2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines

Spandauer SV is coming Home

Der neugegründete SSV ist wieder in der alten Heimat

Er liegt nicht weit von meiner Wohnung entfernt. Nur einmal die Schönwalder Straße in Richtung Johannesstift fahren und rechts in den Askanierring einbiegen. Kurz bevor er auftaucht, geht ein Abzweig der Straße nach rechts, in das ehemalige Industriegebiet. Heute ist der Weg jedoch durch ein, im Beton der Straße verankertes, Gitter versperrt. Auch die Selbstbedienungstankstelle für LKWs ist verschwunden. Stattdessen dominieren Unkraut und Unrat die Szenerie. Besser wird es auch ein Stück weiter Richtung Neuendorfer Straße nicht. Denn dann kommt man an der ehemaligen Geschäftsstelle und am alte Vereinscasino des Spandauer SV vorbei

Die Fenster sind mittlerweile mit Blechplatten vernietet. Scheiben und Pressspanplatten waren zuvor immer wieder eingeworfen und aufgebrochen worden. Auch das Schild, welches auf den ehemaligen Inhalt dieses Gebäudes aufmerksam machte, ist vor einiger Zeit verschwunden. Schade eigentlich, hatte ich doch mit dem Gedanken gespielt, es zu stibitzen.

Jetzt erhascht man auch einen ersten Blick auf den Fußballplatz. Er sieht traurig und verlassen aus. Hinter ihm ragen alte Lager und Fabrikhallen empor. Ihre zugenagelten Fenster geben der Kulisse etwas gespenstisches und erinnern ein wenig an tote Augen.

Als der Verein Srbija Berlin 2021 seine Mannschaft aus dem Spielbetrieb nahm und damit der letzte Nutzer der Spielstätte verschwand, waren sich viele schon sicher, dass das nun das endgültige Aus für den Sportplatz an der Neuendorfer Straße bedeuten würde. Nur gelegentlich leuchtete abends noch sein Flutlicht. Etwa wenn die Hand-Ei Spieler der Spandauer Bulldogs hier trainierten. Oder wenn die A-Jugend des SC Staaken ausweichen musste.

Das alles waren aber nur Momentaufnahmen und der Platz, sowie das Industriegebiet hinter ihm standen lange auf der Abschussliste des Senats und ein großer Gesundheitscampus der beiden großen Krankenhauskonzerne Vivantes und Charité sollte hier gebaut werden.

Geht man noch ein paar Schritt weiter, ist die Sicht erstmal wieder verdeckt. Ein Gebäude, welches fast baugleich mit der ehemaligen Immobilie des SSV ist und in dem man Badzimmer kaufen kann, steht nun zwischen der Straße und dem Platz. Es ist genauso intakt wie das Wohnhaus daneben.

Hat man beides passiert, taucht der Eingang des Sportplatzes auf. Direkt hinter den beiden Eisengittertoren befand sich auf der rechten Seite das kleine Kassenhäuschen.

Lange verkündete nur noch ein nüchternes Schild, dass sich hier der Sportplatz befindet und das Kassenhäuschen verfiel im Hintergrund zusehends.

Doch nun ist wieder Leben eingekehrt. In den Spandauer SV und in das Stadion an der Neuendorfer Straße.

Knapp acht Jahre nachdem der SSV aus dem Vereinsregister aufgrund von Insolvenz gestrichen wurde, ist er wieder neu gegründet worden.

Die Verantwortlichen entschieden sich, vorerst mit Jugendfußball zu starten.

Die Kiddis begannen mit ihrem Training auf dem Grüngürtel. Diese Anlage, bestehend aus drei Kunstrasenplätzen, die Kopf an Kopf liegen und von einem grünen Gürtel aus Bäumen umgeben sind, ist zwar schön, aber es ist nicht die Heimat des SSV. Das ursprüngliche Stadion, welches an der Neuendorfer Straße zwischen Havel und Brauerei eingeklemmt war, musste schon Ende der 90er einem Wohnkomplex weichen. Das Helmut-Schleusener-Stadion an der Falkenseer Chaussee war nie wirklich die Heimat der Spandauer, obwohl dort die Spiele in der historischen Zweitliga-Saison 75/76 ausgetragen wurden. Aber der Sportplatz an der Neuendorfer, der sollte es wieder werden. Und so kämpfte der neue SSV lange mit dem Sportamt um die Nutzung.

SSV PR Manager Thorsten Brenscheidt verriet: "Mit unserem Sportplatz dauerte es ungewöhnlich lange." Raed Saleh (SPD) hat uns sehr geholfen.”

Nach der wiederholten Berlinwahl fiel das Sportamt Spandau wieder unter die Fittiche des SPD-Politikers. Und dieser fragte umgehend beim Jugendleiter des SSV Ümit Gündüz nach, ob und wie er dem Verein helfen könnte.

Gündüz musste nicht lange überlegen und bat um Rückkehr in die alte Heimat. Dieser Wunsch wurde erfüllt und auch das alte Vereinscasino und die Geschäftsstelle sollen wiederhergestellt werden.

Die Abrisspläne und der geplante Gesundheitscampus seien dagegen vom Tisch. Ein Umbau stünde nur dann im Raum, wenn der SC Staaken, Regionalliga oder gar 3. Liga spielen würde. Allerdings haben die Vorort Spandauer aktuell genug mit dem Verbleib in der Oberliga zu tun.

Daher dürften, egal warum, so schnell keine Bagger hier anrollen.

Durch meine Recherchen zu diesem Thema grätsche mir der Zufall dazwischen. Genauer gesagt tackelte mich ein ehemaliger SSV Spieler, den ich durch unsere gemeinsame Zeit bei Hertha BSC III gut kenne. Armin Prill spielte von 1997 bis 1999 und bewahrte ein große SSV Wappen, welches einst am Kabinentrakt thronte, bis heute bei sich auf. Er hatte es bei einem Gastspiel der Hertha Ama Zwee bei Srbija Berlin in den Räumlichkeiten des Sportplatzes entdeckt und vorsorglich in Sicherheit gebracht. Gott sei Dank, denn viele Artefakte des SSV verschwanden über die Jahre spurlos.

Als er erfuhr, dass ich etwas über die Rückkehr des SSV an die Neuendorfer Straße schreiben will, bot er sofort an, das Logo wieder an seinen alten, rechtmäßigen Platz bringen zu wollen.

Also trafen wir uns zu dritt, Armin, Thorsten und ich uns an einem schönen Donnerstagnachmittag am Sportplatz. Armin wurde sofort von einem alten SSV-Fan und jetzigen Jugendtrainer erkannt und um ein Autogramm gebeten.

Bevor das alte Schild feierlich übergeben wurde, bekamen wir von Thorsten eine Bestandsaufnahme und einen Blick in die eventuelle Zukunft des SSV. Momentan kicken Kinder in der G-, F- und E-Jugend im roten Trikot gegen den Ball. Ich schweife während der Erzählung kurz ein bisschen ab. Die G-Jugend beginnt mit vier Jahren. Ich sehe vor meinem geistigen Auge meinen Sprössling nächstes Jahr im roten Trikot über den Platz fegen und muss lächeln.

Perspektivisch soll natürlich auch wieder im Herrenbereich angetreten werden. Aber zuerst muss eine Basis geschaffen werden. Einen bodenständigen Verein wollen sie aufbauen, der in einer soliden Jugendarbeit sein Fundament hat.

“Und”, lässt Thorsten uns wissen, “wir brauchen eine Mädchenmannschaft.”

Bevor wir uns verabschiedeten, schenkte uns Thorsten, Armin und mir einen wunderschönen SSV-Schal als Dankeschön. Im Gegenzug erhielt er das große, runde SSV-Wappen von Armin. Thomas präsentierte das Wappen wie ein Nummerngirl bei einem Boxkampf den jungen Kickern, ihren Eltern und allen anderen Anwesenden der wachsenden SSV-Familie. Alle waren beeindruckt.

Der Spandauer SV ist wieder da und er ist wieder zu Hause.

Aufrufe: 02.6.2023, 21:40 Uhr
Jörn KutschmannAutor