2024-04-29T14:34:45.518Z

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Zur Weihnachtsfeier 1987
 hatte die SpVgg Starnberg
in die Schlossgaststätte
 Leutstetten geladen. Der
 damalige Trainer Gerd Ritzer bestaunte die Künste
 einer von Ligakonkurrent 
Türk Gücü engagierten
 Bauchtänzerin
Zur Weihnachtsfeier 1987 hatte die SpVgg Starnberg in die Schlossgaststätte Leutstetten geladen. Der damalige Trainer Gerd Ritzer bestaunte die Künste einer von Ligakonkurrent Türk Gücü engagierten Bauchtänzerin – Foto: erg

Schickeria Starnberg: SpVgg pflegte als mäßig erfolgreicher Landesligist Ruf als Champagnerclub

Fleschenberg half dem Klub aus dem Tabellenkeller

Lang, lang ist’s her – und obwohl in den 1980er-Jahren die Winter noch härter waren als heutzutage, wurde damals bis kurz vor Weihnachten Fußball gespielt.

Starnberg – Zumindest in der Landesliga Süd, in der die mittlerweile längst aufgelöste SpVgg Starnberg als klare Nummer eins im Fünfseenland immer wieder für Schlagzeilen sorgte. Beispielsweise in der Saison 1987/88: Die SpVgg war als Meisterschaftsfavorit gestartet – und fand sich unter Trainer Emanuel von Soden erst mal im Tabellenkeller wieder. Aber dann kam der Mann, der die Starnberger am Ende wenigstens noch auf Platz sieben führen sollte, aber erst mal einen schweren Start hatte und einen prominenten „Helfer“ aus dem Profibereich zur Seite gestellt bekam. Eigentlich eine ziemlich verrückte Geschichte – aber letztlich wieder typisch für den „Promi- und Champagnerclub“ vom Starnberger See. Von Soden wurde im Herbst von Gerd Ritzer, der in den 70er-Jahren selbst für die SpVgg gespielt hatte, abgelöst. Mit dem Fußball-Verrückten aus Garmisch-Partenkirchen kam der Erfolg in die Kreisstadt zurück.

Doch Präsident Jochen Kress war vom neuen Coach offenbar nicht hundertprozentig überzeugt. Es musste erst noch ein großer Name her. Den fand der „Größenwahn-Boss“ in einem Mann, den er noch aus seinen Nürnberger Zeiten kannte: Frank Fleschenberg, damals 39 Jahre alt und ehemaliger Manager beim 1. FC Nürnberg und beim 1. FC Saarbrücken, wurde als „technischer Direktor“ (eines Landesligisten!) verpflichtet und Ritzer zur Seite gestellt. Die Aufgabe des neuen „Personalchefs und Ansprechpartners für die Aktiven“: Er sollte der Mannschaft neues Selbstvertrauen einimpfen. Kress damals: „Fleschenberg sieht in der Mannschaft ungeahnte Möglichkeiten, die allerdings zur Zeit brachliegen.“

Und weil’s so schön war, sich mit Proficlubs zu vergleichen, fand Kress für seine Personalentscheidung auch sofort ein Beispiel – aus der Bundesliga natürlich: „Ich bin sicher“, prophezeite der Vorsitzende, „dass das Duo Ritzer/Fleschenberg bald ähnlich erfolgreich sein wird wie das Gespann Christoph Daum/Udo Lattek beim 1. FC Köln.“ Zur Erklärung: Bei den „Geißböcken“ unterstützte Trainerlegende und Motivationskünstler Lattek den unerfahrenen, jungen Chefcoach Daum von 1986 bis zum Frühjahr 1988 ebenfalls als technischer Direktor. Sie formten Köln zu einer echten Spitzenmannschaft.

Fleschenberg leitete Torwart-Training mit Lackschuhen

In Starnberg griff der ehemalige Wuppertal-Keeper „Fleschi“, wie ihn alle heute noch nennen, gleich mal aktiv ins Trainingsgeschehen ein. Ritzer erinnert sich: „Ich werde nie vergessen, wie er mit seinen feinen, schwarzen Lackschuhen das Torwart-Training leitete.“ Nach nicht mal zwei Monaten war das (erste) Kapitel Fleschenberg in Starnberg aber schon wieder vorbei.

Ex-Nationalspieler Jimmy
 Hartwig (ganz l.) gab den
 Nikolaus.
Ex-Nationalspieler Jimmy Hartwig (ganz l.) gab den Nikolaus. – Foto: erg

Ende November verabschiedete sich der technische Direktor nach dem letzten Vorrunden-Spieltag und Platz elf – „dieser Schritt war von Anfang an klar“, hieß es. „Ich wollte der Mannschaft helfen, da unten rauszukommen. Das ist mir gelungen. Für Gerd Ritzer dürfte es jetzt keine Problem mehr geben“, so Fleschenberg, der das Gerücht, er werde Manager bei 1860 München (damals Bayernliga) heftigst dementierte. Nicht mal eine Woche später heuerte er in genau dieser Position bei den Münchner „Löwen“ an. Als Präsident des 1993 gegründeten Charity-Golfclubs „The Eagles“ sammelte und sammelt der mittlerweile 74-Jährige, der zu seiner Starnberger Zeit in Inning am Ammersee wohnte, bis heute mit den prominenten Mitgliedern seines Vereins viele Millionen für Bedürftige.

Die SpVgg bestritt die ersten Spiele der Rückrunde, gleichzeitig die letzten beiden des Jahres 1987, also ohne ihren technischen Direktor – und ließ es zum Jahresende noch zweimal richtig krachen: Erst der höchste Saisonsieg, das 7:1 gegen Aindling, bei dem Hermann Stadler, bis dahin noch ohne Tor, auf dem schneebedeckten Hartplatz an der Egerer Straße gleich dreimal traf. Die SpVgg stand damit schon auf Platz neun. „Endlich ein ausgeglichenes Punkteverhältnis“, strahlte Ritzer.

Stadtkapelle Starnberg spielte in der Schlossgaststätte in Leutstetten

Im letzten Spiel des Jahres am 12. Dezember stoppte die SpVgg dann den „Schwaben-Express“, feierte beim Tabellendritten Schwaben Augsburg (Trainer war der frühere Nationalspieler Helmut Haller) einen 2:0-Sieg. Doppel-Torschütze war wieder Hermann Stadler. Zehntes Spiel in Folge ohne Niederlage, erstmals ein positives Punktekonto und Tabellenplatz sieben mit 21:19 Punkten – die Weihnachtsfeier zwei Tage später war gerettet. Auch da wieder das Motto: Promi- und Champagnerclub statt ganz normaler Landesligist.

Eingeladen war in eine Location, in der sonst die Stars des FC Bayern München feierten: in Hans Sattleggers Schlossgaststätte in Leutstetten. Da spielte die Stadtkapelle Starnberg auf, da dokumentierte die gesamte Vorstandschaft des TSV 1860 München um den Präsidenten Karl Heckl und Prinzessin Beatrice von Anhalt, dessen Lebensgefährtin, Trainer Uwe Klimaschewski und natürlich Neu-Manager Fleschenberg die „enge Verbundenheit“ der beiden Vereine, da spendierte der Liga-Konkurrent Türk Gücü den Auftritt einer türkischen Bauchtänzerin – und da musste ein ehemaliger Nationalspieler nach Bauernente und Apfelstrudel als Nikolaus ran: Jimmy Hartwig, der spätere Dschungelcamper und heutige Theater-Schauspieler, las den Starnbergern und Erfolgstrainer Ritzer die Leviten.

„Schon brutal, was damals abgegangen ist“, erinnert sich der einstige SpVgg-Kapitän Franz Wiesheu. „Eine coole Zeit, aber halt alles total abgehoben. So richtig viel Schickeria…“ (Thomas Ernstberger)

Mit Frank Fleschenberg gönnte man sich auch einen
 technischen Direktor mit
 Erfahrung als BundesligaManager.
Mit Frank Fleschenberg gönnte man sich auch einen technischen Direktor mit Erfahrung als BundesligaManager. – Foto: erg

Aufrufe: 015.12.2022, 08:47 Uhr
Thomas ErnstbergerAutor