2024-04-25T14:35:39.956Z

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Sogar die Nutznießer des neuen Modus sind skeptisch: Der TSV Peißenberg hat in der Kreisliga locker die Meisterrunde erreicht. Statt Abstiegskampf
geht’s um den Aufstieg in die Bezirksliga. Dennoch ist Spielertrainer Michael Stoßberger (Dritter von links) nicht euphorisch gestimmt. Ihn stören die
langen Auswärtsfahrten. Statt gegen Peiting oder Wildsteig geht’s gegen Miesbach, Lenggries und Kreuth.
Sogar die Nutznießer des neuen Modus sind skeptisch: Der TSV Peißenberg hat in der Kreisliga locker die Meisterrunde erreicht. Statt Abstiegskampf geht’s um den Aufstieg in die Bezirksliga. Dennoch ist Spielertrainer Michael Stoßberger (Dritter von links) nicht euphorisch gestimmt. Ihn stören die langen Auswärtsfahrten. Statt gegen Peiting oder Wildsteig geht’s gegen Miesbach, Lenggries und Kreuth. – Foto: Halmel

Schongauer Vereine von neuem Modus nicht begeistert: Wenige Derbys, weite Fahrten

Auch Nutznießer skeptisch

Die Zahl mutet heute, im Winter 2022/23, surreal an. 68 Prozent, das sind über zwei Drittel der teilnehmenden Klubs, sprachen sich in der entscheidenden Umfrage voriges Jahr für das Pilotprojekt des Bayerischen Fußballverbands (BFV) aus.

Schongau– Mit kleinen Gruppen, kurzen Fahrten, vielen Derbys und einem neuen Aufstiegsmodus versuchten Funktionäre und Vereine, neue Reize im Kreis Zugspitze zu setzen.

Nun läuft die Testphase eine halbe Saison – und was soll man sagen? Im Landkreis Weilheim-Schongau muss man schon sehr genau nach Unterstützern der Reform suchen. Das Stimmungsbild, zumindest in diesem Teil Oberbayerns, sieht anders aus. Breite Unterstützung schwenkte um in generelle Skepsis.

Stopp Nummer eins bei Fabian Lindauer, der doch allen Grund hätte, Lobpreis anzustimmen. Als Aufsteiger wirbelte seine Rasselbande des FC Wildsteig/Rottenbuch die Kreisliga durcheinander, qualifizierte sich direkt für die Meisterrunde mit exzellenten Chancen auf den nächsten Coup. Trainer Lindauer gehörte voriges Jahr bei der Abstimmung zur Fraktion „Fortschritt“, er stimmte für den Testlauf. Jetzt sagt er: „Ich würde nicht mehr mit Ja stimmen.“ Mehr noch: Ginge es nach ihm, reicht ein Jahr Probe, um den Schritt zurückzugehen. Wie in aller Welt konnte eine Idee, in die so viel Hoffnung gesteckt und die so schön verpackt wurde, so grandios scheitern? Für die aufstrebenden Jungen stellt sich die Frage der Gerechtigkeit. „Du kannst gut dastehen und kommst in die Abstiegsrunde. Das finde ich negativ“, so Lindauer.

Kollege Martin Plonner vom SV Eberfing hat in so einem Skript mitspielen müssen. Drei Punkte fehlten in der A-Klasse zur Meisterrunde. Nun sind er und seine Eberfinger längst über die Zeiten hinweg, in denen sie verbissen um den Aufstieg hakelten. „Wir müssen nicht auf Biegen und Brechen rauf. Spaß und Freude stehen bei uns höher auf der Fahne.“ Aber er hat das in der Vergangenheit schon genossen, in Lauerstellung zu überwintern, ein wenig zu spekulieren und mitzumischen im Meister- und Aufstiegsrennen. Gerade für die Klubs, die nur knapp an der Belohnungsrunde vorbeischrammten, fürchtet Kevin Enzi vom Kreisklassisten SV Wielenbach Monate der Langeweile. „Da ist die Luft noch früher raus als vorher. Meine Angst ist, dass die Trainingsmoral darunter leidet.“ In der Vergangenheit fuhren die Klubs im Mittelmaß ihr System wenigstens gegen die Spitzenteams noch einmal auf Maximalleistung hoch und griffen somit aktiv in den Titelkampf ein. Im Frühjahr 2023 veröden sie womöglich in der Abstiegsrunde – ohne wirklich in Gefahr zu geraten. Das aber fürchten Enzi, Plonner und Co.

Bisher könnte doch stark der Eindruck entstanden sein, dass es nur Aversion gegenüber dem Pilotprojekt gibt. So ist es aber nicht. Beim TSV Ingenried bekommt man Simon Erhard ans Telefon, Abteilungsleiter eines Vereins, der in der A-Klasse am letzten Spieltag aus den Top Drei fiel. „Auch wenn wir das bitterste Ende gezogen haben: Ich finde den Modus auf jeden Fall spannend.“ Denn zur ganzen Wahrheit gehört ja, was für ein selten furioser Fußball-Herbst da von Bernbeuren bis Penzberg die Fans unterhielt. „So spannend war es im Herbst noch nie“, befindet Erhard. Von Kreisliga bis A-Klasse – in diversen Gruppen stand erst am Sonntagabend, 6. November, fest, wer denn um den Aufstieg und gegen den Abstieg kickt. Ingenried etwa manövrierte sich mit einem 0:0 in Burggen am letzten Spieltag aus der Gewinnerzone. „Du bist immer gefordert, du musst immer liefern“, sagt Fabian Lindauer vom FC Wildsteig/Rottenbuch. Diese „Spannung bis zum Schluss“ hebt auch Michael Stoßberger vom TSV Peißenberg hervor – vorige Saison in der Kreisliga noch in der Abstiegsrelegation, jetzt plötzlich Anwärter auf den Sprung in die Bezirksliga.

Doch selbst die Profiteure des Systems sehen den neuen Modus kritisch. Auf einen entscheidenden Punkt kommen alle zu sprechen: die Auswärtsfahrten in der Rückrunde. „Es sind wilde Fahrten dabei“, sagt Stoßberger. Für ihn und seine Peißenberger hätte das doch so attraktiv ausgehen können: Nachbarduelle gegen Wildsteig und Peiting vor hunderten Fans um die Bezirksliga. Stattdessen fahren sie jetzt viele Kilometer nach Kreuth oder Lenggries, treten gegen Teams an, die sie aus den vorigen Jahren ohnehin schon kennen. „Von unseren Zuschauern fährt da keiner mit. Wenn du viele Zuschauer haben willst, musst du regionaler einteilen“, findet der TSV-Coach.

Beinahe jeder Verein hadert mit den Gruppen, die der Verband zusammengepanscht hat. Martin Plonner fährt nach 15 Jahren mal wieder nach Höhenrain, worauf er und die Eberfinger gern verzichtet hätten. „So was von unspektakulär. Braucht mir keiner zu sagen dass wir kurze Auswärtsfahrten hätten. Ganz schlecht“, klagt der ewige Torjäger des SV Eberfing.

Marco Friebel, im Vorstand beim Kreisklassisten SV Hohenfurch, findet neue Plätze wie Unterpfaffenhofen oder Gauting zwar auch mal ganz sympathisch, gibt aber auch zu bedenken: „Wir fahren so viel wie damals in der Kreisliga.“ Das könne ja nicht die Intention gewesen sein. Zumal der BFV ja intensiv mit regionalen Gruppen und kurzen Strecken geworben hatte. „Regional ist da gar nichts mehr“, kritisiert Kevin Enzi vom SV Wielenbach. Für viele fühlt es sich an, als hätten die Funktionäre ihre Versprechen nicht gehalten. Wobei Michael Stoßberger explizit auf das zweite Jahr Test hinweist: Da habe man ja die Chance, aus den Fehlern des ersten Durchlaufs zu lernen. Die Peißenberger würden sich noch überzeugen lassen vom neuen Modus, die fünf anderen Vereinsvertreter der Umfrage der Heimatzeitung dagegen nicht mehr. Martin Plonner etwa fügt noch die Inflation an Derbys hinzu. Obwohl er gegen die SG Hungerbach, Polling II und FC Penzberg II antrat, sagt er über Teil eins der Saison: „Das interessiert keinen Menschen, selbst wenn’s Derbys sind.“ In Hohenfurch sehen sie’s ähnlich. Marco Friebel hat sich umgehört im Klub. „Zu 98 Prozent sagen die Leute, dass man das wieder niederlegen könnte.“ Entscheiden wird letztlich wieder die Umfrage des BFV. An der hatten sich damals 75 Prozent der Klubs beteiligt. Gut möglich, dass diesmal mehr ihre Stimme abgeben wollen. (am)

Aufrufe: 014.1.2023, 08:52 Uhr
Andreas MayrAutor