2024-06-14T14:12:32.331Z

Interview
Der Allrounder im Kader: Der ukrainische Ex-Profi Andrii Hert (Mitte am Ball) sagt: „Ich bin umgeben von großartigen Menschen, denen ich für ihre Hilfe und Unterstützung immer dankbar sein werde.“
Der Allrounder im Kader: Der ukrainische Ex-Profi Andrii Hert (Mitte am Ball) sagt: „Ich bin umgeben von großartigen Menschen, denen ich für ihre Hilfe und Unterstützung immer dankbar sein werde.“ – Foto: Dieter Michalek

Kirchheims ukrainischer Ex-Profi Hert: „Ich bin sicher, dass wir die Klasse halten“

KSC-Allrounder im Interview

Der Krieg in der Ukraine ist allgegenwärtig, doch Andrii Hert hat sich in Kirchheim ein neues Leben aufgebaut. Der Ex-Profi im Interview.

Kirchheim – Mit herausragenden Vorstellungen in den Spielen gegen den FC Gundelfingen (0:0) und den TSV Landsberg (2:1) verabschiedete er sich in die Winterpause. Andrii Hert ist beim Kirchheimer SC längst zu einem festen Bestandteil der Mannschaft geworden und bestens integriert – doch wie geht es dem ukrainischen Ex-Profi damit, dass in seiner Heimat immer noch Krieg ist?

„Ich lebe vom ersten Tag des Krieges an mit dieser Erfahrung. Ich denke jeden Tag darüber nach, ich mache mir große Sorgen um mein Volk. Es ist für mich und meine Frau Yana immer noch schwer, darüber zu sprechen“, sagt der 29-Jährige, der an jenem 24. Februar 2022 mit dem Zweitligisten Lypova Donya im Trainingslager in der Türkei weilte, ehe er seiner Frau und den beiden Kindern Sopfia (11) und Solomia (6) nach Deutschland, nach Kirchheim folgte. Hert: „Das war der glücklichste Tag meines Lebens!“

„Ich bin umgeben von großartigen Menschen, denen ich für ihre Hilfe und Unterstützung immer dankbar sein werde. Und ich fühle mich als Teil eines großartigen Teams.“

Andrii Hert

Herr Hert, wie geht es den Verwandten und Freunden in der Ukraine?

Meine Familie und Freunde sagen mir, dass sie von allem, was jetzt in der Ukraine passiert, moralisch sehr müde sind, aber eben versuchen, das Beste aus der schwierigen Situation zu machen. Jetzt leben die Menschen in der Ukraine immer für den nächsten Tag, an einem Tag.

Haben Sie immer noch regelmäßig Kontakt in die Ukraine?

Weil ich jetzt nicht mehr dort bin, ist der Kontakt zu vielen Freunden leider abgebrochen. Meine Schwester lebt jetzt in Polen, meine Mutter ist in der Ukraine geblieben, weil meine Großmutter nirgendwo anders hingehen will. Meine Heimatstadt Dnipro ist eine sehr schöne Stadt, die ich wahnsinnig vermisse!

Kirchheim ist jetzt zu Ihrer zweiten Heimat geworden…

Ja, wir wohnen direkt im Ort und sind dank der Familie Vollmann gut integriert. Im Verein habe ich trotz der noch immer bestehenden Sprachbarriere ein gutes Verhältnis zu den Teamkollegen und Verantwortlichen. Ich bin umgeben von großartigen Menschen, denen ich für ihre Hilfe und Unterstützung immer dankbar sein werde. Und ich fühle mich als Teil eines großartigen Teams.

„Unschuldige Menschen leiden, und das schmerzt.“

Andrii Hert über die Lage in der Ukraine.

Sie und Ihre Frau haben auch Arbeit gefunden.

Ich arbeite seit über einem Jahr im Lager eines großen Einrichtungshauses, meine Frau spricht perfekt Englisch und arbeitet seit eineinhalb Jahren als Administratorin in einer japanischen Firma.

Wie geht’s Ihren Kindern?

Ich bin wahnsinnig stolz auf die beiden. Sopfia geht auf die Realschule, spielt Fußball beim KSC und hat auch deutsche Freundinnen! Solomia kommt nächstes Jahr in die Schule, sie macht Ballett. Die Frauen in der Familie sprechen allesamt besser Deutsch als ich (lacht) – ich arbeite jeden Tag und habe kaum Zeit, um Deutsch so zu lernen, wie es nötig ist.

Bleiben Sie mit Ihrer Familie in Deutschland, oder kehren Sie sofort zurück, wenn sich die Lage in der Ukraine normalisieren sollte?

Wir sprechen viel über unsere Zukunft. Leider ist es die Lage in der Ukraine sehr schwierig und instabil – das Wichtigste ist, dass dieser ganze Albtraum vorbei ist und niemand mehr sterben muss. Ich liebe die Ukraine wahnsinnig und vermisse meine Heimat, aber ich glaube, dass das Leben in der Ukraine nie mehr so sein wird, wie wir es kennen. Deshalb werden wir nicht zurückkehren. Wir werden immer dankbar sein und unsererseits versuchen, etwas Gutes für Deutschland zu tun. Unschuldige Menschen leiden, und das schmerzt. Ich weiß nicht, wann der Krieg enden wird, aber ich hoffe, dass das so schnell wie möglich passiert.

„Die einzigartige Atmosphäre im Team und Verein hat uns zur verdienten Meisterschaft getragen – daran werde ich ein Leben lang erinnern.“

Andrii Hert über den Aufstieg mit dem KSC in die Bayernliga

Sprechen wir über den Fußball, der Ihnen viel Halt gibt. Im Sommer ist die Mannschaft sensationell in die Bayernliga aufgestiegen, jetzt ist sie mit erst zwei Siegen Tabellenletzter. Ist der Klassenerhalt noch drin?

Die Landesliga-Saison war sehr emotional und spannend bis zum Schluss. Die einzigartige Atmosphäre im Team und Verein hat uns zur verdienten Meisterschaft getragen – daran werde ich ein Leben lang erinnern. In der Bayernliga haben wir gut begonnen, hatten aber in den ersten beiden Spielen kein Glück und sind so ohne Punkte geblieben. Die letzten Spiele vor der Winterpause haben gezeigt, dass wir viel mehr an unsere Stärken glauben können, und ich bin sicher, dass wir die Klasse halten. Das Trainerteam leistet hervorragende Arbeit.

Sie sind der Allrounder im Kader. Haben Sie eine ausgesprochene Lieblingsposition, die Sie gerne jedes Wochenende spielen würden?

Ich spiele da, wo der Trainer mich aufstellt. Es ist mir egal, auf welcher Position ich spiele – Hauptsache, ich kann der Mannschaft helfen. Ich will nur Fußball spielen.

Bleiben Sie dem Kirchheimer SC auch in der nächsten Saison erhalten oder können Sie sich auch vorstellen, zu wechseln – um vielleicht weiter in der Bayernliga zu spielen?

Für mich ist der Kirchheimer SC mehr als nur eine Mannschaft oder ein Verein. Dort hat man mir in einem schwierigen Moment meines Lebens geholfen, und es ist mir wichtig, dem Verein etwas zurückzugeben. Ich werde nirgendwohin gehen.

(Das Gespräch führte Guido Verstegen.)

Aufrufe: 02.1.2024, 09:37 Uhr
Guido VerstegenAutor