2024-05-02T16:12:49.858Z

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Sein derzeitiges „Team“: Um für seine vier Kinder (v.l.) Felix, Nepomuk, Emil und Emma da zu sein, hat sich Stefan Hartl aus dem Fußballbereich mehr und mehr zurückgezogen.
Sein derzeitiges „Team“: Um für seine vier Kinder (v.l.) Felix, Nepomuk, Emil und Emma da zu sein, hat sich Stefan Hartl aus dem Fußballbereich mehr und mehr zurückgezogen. – Foto: Hartl

Stefan Hartl: Der Waidler, der beim FC Bayern München Talente schliff

Als Spieler gehörte der Grafenauer zu den besten Niederbayern, als Trainer war er im Nachwuchsbericht des FC Bayern München aktiv - und nun hat sich der 47-Jährige fast komplett zurückgezogen

Fußball und die Familie Hartl - das gehört zusammen. Ohne Wenn und Aber. Vater „Xav“ Hartl ist eine niederbayerische Trainer-Ikone. Sein Sohn Stefan steht ihm in Nichts nach. Egal, ob Senior oder Junior – die Jagd nach dem Ball ist keine nebensächliche Freizeitbeschäftigung, sondern Lebensinhalt. Stefan (genannt: „Steve“) Hartl sorgte zunächst als Fußballer für Aufsehen: Er lief für den TSV Grafenau, den FC Tittling, TSV Waldkirchen, 1. FC Passau, SV Thurmansbang, TSV Mauth, SV Hutthurm, die SpVgg Landshut, den TSV Eching und den ASV Dachau auf. Und das meist als Leistungsträger und Allrounder, der praktisch auf dem gesamten Spielfeld einsetzbar und zu finden war. Eine Veröffentlichung in Zusammenarbeit mit dem Onlinemagazin da Hog'n (www.hogn.de).

Obwohl der 47-Jährige zahlreiche Einsätze von der Bezirks- bis hinauf in die Bayernliga absolviert hat, scheint Hartl rückblickend nicht ganz zufrieden zu sein mit seiner Spielerkarriere. "Ich habe oft den einfacheren Weg gewählt. Mir war nicht unbedingt die Perspektive wichtig, sondern vor allem, dass ich als Stammspieler zum Einsatz gekommen bin." Und als müsste er sich selbst vergewissern, ergänzt er sogleich: "Angesichts der Tatsache, dass ich auch oft verletzt war, ist doch Bayernliga ganz ok. Oder?" Ja, ist es. Gerade im in dieser Hinsicht strukturschwachen Bayerwald, in dem es traditionell nur wenige Vereine auf diesem Niveau gibt.

Hinzu kommt, dass sich bereits während seiner aktiven Zeit das Interesse "immer mehr in Richtung Trainerjob" verlagert hat. Das Fordern und Fördern lag ihm – ähnlich wie seinem Vater „Xav“. Nicht umsonst hat sich Hartl dazu entschlossen, Sportwissenschaft zu studieren und Lehrer zu werden.

Der FC Bayern München gilt wohl als Sehnsuchtsort vieler Fußballbegeisterter. Und das sind nicht wenige im Bayerischen Wald, in Bayern, in Deutschland – auf der ganzen Welt. Die Stars einmal von Angesicht zu Angesicht treffen – ein kollektiver Traum. Beim Rekordmeister in irgendeiner Form beschäftigt sein – schlichtweg das Paradies. Stefan Hartl erlebte diesen fußballerischen Himmel auf Erden bereits: Von 2006 bis 2016 war der gebürtige Deggendorfer, der in Schlag bei Grafenau aufgewachsen ist, Trainer beim „Stern des Südens“.

"Ein Studienkollege hat bereits beim FCB gearbeitet. Über ihn bin ich darauf aufmerksam geworden, dass weitere Jugendtrainer gesucht werden." In einem Vorstellungsgespräch überzeugte er den damaligen Jugendkoordinator Herrmann Hummels, Papa von Nationalspieler Mats – und wurde als Coach der U8/U9 eingestellt. Später übernahm Hartl die U12/U13 des Rekordmeisters.

„Mia san Mia“: Pokale müssen gefeiert werden, das weiß Stefan Hartl (rechts) – hier mit seinem damaligen Co-Trainer Ringo Taube – nicht erst seit seiner Zeit beim FC Bayern München.
„Mia san Mia“: Pokale müssen gefeiert werden, das weiß Stefan Hartl (rechts) – hier mit seinem damaligen Co-Trainer Ringo Taube – nicht erst seit seiner Zeit beim FC Bayern München. – Foto: Hartl

So war Stefan Hartl von 2006 bis 2016 Teil des Millionengeschäfts Profi-Fußball – ohne allerdings selber Millionen einzustreichen. Denn: "Hauptamtlichkeit bei den Bayern beginnt erst ab der U14", erklärt der Waidler. "Dennoch konnte ich mir nebenberuflich mein Studium finanzieren." Und freilich zählte nicht nur der monetäre Gedanke. Besonders der ideelle stand im Mittelpunkt. Für den großen FC Bayern München arbeitet schließlich nicht jeder. "Das fühlt sich zunächst natürlich ehrfürchtig an - man ist verhalten und eingeschüchtert", erinnert sich Hartl an die Anfänge bei den Roten. "Es dauert etwas, bis man merkt, dass auch dort nur mit Wasser gekocht wird. Und dann kann man schön mitstinken."

Der FCB-Sympathisant ließ sich auf die Gepflogenheiten des „Mia san Mia“ ein. "Man sollte schon gewinnen – auch im Jugendbereich", berichtet der 47-Jährige. Die so typische Bayern-Arroganz habe auch bei ihm ein anderes, größeres Selbstvertrauen hervorgerufen. Hartl ist dabei wichtig zu betonen: "Ich weiß, wo ich herkomme – und Arroganz gehört einfach nicht zu mir. Nur, weil ich dieses Emblem auf meiner Trainingsjacke habe, bin ich ja niemand Anderes." Jene Oberflächlichkeit war es, die ihn immerzu störte, wenn er bei den Großen der Szene mitmischte. Und damit meint er nicht exklusiv Bayern München. "Ich hatte ja Einblicke in viele Vereine. Und da ist es nicht anders."

Rückblickend überwiegen jedoch eindeutig die positiven Erinnerungen an sein Engagement beim Rekordmeister. Die Arbeit mit den Kleinsten unter professionellen Bedingungen ist geblieben. Und auch gewisse kleinere Erfolge, die er gerne nennt, konnte Hartl für sich verbuchen.

Obwohl die U8/U9 eher als „Prestigeprojekt“ galt und inzwischen wieder eingestampft wurde – und obwohl die Durchlässigkeit in den Profibereich im Promille-Bereich anzusiedeln ist, schaffte es der ein oder andere Zögling des 47-Jährige in die große Manege. Bekannte Namen wie Marco Richter (jetzt FSV Mainz), Adrian Fein (Excelsior Rotterdam), Angelo Stiller (VfB Stuttgart) und Linus Tempelmann (Schalke 04) hatte er einst unter seinen Fittichen.

Angesichts der eindringlichen Vorprägung überlegte der Grafenau, der praktisch schon einen Fuß in der Tür zum Profigeschäft hatte, lange, ob er selbst tatsächlich diesen Weg einschlagen soll. Mitunter erwarb er deshalb auch die Fußballtrainer-A-Lizenz. "Ich war wirklich nah dran. Leider hat sich aber ein Angebot zerschlagen, weil der eine Anruf, auf den ich gewartet habe, nicht gekommen ist." Eine Tätigkeit als Co-Trainer im Profibereich stand im Raum, wurde aber dann im letzten Moment nicht zur Realität. Im Nachhinein betrachtet vielleicht nicht der falscheste Wink des Schicksals. Denn Stefan Hartl fühlt sich wohl in und mit seinem aktuellen Leben.

Von der vordersten Front des Fußballs hat er sich verabschiedet. Sein Familien-Team – Hartl hat vier Kinder – spielt für ihn nun in der "elterlichen Champions League". Er hilft im Jugendbereich des TSV Eching mit, wo seine Buam fleißig dem Leder hinterher jagen. Und er unterstützt Mario Himsl, der dem Staff der U17-Nationalmannschaft angehört, bei einem Talentförderprogramm. Der gebürtige Vilshofener ist nicht nur Kollege, sondern auch Fan und Freund – und weiß Stefan Hartls Eigenschaften sehr zu schätzen: "Er ist ein sehr geduldiger, akribischer Trainer, der es versteht, durch seine ruhige Art und sein Fachwissen eine Mannschaft hinter sich zu bringen. Genauso ist er als Mensch. Ruhig und mit Ausdauer. Ein typischer Waidler."

Kleiner Knirps, großes Potenzial: Seine ersten Gehversuche als Fußballer machte Stefan Hartl beim TSV Grafenau.
Kleiner Knirps, großes Potenzial: Seine ersten Gehversuche als Fußballer machte Stefan Hartl beim TSV Grafenau. – Foto: Hartl

Himsl findet es "schade, dass Stefan nicht mehr tut. Ich könnte ihn mir in vielen Bereichen als Co-Trainer vorstellen, weil er sehr viel sieht, was andere nicht sehen". Lob, das Steve Hartl natürlich gerne hört. Anerkennende Worte, die ihn aber nicht unbedingt dazu verleiten, in die Mühlen des Fußballs zurück zu kehren. "Die zehn Jahre beim FCB haben schon enorm an mir gezehrt. Auch die Jahrzehnte zuvor hatte ich nie ein freies Wochenende. Und genau diese Freizeit genieße ich jetzt." Ein Mittelweg, eine Kompromisslösung, ist seiner Meinung nach ausgeschlossen. "Wenn ich was mache, dann mit 150 Prozent. Dann bin kopfmäßig sieben Tage pro Woche dabei. Und das will ich derzeit nicht."

Genauso kann er es sich nicht mehr vorstellen, die Region München zu verlassen. "Das ist inzwischen einfach mein Lebensmittelpunkt." Das soll aber nicht heißen, dass der Bayerische Wald in seinem Alltag überhaupt keine Rolle mehr spielt. "Ich fahre unendlich gerne heim, was ja jetzt wieder mehr möglich für mich ist. Es ist unglaublich schön drin im Woid." Und dort, in seiner Heimat, gilt er als Leitfigur. Immerhin ist er der, der mal beim großen FC Bayern München Trainer war…

Aufrufe: 022.11.2023, 06:00 Uhr
hogn.deAutor