsburger. In der U23 von Fürth sollte er einen Amateurvertrag erhalten, nun zieht der Zweitligist sein Angebot zurück. „Mit dem Profifußball habe ich in diesem Moment abgeschlossen“, sagt Kaczmarzcyk.

Seine Wohnung ist an einen Vertrag gekoppelt; fluchtartig verlässt er daher Fürth, bricht die Fachoberschule ab und kehrt zurück nach Augsburg. Er kommt beim TSV Gersthofen in der Landesliga unter. Verein und Trainer Walch haben viel vor, verstärken sich namhaft und kostspielig, steigen in die Bayernliga auf. Als sich Kaczmarzcyk zweifach der Arm bricht, stechen ihn Konkurrenten aus. Weil er nicht mehr zum Zug kommt, wechselt er für eine Saison zum TSV Neusäß in die Bezirksliga. Als dann der FC Affing anfragt, sagt er Ja. Unter Trainer Tutschka erlebt er eine schöne Spielzeit 2012/13.

Am 1. September nimmt seine Fußballlaufbahn ein jähes Ende. Die niederschmetternde Diagnose: Knorpelschaden, Meniskusriss, Innen- und Außenbandriss, hinteres Kreuzband angerissen. Seit diesem Tag weiß Kaczmarzcyk: Fußball wird er nie mehr spielen.

Mit Galgenhumor blickt er Silvester entgegen. „Ich gehe nicht aus dem Haus, sonst trifft mich ein Böller am Kopf.“ Selten hat jemand so sehr das neue Jahr ersehnt wie Kaczmarzcyk. Es soll ein Neuanfang sein. Einer ohne Verletzungen.

Aufrufe: 024.12.2013, 12:23 Uhr
Aichacher Nachrichten / Johannes GrafAutor