
Wörrstadt/Guntersblum. „Viel konnten wir medizinisch nicht machen“, sagt Eric Mattern, Torwart des Bezirksligisten SV Guntersblum im Nachhinein. Als im Auswärtsspiel beim TuS Wörrstadt sein Mitspieler Luke Vollrath plötzlich zusammensackte, gehörte Mattern zu den Ersthelfern. Doch entscheidender als die medizinische Hilfe war ohnehin etwas anderes, sagt Mattern. „Es ging darum, einfach da zu sein und ihm Ruhe zu geben.“ Diese Aufgabe übernahm eine Gemeinschaft aus Mannschaftskollegen, Trainerteam, Funktionären – und Gegenspielern.
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Rückblick. Am 9. November, in der 65. Minute fühlte sich Vollrath „nicht gut“, wie der Stürmer später berichtet. Er ließ sich nach hinten sinken. „Der Innenverteidiger von Wörrstadt hat top reagiert. Er hat sofort weitergegeben, dass Luke umgefallen ist“, lobt Guntersblums Trainer Marian Saar TuS-Kapitän Torben Seib.
Mattern sah erst nach dem Zusammenbruch, was passiert war. „Dann bin ich direkt hingegangen.“ Nicht der einzige, auch einige TuS-Spieler kamen hinzu. Da der Guntersblumer Keeper als Medizintechnologe in der Universitätsklinik Mainz arbeitet, übernahm er schnell die Verantwortung, ebenso der gegnerische Torhüter Inaki Zimmermann. Das Ziel: sich einen Überblick verschaffen. „Ich konnte recht schnell für das Gröbste Entwarnung geben – Luke war orientiert und ansprechbar. Er hatte einen Rhythmus, auch wenn der relativ schnell war“, berichtet Mattern von der Pulskontrolle.
Mit Hand und Stoppuhr maßen die Ersthelfer den Puls und kontrollierten die Werte alle zwei Minuten. Das Torhüter-Duo verteilte Aufgaben an die Helfer, SVG-Betreuerin Jule Reich half bei der Umsetzung. Guntersblums Sportlicher Leiter Michael Best rief den Notarzt, Trainer Saar organisierte Decken. „Wir haben auch alle die Jacken ausgezogen, weil Luke so gezittert hat“, berichtet der Coach.
Als sich Vollraths Herzschlag verlangsamte, holten die Wörrstädter eine Trage, um ihn in die Kabine zu bringen. „Im Nachhinein ist es eine echt schöne Sache, wie jeder die Konkurrenz hintenangestellt und sich um den Menschen gekümmert hat“, sagt der SVG-Trainer.
Die Partie wurde zu Ende gespielt, auch Mattern kehrte zwischen die Pfosten zurück, nachdem er seinen Teamkollegen in sicheren Händen wusste. Das 0:1 schmerzte in Guntersblum aber niemanden. „Jeder wollte nur wissen, wie es Luke geht“, sagt Trainer Saar.
In einer WhatsApp-Gruppe mit den SVG-Aktiven schickte Mattern Zwischenstände aus dem Krankenhaus. Erst als die ersten Untersuchungen beendet waren, fuhr der Torhüter nach Hause – kümmerte sich aber noch um eines. „Ich habe Luke eine Pizza bestellt und sie von meinen Arbeitskollegen übergeben lassen.“
Vollrath erreichten in den Tagen nach dem Kollaps zahlreiche Genesungswünsche, rund 150 bis 200 Nachrichten, wie er schätzt – „das war schon Wahnsinn“. Dass auch gegnerische Spieler „aus gefühlt allen Ligen, in denen ich mal gewesen bin“ über die sozialen Medien Kontakt aufgenommen und sich nach ihm erkundigt haben, bleibt dem Angreifer besonders in Erinnerung.
Ein Gefühl von Gemeinschaft kam auch beim ersten Wiedersehen während einer Spielersitzung auf. „Unter Fußballern gibt man sich mal die Hand oder umarmt sich halb. Doch da kamen mir alle mit offenen Armen entgegen und haben mich gedrückt“, erzählt Vollrath. Bei Guntersblum falle die Begrüßung sonst auch herzlich aus – „das war aber nochmal eine andere Nummer“.
Ob sich der Zusammenerhalt in der Mannschaft durch den Schockmoment intensiviert hat? „Das ist schwer möglich“, sagt Saar. „Ich habe selten eine Truppe erlebt, die so gut zusammenhält. Schon vorher.“ Mattern ergänzt: „Es ist wirklich selten, dass alle privat so gut befreundet sind.“ Auch Vollrath lobt das Gemeinschaftsgefühl in Guntersblum. „Wohlfühlfaktor“, nennt der Stürmer das. „Man kennt sich, die Zuschauer. Es ist einfach ein heimisches Gefühl“, sagt Vollrath. „Das Motto in Guntersblum ist: Gemeinsam mehr als nur Fußball“, berichtet Saar und blickt noch einmal auf den Vorfall zurück: „Das trifft diese Situation sehr gut. Die Bereitschaft zu helfen war sehr groß.“