2024-05-14T11:23:26.213Z

Allgemeines

1400 Kilometer für jedes Heimspiel

Oliver Wolf ist ein Mann der Tat. Für fünf Partien reist er nun beinahe jedes Wochenende durch ganz Deutschland. Von Erligheim bei Stuttgart bis ins nördlichste Ende von Brandenburg: nach Schönberg.

Als sich Steven Schröder vom SV 69 Schönberg beim Hallenturnier des SV Dreetz in der Neustädter Sporthalle aufmachte, um in einem freundschaftlichen und bedeutungslosen Kick seine Farben zum Sieg zu schießen, da ahnte der Torwart wohl nicht, dass diese Szene den Kreisoberligisten noch Monate danach beschäftigen würde.

Der Schlussmann verletzte sich durch eine ungünstige Bewegung derart schwer an der Patellasehne, dass er für Monate ausfällt. Ein Vertreter musste her. Sofort wurden verschiedenste Optionen durchdacht. Leider war die Wechselperiode gerade beendet, sodass ein Keeper nur verpflichtet werden konnte, sofern er vereinslos ist. Den gab es nicht, also blieb nur die vereinsinterne Lösung.

Plan A: Christian Semmler hieß die Lösung von Nick Brandenburg. "Er hat sich zur Verfügung gestellt, trainiert auch schon und wird dann bis zur Rückkehr von Hacki (Spitzname Steven Schröders; Anm.d.Red.) das Tor hüten", so der Vereinschef. Doch daraus wurde nichts, weil Semmler eine neue berufliche Herausforderung annahm, weshalb er fortan kein erhöhtes Verletzungsrisiko eingehen wollte. "Das kann ich durchaus nachvollziehen", so Brandenburg, der nun also eine neue Idee brauchte.

Plan B: Mit Kevin Graupmann hat der Verein noch einen Keeper in seinen Reihen, der vor der Auflösung der zweiten Vereinsmannschaft immer das Tor in der Kreisklasse hütete. "Der ist aber beruflich in Potsdam am Wochenende so eingespannt, dass er, wenn er einmal frei hat, lieber etwas mit der Familie machen möchte." Brandenburg zeigt auch dafür Verständnis.

Plan C: Wie fast immer wenn es im Verein an einer Ecke fehlt, dann kommt Mario "Arno" Langner ins Spiel. Eigentlich wollte sich der Routinier schon lange zurückziehen, doch er wird immer wieder gebraucht. "Als Reservekeeper saß er schon auf der Bank", witzelte Brandenburg. Eine ernsthafte Alternative ist Langner nicht, trotzdem er bereits zu Landesklasse-Zeiten einmal im Tor aushelfen musste.

Plan D: Seit einigen Spielen steht Trainer Torsten Grusa zwischen den Pfosten. "Er macht es auch ganz gut. Mit der Variante wären wir sogar bis zum Saisonende gegangen. Torsten stellt sich auch im Training immer ins Tor." Für Nick Brandenburg und seinen Vorstand hat diese Variante sogar einen Vorteil, denn die Spieleröffnung vom Torwart, ist durch den ehemaligen Oberliga-Spieler natürlich ideal zu realisieren.

Alle diese Planspielchen für die Torhüter-Position sprachen sich rum. Sogar im fernen Erligheim, wenige Kilometer vor Stuttgart, hallten diese Notsignale nach. Dort lebt mit Oliver Wolf ein langjähriges Vereinsmitglied. Bis 2003 schnürte er noch die Töppen für den SV 69 Schönberg, ehe es ab in den Süden von Deutschland ging. Seine Verbundenheit ist geblieben und gipfelte darin, dass der Kreisoberligist aus Prignitz/Ruppin im Februar im Schwabenland ein Trainingslager absolvierte. Organisiert von Oliver Wolf, der beim SKV Erligheim der Abteilungsleiter Fußball ist.

"Der bekommt alles mit und ist ein wirklicher Freund des Vereins", so beschreibt Brandenburg den 36-Jährigen, dessen Vater bei den Schönbergern die Position des Mannschaftsbetreuers bekleidet. "Jetzt haben wir ihn angemeldet. Dies war kein Problem, da er in Erligheim nicht spielt."

Das Trainingslager muss auch eine entscheidende Rolle beim Plan E gespielt haben. Dorthin reisten die Schönberger nämlich ohne Keeper, so dass Wolf bereits beim Testspiel gegeneinander im Tor des SV 69 stand. "Und er hat dabei seine Sache richtig gut gemacht. Nur bei einem Elfmeter sah er komisch aus." Aus diesem einprägsamen Intermezzo wird nun ein fünfmaliger Aushilfsjob in der Heimat.

Wolf, der auch bei Rot-Weiß Kyritz im Nachwuchs aktiv war, tritt fortan zu fünf Spielen, von noch neun verbliebenen, den Weg über 700 Kilometer gen Norden an. "Freitag kam er mit der Bahn an. Und trainierte mit der Mannschaft." Nick Brandenburg stellt klar, dass Oliver Wolf aus freien Stücken seiner Ex-Elf aus der Patsche hilft. Niemand bei den Schönbergern hat ihn dazu aufgefordert. "Es ist auch nicht normal. Aber ich gebe zu, dass man solche Geschichten doch gerne hört. Schließlich ist es Wahnsinn, was er auf sich nimmt. Und dies auf eigene Kosten mit einem riesigen zeitlichen Aufwand." Die Schönberger sind wahrlich stolz auf den Heimkehrer auf Zeit, denn der Fußball in Prignitz/Ruppin ist angesichts des fehlenden Nachwuchses bedroht. An solchen Idealisten kann sich jemand durchaus orientieren, ohne dass eingefordert werden kann, das Gleiche zu tun.

"Zum Glück können wir ihm bei seinen Anstrengungen etwas helfen, weil zwei Spieler von uns dort unten arbeiten. Ein Vereinsmitglied nimmt ihn am Sonntag nach dem Spiel mit runter ins Schwabenland." Wie es dann weitergeht mit der An- und Abreise, das ist noch offen. Die Schönberger befassen sich gerade mit Mitfahrzentralen und Langstreckenbussen.

Aufrufe: 016.4.2016, 15:36 Uhr
MOZ.de / Stephan EllfeldtAutor